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Donaudurchbruch: Paddeln vor steilen Felsen
Bayern auf dem Wasser erkunden: Mit dem Kanu durch den Donaudurchbruch zum Kloster Weltenburg
Das Kloster Weltenburg ist eine Ikone, dank der von den Asam-Brüdern gestalteten Barockkirche St. Georg und des seit 1050 hier gebrauten Bieres. Doch Weltenburg ist als älteste Klosterbrauerei der Welt nicht nur in der Vergangenheit eine große Nummer, sondern auch in der Gegenwart. Dreimal Gold beim prestigeträchtigen World Beer Cup räumte der untergärige »Barock Dunkel« bereits ab. Und auch »Asam Bock«, »Märzen Anno 1050« und Co. werden reihenweise Preise verliehen.
Ein Reigen von über 100 internationalen Medaillen spricht für sich, die Lage des Klosters Weltenburg sowieso. Sie berauscht indessen auch ohne Bierkonsum. Schließlich erhebt sich Bayerns älteste Klosterniederlassung bilderbuchartig in einer Donauschleife: nebenan der felsenreiche Donaudurchbruch, gegenüber ein dichter Waldhang, oberhalb der Frauenberg und unterhalb eine barfuß- und flipsteinfreundliche Kiesbank.
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Vergangenen Sommer wurde diese von Tag zu Tag größer, mit jedem Hitzetag fiel der Pegel der Donau weiter. Unterschreitet er im nahen Kelheim die Marke von 2,25 Metern, müssen die Ausflugsschiffe sogar den Verkehr einstellen. Wer dann die Weltenburger Enge durchfahren will, muss umsteigen. Auf Zillen, traditionelle, längst motorisierte Open-Air-Holzboote für rund zehn Passagiere. Oder – gewerbliche Mietgefährte sind in diesem Abschnitt tabu – in private Kanus. Genau damit wollen wir uns auf den (Wasser-)Weg machen, Vorlauf inklusive. Wie und wo genau? Dazu entfalten wir im Klosterinnenhof eine Landkarte und schauen, wo wir am nächsten Tag unsere Begleitung, Franziska Fruth, treffen.
Fünf Stunden bis Kelheim
Und zwar um 9 Uhr an der Donaubrücke in Vohburg. Großes Hallo. Großes Vorbereiten, samt Kanu aufpumpen, Brotzeit verstauen, Schwimmwesten anlegen. Dann setzen wir ein. Ein erhabenes Gefühl, befahren wir doch die »Königin unter Europas Flüssen«. Bei zehn Anrainerstaaten und 2850 Kilometern Länge ist das ein berechtigter Titel. Das gilt auch für die Tour International Danubien (TID), die sich als weltgrößte Kanuwanderfahrt bezeichnet. Im Juni starten wieder rund 100 Kanuten in Ingolstadt. Bis ins Donaudelta veranschlagen sie elf Wochen. Unsere Endstation liegt mit 28 Kilometern deutlich näher: Kelheim, in etwa fünf Netto-Paddelstunden zu schaffen.
Eigentlich bräuchte es auf der selbst für Einsteiger und Familien geeigneten Etappe keinen Guide. Doch dank der 43-jährigen Franzi erfahren wir mehr. Schließlich hat sie während ihrer Zeit im Kanu-Club Kelheim unzählige Stunden am und auf dem Wasser verbracht. »Ich bin die Donau schon hunderte Male gefahren, und doch ist sie jedes Mal anders. Manchmal schneller, manchmal langsamer, manchmal braun, manchmal blau.« Heute eher grün, klar und mit 23 Grad recht warm.
Friedrich Hölderlin nannte die Donau einen »erfrischenden, melodischen Strom, mal übermütig schäumend, mal heiter träumend«. Auf die Etappe Vohburg-Kelheim trifft letzteres zu. Der bis zu 100 Meter breite Strom fließt sanft dahin, ab und an ragen Ufersteine aus dem Wasser. Generelle Kulisse: Weiden, Wiesen, Wald. Alles im grünen Bereich, Ausstieg schwierig. Für weiße Farbkleckse sorgt einmal eine große Schafherde am Wasser. Von Menschen oder ihren Behausungen, etwa bei Neustadt, kriegt man kaum etwas mit.
In Eining lassen wir die Überreste des Römerkastells Abusina, Bestandteil des Unesco-Welterbes Obergermanisch-Raetischer Limes, rechts liegen. Ebenso den Biergarten an der Fähre: Montag ist Ruhetag. Also auf zu den Kiesbänken gegenüber von Haderfleck. Picknicken, baden, Graureiher beobachten! Idyllisch, doch Franzi meint: »Das Beste kommt erst!« Mag sein, doch ums nächste Eck kommen zuerst eine weitere Seilfähre, ein Busparkplatz, pilgernde Ausflügler auf dem Weg zum Kloster eine Flusskurve weiter.
Vorteil Wochentag
Die meisten kommen jedoch stromaufwärts mit einem Ausflugsschiff aus Kelheim. Vorteil Wochentag: Wir finden locker Platz in der Klosterschenke und genießen Eiskaffee, Apfelkuchen und ein dunkles Radler. Süffig, erfrischend, ungewöhnlich. Mit Kühle punktet auch das Besucherzentrum im Felsenkeller. Wir reißen uns vom berühmten Weltenburger Stier los – eine Kopie der kleinen, keltischen Bronzefigur –, gleich beginnt die Führung in der Klosterkirche, eine der wichtigsten Barock-Sakralbauten Europas.
Gleich mit ihrem ersten Werk haben die Brüder Asam geklotzt. Der Bühnenaltar samt Pferd und heiligem Georg, wie er gegen einen Drachen kämpft! Zahlreiche Wimmelwandbilder! Die nach oben hin immer heller werdende Atmo! Das Deckenfresko, auf dem sich die Asam-Brüder aus Jux verewigt haben und an den jungen Gottschalk erinnern! Die halbstündige Führung ist überraschend kurzweilig.
Über Langeweile kann sich Frater Matthias, einer von sieben Brüdern im Benediktinerkloster, auch nicht beschweren. Im Gästehaus St. Georg hat er gut zu tun, im kaufmännischen wie im kommunikativen Bereich. Er zeigt Seminarteilnehmern, Pilgern, »normalen« Gästen den Weg und die Zimmer, ermuntert zum baldigen Essen – »um halb sieben machen wir dicht« – und empfiehlt einen Spaziergang zur Frauenbergkapelle. Im Abendlicht wirkt das Klosterareal besonders besonnen.
Alles im Paddelgriff
Tags drauf wollen wir »den Bruch« endlich live erleben. Wir steigen in die Boote. Ob es im Donau-Canyon Strudel gibt, gefährliche Strömungen? Kam es doch immer wieder zu Unfällen, gar mit tödlichem Ausgang! »Kann tatsächlich mal kritisch werden, etwa bei zu viel Wasser«, so Franzi. Neben dem höheren Donaupegel, der den Fluss schneller macht, sorgte in der Vergangenheit wohl auch manch erhöhter Bierpegel für Probleme, insbesondere beim Manövrieren mit Motorschiffen.
Wir jedoch haben alles im (Paddel-)Griff. Keinerlei Puls, was das betrifft. Wohl aber in puncto Landschaft. Auf den nächsten fünf Kilometern kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Felswände ragen bis zu 70 Meter aus dem Wasser. Franzi erklärt wie am Fließband. Hier: die monströse Römerwand! Dort: die kleinen »feindlichen Brüder«! Im Fels eine Nepomuk-Statue. Und da hinten »Napoleons Reisekoffer«, »Riesenechse« und »Bischofsmütze«. Viele Felsnamen, viele Mythen. Nicht umsonst ist das Gebiet seit 2020 »Bayerns erstes nationales Naturmonument«, sogar der noch höhere Status Nationalpark stand eine Weile zur Debatte.
Und dann ragt plötzlich die Befreiungshalle aus dem Waldmeer empor. Monumental! Mehr davon! Also beim Vereinsheim des Kanu-Clubs Kelheim anlanden, Boote verstauen und hinauf zu dem imposanten Rundbau, bei dessen Eröffnung König Ludwig I. im Jahr 1863 angeblich in Tränen ausbrach. Auch heutzutage sind viele Besucher ergriffen angesichts der 18 kolossalen Frauenstatuen, die Schilder mit den Namen all jener deutschen Völker hochhalten, die Napoleon in Leipzig besiegten: Schwaben, Bayern, Franken und viele mehr. Und dann erst die inneren Werte im 45 Meter hohen Kuppelraum. Der besteht aus vielfarbigem Marmor, einem Marmormosaik auf dem Boden und 34 Siegesgöttinnen, natürlich auch aus Marmor.
Ganz oben genießen Besucher einen letzten Wow-Moment, den Blick auf die ebenfalls zum Naturschutzgebiet zählende Altmühlleiten und den Hirschberg, das Hopfenland Hallertau in der Ferne und Kelheim und die Donau zu Füßen. Ob man noch weiter paddeln könne, fragen wir Franzi. »Na klar, bis zum Schwarzen Meer!«, lacht sie.
- Allgemeine Infos: Tourismusverband im Landkreis Kelheim e. V.
www.herzstueck.bayern - Zum Paddeln: www.herzstueck.bayern/urlaubserlebnisse/kanutouren
- Weltenburger Enge: www.voef.de
- Verhaltenstipps: Abstand zu Schilf- und Uferzonen und zu Schiffen halten. Schwimmwesten tragen. Anfänger sollten nur bis zu einem Pegelstand von 300 cm (Messstelle Kelheim) fahren,
Geübte bis 350 cm; bei Hochwasser besteht Lebensgefahr! - Wasserstand: Infos unter hnd.bayern.de
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband im Landkreis Kelheim e.V.
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