Schulklos: Gegen die Scheiß-drauf-Mentalität

Schüler sollen an Sanierungen von Schultoiletten beteiligt werden

Es stinkt und ist dreckig, in den Wänden sind Löcher, und zu allem Überfluss fehlt auch noch Klopapier: Die Zustände auf vielen Schultoiletten sind katastrophal. »Befragt man Schüler, was sie für das größte Problem an ihrer Schule halten, ist der Zustand der Schultoiletten einer der am häufigsten genannten Missstände«, sagt Svenja Ksoll von der German Toilet Organization. Ihr Verein engagiert sich für den sicheren Zugang zu hygienischen Sanitäranlagen. »Wir beobachten erhebliche Mängel bei der Ausstattung«, sagt Ksoll. Seife, Papierhandtücher und Klopapier seien auf vielen Schultoiletten Mangelware. Dazu kommen Schäden am Inventar. »Bei manchen Toiletten lassen sich die Kabinentüren nicht mehr abschließen«, berichtet Ksoll gegenüber »nd«.

Knapp 42 Prozent der befragten Schüler stimmen der Aussage zu, auf den Toiletten stinke es »immer«. Das hatte eine von der German Toilet Organization beauftragte Studie aus dem vergangenen Jahr ergeben, für die 949 Schüler aus 17 Berliner Schulen befragt wurden. Im Durchschnitt schaffen die Schultoiletten die Versetzung nicht: Die Note 4,4 würden Schüler den Toiletten an ihren Schulen geben.

Die hygienischen Zustände im stillen Örtchen wirken sich auf das Verhalten der Schüler aus: 46 Prozent geben an, das Urinieren in der Schule zu vermeiden, 85 Prozent versuchen, das große Geschäft nicht auf Schulklos erledigen zu müssen. Teilweise essen und trinken die Schüler auch weniger, um Toilettengänge zu vermeiden. »Das kann schnell zu Konzentrationsschwierigkeiten und anderen gesundheitlichen Problemen führen«, sagt Ksoll. Besonders schwierig ist die Situation für Schülerinnen: Knapp die Hälfte von ihnen empfindet es als Stresssituation, während der Schulzeit ihre Periode zu haben.

Kann es besser gehen? Bei einem Kongress diskutierten am Dienstag Aktivisten, Schüler und Vertreter der Politik über die Toilettensituation an den Schulen. »Man gibt oft den Schülern die Schuld für die Zustände – aber das stimmt nicht«, sagte Tom Erdmann, Berliner Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Vielmehr seien es Sanierungsstau und Schwierigkeiten bei der Reinigung, die für die schwierige Lage verantwortlich seien. »Die Toiletten sind übernutzt«, mahnte auch Torsten Kühne, Staatssekretär in der Senatsbildungsverwaltung. Durch den Mangel an Schulplätzen in Berlin seien viele Schulen überbelegt. Wenn dann an einer Einrichtung 600 statt der eingeplanten 500 Schüler die Toiletten nutzten, komme es schnell zu Verschmutzungen.

Schäden an den Anlagen können saniert werden – aber das ist häufig ein komplizierter Weg. Die Toiletten liegen in Berlin nicht in der Verantwortung der Schulleitung, sondern des Trägers des Schulgebäudes. Meist sind dies die Bezirke. Hier fehlt es oft an Geld, um zu sanieren. Und selbst wenn die Sanierung gelingt, ist sie häufig nicht von Dauer: »300 000 Euro in eine Sanierung gesteckt – und nach fünf Wochen könnten wir eigentlich wieder von vorne anfangen«, berichtete Hilmar von Lojewski, Beigeordneter beim Deutschen Städtetag, von den Erfahrungen, die viele Schulen machen.

Zumindest ist man sich auf dem Podium einig, dass es einen Weg gibt, dem Vandalismus entgegenzutreten: »Man hat ein anderes Verständnis, wenn man selbst beteiligt ist«, sagt Hasan Aljomaa, Mitglied im Vorstand der Bundesschülerkonferenz. Würden Schüler frühzeitig bei Sanierungsarbeiten involviert, reduziere das den Vandalismus erheblich, zeigten Erfahrungen. An manchen Schulen dürfen die Schüler die Wände der Toiletten in selbst gewählten Farben streichen, in anderen dürfen sie auch bei der Ausstattung mitentscheiden. An einer Schule habe sich die Schülerschaft mit der Forderung durchgesetzt, bodentiefe Spiegel einzubauen. »Dann überlegt man sich zweimal, wie man die Toilette hinterlässt«, berichtet Aljomaa.

Die Paul-Simmel-Grundschule in Tempelhof wurde für ihr Konzept beim Kongress ausgezeichnet. Hier unterzeichnen die Schüler Verträge, dass sie die Toiletten sauber halten wollen. Das Reinigungspersonal und die Hausmeisterin stellen sich zu Beginn des Schuljahres den Schülern vor. Für die Sauberkeit auf den Toiletten haben die Schüler sogar ein Video produziert. Mit Umhängen und einem großen »S« auf der Brust besingen die kleinen »Sauberhelden« ihr Engagement für hygienischere Latrinen.

Schon länger in der Diskussion ist, die Schulreinigung wieder in öffentliche Hände zurückzuführen. Aktuell vergeben die Bezirke Aufträge an private Firmen. »Private Firmen machen ihren Profit damit, nicht zu reinigen«, sagt GEW-Chef Tom Erdmann zu »nd«. Die privaten Anbieter seien nur günstiger, weil sie Abstriche bei der Qualität machen.

»Rekommunalisierung steht nicht in einem direkten Zusammenhang mit Qualität«, sagt dagegen Staatssekretär Torsten Kühne. »Es gibt bei privaten Anbietern auch schwarze Schafe.« Aber auch in städtischen Eigenbetrieben gebe es Qualitätsprobleme.

Dass die Rekommunalisierung der Schulreinigung unter Schwarz-Rot kommt, ist unwahrscheinlich. Im Koalitionsvertrag ist zu dem Thema nichts vereinbart, die CDU steht dem Thema kritisch gegenüber. Erdmann wünscht sich daher, dass zumindest die Vergaberichtlinien strenger gefasst werden. »Da müssen Kompensationen für schlechte Leistungen rein«, sagt er. Auch die Verpflichtung, Toilettenpapier und Seife aufzufüllen, könnte dort festgeschrieben werden.

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