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Berüchtigte Notunterkunft für Geflüchtete geschlossen

Betrieb der wegen katastrophaler Zustände »Halle des Elends« genannten Einrichtung im thüringischen Hermsdorf eingestellt

In dieser ehemaligen Logistikhalle in einem Gewerbegebiet im thüringischen Hermsdorf waren im Schnitt 500 bis 600 Geflüchtete untergebracht.
In dieser ehemaligen Logistikhalle in einem Gewerbegebiet im thüringischen Hermsdorf waren im Schnitt 500 bis 600 Geflüchtete untergebracht.

Die umstrittenste Geflüchtetenunterkunft Thüringens ist geschlossen worden. Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums wurde die Unterbringung in einer ehemaligen Logistikhalle in Hermsdorf am Freitag beendet. Die letzten 27 dort lebenden Menschen seien in den Landkreis Sömmerda verlegt worden.

Zugleich hat Innenminister Georg Maier (SPD) sein Versprechen erneuert, in absehbarer Zeit die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Suhl zu schließen. »Da gilt mein Wort, dass wir den Mietvertrag nicht verlängern«, sagte Maier mit Blick auf die Sammelunterkunft in Südthüringen. Gemeinsam mit der Landesentwicklungsgesellschaft sei sein Haus derzeit dabei, mögliche Alternativen zu identifizieren. Nähere Angaben, welche Standorte derzeit geprüft werden und wann eine Entscheidung für einen oder mehrere fallen werden, wollte Maier wegen der Vertraulichkeit der derzeit geführten Gespräche nicht machen.

Die Hermsdorfer Einrichtung hatte in den vergangenen Monaten immer wieder für Negativschlagzeilen in der Thüringer Presse gesorgt, denn die Zustände dort waren katastrophal. Zwischenzeitlich lebten etwa 700 Menschen in dem Gebäude – praktisch ohne Privatsphäre und unter schlimmen hygienischen Bedingungen.

Selbst in normalen Zeiten waren hier 500 bis 600 Personen untergebracht. Bis zu acht Personen mussten auf etwa 22 Quadratmetern leben. Die Menschen schliefen in Doppelstockbetten, jeder hatte nur einen schmalen Spind für seine Habseligkeiten. Die »Wohnbereiche« waren durch Bauzäume voneinander abgetrennt, an die blickdichte Planen gehängt worden waren. Die Bewohner mussten hier viele Wochen, manchmal sogar Monate zubringen – mit viel zu wenigen Toiletten und Waschgelegenheiten, deren Zustand entsprechend desaströs war.

Die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss hatte die Unterkunft deshalb als »Halle des Elends« bezeichnet. Anfang März war eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtags übergeben worden. Die rund 2100 Unterzeichner hatten die Schließung »des Lagers und eine zügige Umverteilung der Menschen in eine menschenwürdige Wohnsituation« gefordert.

Maier sagte, die Schließung der Hermsdorfer Einrichtung sei ein großer Erfolg und »wichtiger Meilenstein«. Die Anlage werde jetzt gereinigt und anschließend weiter vom Land genutzt. »Wir sind froh, dass wir die Halle haben und werden sie behalten«, sagte Maier. Eine mehr als kurzzeitige Unterbringung von Menschen werde es dort aber nur noch »im extremen Notfall« geben.

»Eins ist klar: Wir wollen hier keine Menschen mehr unterbringen«, so der Minister. Denkbar sei, die Halle als Notreserve für die Unterbringung von Menschen im Fall von Naturkatastrophen und als Lagerhalle etwa für Material des Katastrophenschutzes zu nutzen.

Landesweit gibt es ohne die Notunterkunft in Hermsdorf nach Angaben des Präsidenten des Thüringer Landesverwaltungsamts, Frank Roßner, derzeit etwa 2000 Plätze in der Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaats. Davon sind nach Angaben Maiers derzeit etwa 1400 Plätze belegt. Die meisten gibt es am Standort Suhl, wo im Moment etwa 920 Menschen leben.

Schon diese Zahlen machen deutlich, dass das Land dringend weitere Standorte für die Erstunterbringung von Geflüchteten finden muss, wenn das Heim in Suhl im Jahr 2026 wie angekündigt geschlossen werden soll. Dann läuft der Mietvertrag aus.

Zudem wissen Maier und Roßner, dass die Flüchtlingszahlen nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre zum Ende des Jahres hin üblicherweise steigen – weshalb die derzeit nicht belegten Plätze an den Thüringer Erstaufnahmestandorten bald wieder belegt sein könnten. Das Land wolle in den nächsten Wochen und Monaten deshalb weitere Erstaufnahmestandorte erschließen und in Betrieb nehmen, sagt Maier. Nicht zuletzt wegen des andauernden Krieges in der Ukraine müsse der Freistaat auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

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