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Bundestags-Linke: Aus dem Weltraum in die Welt nach Waldenburg
Gruppenchefs wollen sich mit einer Tour durch Kleinstädte in Sachsen und Brandenburg wieder mehr im Land zeigen
Als Heidi Reichinnek in Waldheim ankommt, trägt sie schwarz-weiße Sneaker. Das ist insofern von Belang, als eigentlich anderes angekündigt war. »Gummistiefel statt Lackschuhe« hat die Bundestagsgruppe der Linken eine Tour genannt, die ihre beiden Ko-Vorsitzenden Reichinnek und Sören Pellmann durch ostdeutsche Kleinstädte führt. Der Titel suggeriert: Es geht runter vom parlamentarischen Parkett, raus aus dem »Raumschiff Bundestag«, von dem Pellmann spricht – und rein ins wahre Leben, wo es auch mal schmutzig wird. »Man bekommt viel Frust ab von den Leuten«, sagt Reichinnek: »Ich kann das gut verstehen. Ich bin von der Politik der Bundesregierung ja auch frustriert.«
Das Sprachbild von den Gummistiefeln weckt auch andere Assoziationen. »Ja, ist denn schon wieder Hochwasser!?«, wird in sozialen Netzwerken gefragt. Der Zschopau-Fluss, der in Waldheim nicht weit vom Infostand der Bundestagsgruppe vorbeifließt, hat indes normalen Pegelstand. Wem das Wasser bis zum Hals steht, das ist Die Linke. Bei der Europawahl kam sie in Sachsen auf 4,9 Prozent, ein ernüchterndes Ergebnis zehn Wochen vor der Landtagswahl. In Waldheim reichte es bei der Kommunalwahl für 10,1 Prozent, aber weil das acht Punkte weniger als 2019 sind, ging einer der drei Sitze im Stadtrat verloren.
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Auf die Frage nach Gründen verweist Dieter Hentschel, eines der beiden verbliebenen Ratsmitglieder, auf »die Trennung«: den Abgang von Sahra Wagenknecht, die Spaltung der Fraktion, monatelange Selbstbeschäftigung. Das habe Probleme der Wähler in den Hintergrund treten lassen, räumt Reichinnek ein. Man habe »über ihre Köpfe hinweg« agiert: »Jetzt wollen wir zeigen: Wir haben verstanden. Und wir wollen fragen: Welche Themen interessieren euch?« Ein paar Antworten gibt sie selbst: Rente, Gesundheitsversorgung, Nahverkehr auf dem Land. In Papiertüten, die an Passanten verteilt werden, stecken ein Apfel und ein Tetrapack mit Saft: ein Hinweis auf eine Kampagne der Linken zum kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kitas.
Keine Frage: Die Zuwendung der Gruppenvorsitzenden ist in den sächsischen und brandenburgischen Kleinstädten, durch die sie zunächst touren, nicht unwillkommen. Bei der ersten Station in Hoyerswerda sei man das komplette Infomaterial binnen einer Stunde losgeworden, heißt es. In Waldheim hält sich das Interesse der Passanten in Grenzen, auch wenn Markttag ist. Reichinnek wartet indes nicht ab, sondern geht forsch auf die Kleinstädter zu und sucht offensiv das Gespräch. Sie sei »selbst ein Dorfkind« und fühle sich wohl in der Provinz: »Da ist das wahre Leben«, sagt die nahe Querfurt in Sachsen-Anhalt gebürtige Politikerin, bevor sie vor einer Kamera erzählt, was sie gerade in der Provinz erlebt. Der Clip wird später in ihrem Kanal bei Tik-Tok zu sehen sein, der ihr offenbar erhebliche Bekanntheit auch abseits der Metropolen beschert: In Riesa, sagt Reichinnek lachend, sei sie »sogar auf einer öffentlichen Toilette« erkannt worden.
An der Basis der Partei freut man sich über den Besuch aus Berlin. Die grundlegenden Probleme indes, davon sind die örtlichen Genossen überzeugt, wird das nicht lösen. Es gebe bei der Linken immer noch »große Unklarheiten« in zentralen Politikfeldern, sagt Dieter Kunadt, Ortschef im 15 Kilometer von Waldheim entfernten Leisnig. Ein Punkt: »die Friedensfrage«. Er ist unglücklich damit, dass manche in der Partei Waffenlieferungen an die Ukraine befürworteten, und würde sich wünschen, dass »die Diplomatie stärker im Vordergrund« stünde. Vor ein paar Wochen hat er seine entsprechenden Vorstellungen in einem Brief an den Bundesvorstand dargelegt. Von dort wurde ihm nicht einmal der Eingang des Schreibens bestätigt: »ein unmöglicher Umgang«.
Das Grundproblem der Linken sei, sagt Kunadt, dass sie für viele Bürger »zu den etablierten Parteien zählt, die in deren Augen allesamt versagen«. Dass die Abgeordneten im Bundestag gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr gestimmt haben? »Wissen die Leute nicht.« Wie sich das ändern ließe? »Schwierig.« An der Basis tun sie, was sie können. Die Gummistiefel haben sie schon lange angezogen: »Vor der Wahl hatten wir jede Woche einen Infostand«, sagt Hentschel. Weitere werden bis zur Landtagswahl folgen. Dem Wahltag schaut man dennoch mit Bangen entgegen. Sollte es keine Fraktion in Dresden mehr geben, dann helfen der Partei auch keine Gummistiefel mehr.
»Man bekommt viel Frust ab von den Leuten. Ich kann das gut verstehen. Ich bin von der Politik der Bundesregierung ja auch frustriert.«
Heidi Reichinneck Ko-Vorsitzende Die Linke im Bundestag
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