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CDU in Sachsen: Alles, nur nicht grün

Mit Distanzierung von der Ökopartei will die Dauer-Regierungspartei eine Niederlage bei der Landtagswahl abwenden

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Messehalle von Löbau ist für die sächsische CDU ein geschichtsträchtiger Ort. »Wir haben in den Abgrund geschaut«, sagte Michael Kretschmer dort im Dezember 2017. Seine Partei, die im Freistaat seit mehr als einem Vierteljahrhundert unangefochten politisch dominiert hatte, musste damals ihre erste Niederlage verdauen. Bei der Bundestagswahl war sie einen Zehntelpunkt hinter der AfD eingekommen. In der Partei sorgte das für ein formidables Erdbeben. Landeschef und Ministerpräsident Stanislaw Tillich warf hin. Sein Nachfolger in beiden Ämtern wurde Kretschmer, der verfügbar war, weil er gerade sein Direktmandat im Bundestag an den Malermeister Tino Chrupalla von der AfD verloren hatte, der es seither zu deren Bundeschef brachte.

Sieben Jahre später sind Niederlagen für die Sachsen-CDU nichts Ungewohntes mehr. Mittlerweile viermal zog sie gegen die Konkurrenz von Rechtsaußen den Kürzeren: nach 2017 auch zur Europawahl 2019, bei der Bundestagswahl 2021 und zuletzt am Wahltag vor gut einer Woche. Da lag sie bei der Europawahl im Freistaat satte zehn Prozentpunkte hinter der AfD und kam auch in allen Kreistagen sowie den Stadträten von Dresden und Chemnitz nur hinter der AfD ein.

Schlechte Voraussetzungen, um die größte aller Niederlagen zu vermeiden: eine Pleite auch bei einer Landtagswahl. Sie würde nicht nur den Blick, sondern einen Sturz in den Abgrund bedeuten. Im Freistaat wird am 1. September gewählt; die CDU, die Kretschmer als »einzige bürgerliche Kraft mit Anstand« beschrieb, hat also genau 76 Tage Zeit, um an der zuletzt so dominanten AfD vorbeizuziehen. In Löbau, wo sie jetzt ihr Wahlprogramm beschloss, warnte Kretschmer eindringlich vor den Konsequenzen eines AfD-Erfolgs für das Land: »Diesen Leuten darf man nicht die Führung überlassen, weil das gefährlich wird«, sagte er. Im Landtag rede sie wie die NPD. Dass ihre Vertreter andere Politiker als Volksverräter beschimpften, sei »ein großes Übel für unser Land«. Und das »abfälliges Reden und Runtermachen«, das viele AfD-Politiker pflegten, ist nach Ansicht Kretschmers »das Allerletzte«.

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Allerdings hatte sich Kretschmer selbst zuletzt ebenfalls durch »abfälliges Reden« profiliert, und zwar mit Blick auf die in Berlin regierende Ampel-Koalition. Erst am Mittwoch hatte er dieser bei einer Regierungserklärung zur Bilanz seiner seit 2019 regierenden Koalition aus CDU, Grünen und SPD vorgeworfen, eine Wirtschaftspolitik wie die SED unter Günter Mittag zu betreiben. In Löbau überließ er die verbalen Breitseiten seinem Generalsekretär Alexander Dierks, der mit Blick auf Berlin von einer »übergriffigen und ignoranten Regierung« sprach.

Kretschmer selbst warnte, die Energiepolitik der Ampel treibe die Wirtschaft in ein »Tal des Todes«. Fehler warf er ihr auch beim Bürgergeld, der Krankenhausreform oder bei der übertriebenen Regulierung in vielen Politikfeldern vor. Er drängte auf »parteiübergreifende, große Lösungen« bei Themen wie der Migration, damit »der gesellschaftliche Frieden wieder hergestellt wird«. Komme es zu keiner Einigung und erweise sich ein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Aussicht gestellter Flüchtlingsdeal mit der Türkei als unzureichend, werde man eigene Maßnahmen ergreifen. Eine Überlegung sei, eine eigene sächsische Grenzpolizei aufzustellen.

Mit dieser Idee verblüffte Kretschmer freilich die 190 Delegierten. Im Wahlprogramm, das später einstimmig beschlossen wurde, findet sich die Grenzpolizei nicht. Dort ist von einer Fortsetzung der stationären Grenzkontrollen die Rede. Daneben drängt die Partei beim Thema Migration auf eine Obergrenze von 60 000 Menschen pro Jahr in Deutschland, was für Sachsen die Aufnahme von 3000 Flüchtlingen bedeuten würde. Zudem geht es etwa um ein verpflichtendes, beitragsfreies Vorschuljahr für alle Kinder, um ein an das Landärzteprogramm angelehntes Paket für Zahnärzte oder einen Meisterbonus. Dierks versicherte, das Programm trage eine »bürgerlich-konservative Handschrift« und beinhalte »CDU pur«.

Ob freilich ein Meisterbonus der CDU die entscheidenden Stimmen bei der Wahl am 1. September beschert, steht zu bezweifeln. Die Wahlkampagne ist vor allem auf die Person des Ministerpräsidenten zugeschnitten, der sich auch auf dem Parteitag ohne Sakko und Krawatte als Macher präsentierte und noch auf dem Weg zum Rednerpult demonstrativ die Ärmel aufkrempelte. Zudem versucht die CDU ihren potenziellen Wählern deren, wie sie vermutet, größte Angst zu nehmen, indem sie versichert, nicht erneut mit den Grünen zu koalieren. »Ich will die nächste Regierung nicht mit den Grünen bilden«, sagte Kretschmer: »Das meine ich ernst.« Fraktionschef Christian Hartmann sagte, »wenn Gott und die Wähler« es wollten, werde es keine erneute Regierung mit der Ökopartei geben. Agrarpolitiker Georg-Ludwig von Breitenbuch warf dieser vor, sie habe bei Themen wie Wolf oder Nationalparks »auf Spaltung hingearbeitet«.

Die AfD hatte die Union bei der Europa- und Kommunalwahl mit dem Slogan vor sich hergetrieben: »Wer CDU wählt, bekommt grün«. Es ist absehbar, dass derlei Plakate auch vor der Landtagswahl gehängt werden. Diese werde, beschwor Kretschmer in Löbau, die »wichtigste Weichenstellung« im Freistaat. Und auch für die CDU und ihn persönlich wird sie entscheidend dafür sein, ob es beim Blick in den Abgrund bleibt – oder der Absturz folgt.

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