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Neukölln: Wohnungsbau trumpft Umweltgerechtigkeit
Im Umweltausschuss wird der Emmauswald diskutiert. Anträge zum Schutz von der Regierungskoalition abgelehnt.
Die Notwendigkeit von aktivem politischem Handeln für den Klimaschutz ist mittlerweile allen politischen Akteuren klar. Zu Beginn der Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Klimaschutz des Abgeordnetenhauses stellt die Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) von der Umweltverwaltung in kurzen Worten den letzten IPCC-Bericht vor. Darin wird der Stand der Klimaforschung festgehalten. »Die Berichte zeigen, dass Maßnahmen, die ergriffen werden können, ergriffen werden müssen«, sagt sie am Donnerstag. Ein logischer Schluss, ist die Klimakatastrophe doch im vollen Gange.
Einer dieser Schritte, der ergriffen werden könnte, wäre die Erhaltung bestehender Grünflächen, die nachweislich lokal zur Kühlung beitragen und Wasser speichern. Wie etwa den Emmauswald in Neukölln. Der Wald ist auf dem Gelände des ehemaligen Emmausfriedhofs gewachsen, der seit 1980 kein Friedhof mehr ist. In der Nähe des S- und U-Bahnhofs Hermannstraße liegend und nur 3,9 Hektar groß, macht er trotzdem gut ein Drittel der Waldfläche Neuköllns aus.
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Im Ausschuss wurden Anträge der oppositionellen Fraktionen von Grünen und Linken für den Erhalt des Neuköllner Emmauswaldes mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt. Der Emmauswald ist von Rodung bedroht. Doch die Buwog, ein Wohnungsunternehmen, das dem Immobilienriesen Vonovia gehört, kaufte das Gelände 2016 und beabsichtigt dort, 650 Wohnungen zu bauen. Dabei stehen dort derzeit noch rund 700 Bäume. »An einer Stelle, wo kaum Grünflächen für die Menschen zur Erholung vorhanden sind«, wie die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Julia Schneider, sagt.
Für die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans ist eigentlich der Bezirk Neukölln verantwortlich. Nachdem von den Berliner Forsten festgestellt worden war, dass der Emmauswald nicht nur im Namen, sondern auch offiziell ein Wald ist, hatte der Bezirk sich aber dagegen entschieden. 2023 hatte deswegen der Berliner Senat die Hoheit über das Verfahren an sich gezogen. Der Bau der Wohnungen sei von gesamtstädtischen Interesse.
Schon vor der Ausschusssitzung versammelte sich vor dem Abgeordnetenhaus Protest: Gut 30 Aktivist*innen von der Initiative »Emmauswald bleibt« demonstrierten für den Erhalt des Waldes. »Wir sind hier, wir sind laut, Emmauswald wird nicht bebaut«, rufen sie allen Besucher*innen des AGHs entgegen.
Den Aktivist*innen ist wichtig, klarzustellen, dass sie nicht gegen den Bau von Wohnungen sind. »Wir sind für Neubau. Aber uns wäre wichtig, das differenzierter zu betrachten«, sagt Judith König im Gespräch mit dem »nd«. Der direkt an den Emmauswald angrenzende Kranoldkiez sei laut dem Umweltatlas der berlinweit am stärksten belastete Kiez. Für die Anwohner*innen seien wohnortnahe Grünflächen enorm wichtig. »Gerade in einem Kiez, in dem es doppelt so viel Parkplatzfläche wie Grünfläche pro Anwohner gibt«. Alternativen zur Bebauung des Emmauswaldes hat die Initiative auch in petto. In Neukölln, Schöneberg und Tempelhof recherchierte sie zahlreiche Brachflächen, die zumindest theoretisch bebaut werden könnten.
Für eine Rodung müssten eigentlich auch Ersatzpflanzungen geschaffen werden. Doch das ist innerhalb der Berliner Stadtgrenzen so gut wie unmöglich. Der Berliner Senat stellt mit dem aktuell diskutierten Entwurf für das Schneller-Bauen-Gesetz die Weichen dafür, dass eine Rodung trotzdem möglich wird. In Zukunft sollen Waldflächen ersatzlos gerodet werden können. Bauherren sollen stattdessen eine Ausgleichszahlung leisten.
Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens hat auch die Buwog ein Umweltgutachten in Auftrag gegeben. Michael Divé, Pressesprecher der Buwog, teilt »nd« auf Anfrage mit, dass dieses zu gegebener Zeit veröffentlicht werde. Divé sagt weiter, dass gegenüber der ursprünglichen Planung die Bebauung insgesamt bereits reduziert sei und ein Teil des Waldes erhalten bleibe.
Auch wenn die Anträge der Opposition abgelehnt wurden, gibt es doch einen Hoffnungsschimmer. Sowohl Senat als auch die SPD-Fraktion erklären, dass eine Verringerung der bebauten Fläche infrage kommt. Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) sagt, es sei der richtige Weg. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem. »Wir werfen uns hier die Worte Umweltgerechtigkeit, Schwammstadt und Entsiegelung um die Ohren. Und dann haben wir so eine Fläche, die wir bewahren können – warum wird das dann nicht einfach gemacht?«, fragt Grünen-Politikerin Schneider.
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