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  • Deutsche Waffenexporte nach Israel

»Vor Kriegsende keine weiteren Waffenlieferungen für Israel«

Kläger-Anwalt Alexander Schwarz zum Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes

  • Interview: Mirco Keilberth
  • Lesedauer: 4 Min.
2023 hat Deutschland unter anderem Munition für Maschinengewehre nach Israel exportiert.
2023 hat Deutschland unter anderem Munition für Maschinengewehre nach Israel exportiert.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Montag drei Anträge auf Eilverfahren abgelehnt, mit denen die palästinensischen Antragsteller die Fortsetzung deutscher Waffenlieferungen an Israel verhindern wollte. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützte die Klage. Herr Schwarz, darf die Bundesregierung nach diesem Urteil weiterhin Waffen an Israel liefern?

Die Bundesregierung hat zwar einerseits weiterhin die Entscheidungsfreiheit, Kriegswaffen für Israel zu genehmigen. Allerdings wird aus dem Beschluss deutlich, dass die Bundesregierung ihre Genehmigungspraxis spätestens ab dem Frühjahr 2024 geändert hat. Wir führen diese geänderte Genehmigungspraxis auf die Art und Weise der israelischen Kriegsführung zurück, die offensichtlich gegen humanitäres Völkerrecht verstößt. Auch wenn die Bundesregierung dies öffentlich so nicht einräumt, hat sie damit faktisch einen Stopp der Waffenexporte nach Israel vorgenommen. Insofern kann man dies als Teilerfolg verbuchen. Dies zeigt aber auch, dass juristische Interventionen, etwa die vor dem Internationalen Gerichtshof oder dem Internationalen Strafgerichtshof, aber auch nationale Interventionen wie die unsrige Wirkung entfalten.

Interview

Alexander Schwarz leitet beim European Center für Constitutional and Human Rights (ECCHR) stellvertretend den Programmbereich Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung.

Sehen Sie das Urteil des Richters also auch als Erfolg?

Rein juristisch hat es uns zum Nachteil gereicht, dass die Bundesregierung gegenwärtig keine Kriegswaffen mehr genehmigt. Damit besteht aus Sicht des Verwaltungsgerichts kein aktueller Anlass für ein Verbot. Im Verwaltungsrecht gilt nun mal, dass man die Rechtmäßigkeit von Behördenhandeln grundsätzlich nur nachträglich gerichtlich überprüfen kann. Aber es gibt auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, auf die hatten wir uns berufen. Nach Auffassung des Gerichts hätte es für diese Ausnahme aber einer bevorstehenden Genehmigung von Kriegswaffen durch die Bundesregierung bedurft. Und eine solche sieht das Gericht aktuell gerade nicht. Politisch betrachtet ist die geänderte Praxis des Kriegswaffenexports allerdings genau das, was wir erreichen wollten.

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn man das Urteil ernst nimmt, dürfte Deutschland bis zum Ende der aktuellen Kampfhandlungen in Gaza keine Kriegswaffen mehr an Israel liefern. Denn das Gericht geht davon aus, dass die Bundesregierung alle völkerrechtlichen Verpflichtungen sorgsam überprüft. Da die israelische Kriegsführung aber ganz offensichtlich Verstöße gegen das Völkerrecht in Kauf nimmt, müsste genau dies bei der Genehmigungspraxis Berücksichtigung finden. Im Ergebnis müssten deutsche Waffenlieferungen damit unterbleiben. Das ist unsere Schlussfolgerung aus dieser Entscheidung.

Außenministerin Annalena Baerbock hat kürzlich auf einer Veranstaltung in Berlin erneut bestritten, dass überhaupt deutsche Kriegswaffen in Gaza im Einsatz seien.

Deutsche Matador-Panzerfäuste wurden nach dem 7. Oktober bestellt und geliefert, zur Verwendung im Gaza-Krieg. Es ist wenig glaubhaft, dass die israelische Armee Panzerfäuste für den Häuserkampf in einem andauernden Krieg bestellt, um sie dann auf Halde zu lagern. Zumal Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Panzerfäuste in Gaza bereits zum Einsatz kamen.

Wie ungewöhnlich ist es, dass sich ein deutsches Verwaltungsgericht mit Waffenexporten beschäftigen muss?

Aufgrund der in Deutschland völlig intransparenten Genehmigungspraxis ist ein solcher Fall ein juristisch schwieriges Unterfangen, weshalb Gerichtsverfahren äußerst selten sind. Denn es wird weder öffentlich kommuniziert, wann ein Antrag auf Kriegswaffen eingeht, noch proaktiv darüber informiert, wann er genehmigt wird. Die Antragsteller erfahren also nicht, wann sie überhaupt Rechtsschutz beantragen können. Mir ist kein anderer Fall bekannt, in dem über Waffenlieferungen an eine Kriegspartei während eines laufenden Krieges vor einem deutschen Verwaltungsgericht entschieden wurde.

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Gab es in den vergangenen Wochen Kampagnen oder Angriffe gegen die Kläger oder gar Zweifel darüber, ob diese Klage überhaupt legitim ist?

In der juristischen Szene hat das Verfahren durchaus für Aufsehen gesorgt. Es gab diejenigen, die eine Aktivierung des Verwaltungsverfahrens für politisch völlig falsch halten. In juristischen Blogs wurde viel darüber diskutiert, ob diese Klage überhaupt zulässig ist.

Werden das ECCHR und die palästinensischen Mitkläger das Urteil akzeptieren?

Das werden wir in der nächsten Woche entscheiden. Das Problem der völlig intransparenten Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf die Genehmigung von Kriegswaffen besteht ja weiter. Unsere Mandanten sind also weiterhin in einer Position ohne effektiven Rechtsschutz. Wir hatten unsere Klage mit einer Verpflichtung verbunden, unsere Mandanten darüber zu informieren, wenn weitere Kriegswaffen an Israel genehmigt werden.

Wie überprüft das ECCHR die Lage vor Ort?

Am Dienstagmorgen wurde der aktuelle Bericht der Vereinten Nationen zur Lage in Gaza veröffentlicht. Darin werden Kriegsverbrechen auf beiden Seiten belegt. Neben dem Terror der Hamas wird auf 123 Seiten eine ganze Reihe von Völkerrechtsverletzungen durch die israelische Armee nachgewiesen. Auch die beantragten Haftbefehle des Anklägers des IStGH liefern ganz offensichtlich Beweise, dass Israel Kriegsverbrechen begeht. Neben diesen internationalen Verfahren gibt es weitere zahlreiche Organisationen, die möglichen Kriegsverbrechen nachgehen.

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