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Viele Tote bei Geiselbefreiung in Gaza
US-Außenminister Antony Blinken auf Nahost-Tour, um Israel und die Hamas zu einem Abkommen zu drängen
Nach und nach erfährt die Öffentlichkeit immer mehr Einzelheiten über den Großeinsatz der israelischen Armee im Flüchtlingsviertel Nuseirat, bei dem am Samstag vier Geiseln befreit wurden. Vor allen Dingen steigt die Zahl der dabei getöteten Menschen. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde gibt die Zahl der Getöteten inzwischen mit mindestens 274 an. Außerdem sollen knapp 700 verletzt worden sein. Damit erhöht sich die Zahl der seit Kriegsbeginn vor acht Monaten im Gazastreifen getöteten Palästinenser insgesamt auf mehr als 37 000, rund weitere 84 500 seien verletzt worden, hieß es.
Nach derzeit vorliegenden Informationen sollen israelische Spezialeinheiten am helllichten Tag in das Flüchtlingsviertel Nuseirat eingedrungen sein. Dort wurden nach Medienberichten vom Sonntag drei männliche Geiseln im Alter von 22 bis 41 Jahren in einem Haus festgehalten, in rund 200 Meter Entfernung in einem anderen Haus eine 26-Jährige. Um die Bewacher der Geiseln zu überraschen, hätten die Truppen um 11 Uhr Ortszeit zeitgleich die beiden Gebäude gestürmt. Ein israelischer Offizier wurde bei dem Einsatz getötet.
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Die Befreiten seien am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival verschleppt worden, hieß es. Damals drangen Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen in den Süden Israels ein, töteten mehr als 1200 Menschen und nahmen über 250 Geiseln. Das Massaker löste den Krieg in dem Küstengebiet aus.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu feierte die Aktion als großen Erfolg und schlug martialische Töne an: »Unsere heldenhaften Kämpfer sind wie ein Mann in das Feuer gestürmt, haben die Terroristen ausgeschaltet und die Geiseln befreit«, sagte er am Sonntag. Die Befreiungsaktion sei über mehrere Wochen vorbereitet worden, hieß es seitens des Militärs. Nach einem Bericht der »New York Times« half ein Team von US-Experten Israel bei der Vorbereitung der Aktion, indem sie Informationen und »andere logistische Unterstützung« bereithielten. Die Zeitung berief sich dabei auf einen amerikanischen Informanten.
Die Geiselbefreiung hielt Gegner der Regierungspolitik nicht davon ab, auf die Straße zu gehen und für ein Abkommen zur Freilassung der 120 verbliebenen Entführten mit der Hamas zu demonstrieren. Tausende Israelis versammelten sich in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem, forderten einen Geisel-Deal sowie Neuwahlen; Proteste gegen die Regierung gab es auch in Caesarea, Beerscheba und vielen anderen Orten des Landes. In Tel Aviv kam es Medien zufolge zu Zusammenstößen mit der Polizei, als Demonstranten versuchten, eine Autobahn zu blockieren. Die Polizei setzte dabei demnach auch Wasserwerfer ein. Berichten zufolge wurden mindestens zehn Menschen festgenommen. Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung und für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Die Regierung steht innenpolitisch massiv unter Druck, weicht dennoch nicht von ihrer Linie ab.
Der Sohn eines in der Gefangenschaft getöteten Mannes bat seinen Vater in einer Ansprache um Vergebung für das Versagen des Landes und des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahus, ihn und die anderen Geiseln nicht aus der Gefangenschaft befreit zu haben. Die Armee hatte seinen Tod sowie den drei weiterer Geiseln kürzlich verkündet.
Netanjahus Entscheidung, sich in den Medien nur mit den befreiten Geiseln zu zeigen, aber nicht mit Opferfamilien, stieß auch breite Kritik in der israelischen Öffentlichkeit. Am Samstag posierte Netanjahu – noch während des jüdischen Ruhetags Sabbat – im Krankenhaus mit den vier befreiten Geiseln vor Kameras, Angehörige getöteter Geiseln seien dagegen weder von Netanjahu noch anderen Regierungsvertreter kontaktiert worden. »Wenn man Ministerpräsident ist, dann ist man Ministerpräsident der Erfolge und der Niederlagen«, sagte Oppositionsführer Jair Lapid am Sonntag dem israelischen Kan-Sender. »Nur dann Regierungschef zu sein, wenn alles klappt, und zu verschwinden, wenn alles nicht so läuft, wie man will, das ist erbärmlich.«
EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat die Befreiung der israelischen Geiseln bei einem Militäreinsatz im Gazastreifen begrüßt, sich aber gleichzeitig angesichts der Berichte über ein »Massaker an Zivilisten« dabei entsetzt gezeigt. »Das Blutbad muss sofort beendet werden«, forderte Borrell am Samstag auf der Plattform X. »Die Berichte aus Gaza über ein weiteres Massaker an Zivilisten sind entsetzlich.« Zur Befreiung der Entführten erklärte er: »Wir teilen die Erleichterung ihrer Familien und fordern die Freilassung aller verbleibenden Geiseln.«
Die USA, Katar und Ägypten vermitteln schon länger indirekt zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. US-Präsident Joe Biden hatte vergangene Woche überraschend Details eines Entwurfs für ein Abkommen zur Beendigung des Krieges in drei Phasen präsentiert. Dieser Vorschlag hängt nun in der Luft, denn weder von israelischer Seite noch seitens der Hamas wird klar, ob eine Zustimmung dazu zu erwarten ist. Israel und seine Unterstützer sehen die Hamas in der Verantwortung, den US-Vorschlag anzunehmen. Auch die Position der israelischen Regierung ist alles andere als transparent, das zeigt schon die Befreiungsaktion vom Samstag: Die militärische Lösung ist keinesfalls vom Tisch.
Unterdessen reist US-Außenminister Antony Blinken an diesem Montag zum wiederholten Male in die Nahostregion. Blinken werde zwischen Montag und Mittwoch kommender Woche nach Ägypten, Israel, Jordanien und Katar reisen, teilte das US-Außenministerium mit. Bei den Gesprächen werde es um den von US-Präsident Joe Biden vorgestellten Plan für eine Beendigung der Kämpfe im Gazastreifen gehen. Dem Vernehmen nach haben bislang weder Israel noch die Hamas dem mehrstufigen Plan zugestimmt.
Medienberichten zufolge macht die US-Regierung seit Monaten Druck auf die Führung des Golfstaats Katar, sie solle gegenüber der Hamas klarmachen, dass deren Vertreter das Emirat verlassen müssten, falls sie den Drei-Stufen-Plan der US-Regierung für eine Waffenruhe und die Befreiung aller Geiseln nicht akzeptieren sollten. Jetzt habe Katar »wirklich diese Drohung gemacht«, berichtete der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen US-Regierungsbeamten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Mit Agenturen
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