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Berlin: Ohne Lohn am Hauptstadtflughafen
Die Flughafengesellschaft des BER kündigt der Sicherheitsfirma wegen ausbleibender Gehaltszahlungen
Üblicherweise geht man zur Arbeit, erscheint pünktlich, verrichtet seinen Dienst und kehrt wieder heim, und das Tag für Tag. Am Ende des Monats rechnet man mit einem entsprechenden monetären Ausgleich auf dem Bankkonto. Abhängig von der Höhe des Betrages und davon ausgehend, dass er regelmäßig und pünktlich eingeht, richtet man sein Leben ein.
Am Hauptstadtflughafen BER konnten die 350 Beschäftigten des Sicherheitsdienstleister ESA Luftsicherheit GmbH (ESA) feststellen, wie fragil diese Sicherheiten sind. Immer wieder kam es zu Verzögerungen und Unvollständigkeiten bei der Gehaltsauszahlung. Schlussendlich kündigte die beauftragende Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) den Vertrag mit der ESA zum 30. Juni.
»Innerhalb von 14 Monaten hat ESA bei einigen Mitarbeitenden neunmal die Löhne oder Lohnbestandteile zu spät gezahlt«, berichtet Enrico Rümker, Gewerkschaftssekretär von Verdi, dem »nd«. Einige Kolleg*innen würden noch auf Geld warten, das ihnen vor acht Monaten hätte gezahlt werden sollen. Es gebe Klagen darüber, dass sich einige aufgrund des fehlenden Geldes das Ticket zur Arbeit nicht mehr leisten könnten. Allein am vergangenen Mittwoch hätten sich 70 Kolleg*innen krankgemeldet, sagt Rümker. »Da herrscht Frust, und die Probleme wachsen den Kollegen über den Kopf.«
Die FBB teilt mit, dass die ESA mit der Durchführung der Mitarbeiter*innen- und Anlieferungskontrolle beauftragt war. In die Kontrollen von Passagieren und Gepäck sei die ESA nicht involviert gewesen, die Sicherheit des Flughafenbetriebs sei nicht gefährdet.
Die nun aufgetretenen Probleme hätte er so bisher nicht gekannt, erklärt Rümker. »Bis 2022 hatte die Securitas den Auftrag. Danach hatte die Flughafengesellschaft dem billigsten Wettbewerber, der ESA, den Zuschlag für den Auftrag erteilt.« Offenbar habe die ESA zu knapp kalkuliert, konstatiert Rümker. Er bemängelt, dass die Qualität der Arbeit kaum eine Rolle bei der Vergabe spiele, »Dreh- und Angelpunkt ist der Preis«. Am besten wäre daher, »die Flughafengesellschaft würde diese Arbeiten, zu denen sie nach dem Luftsicherheitsgesetz verpflichtet ist, gar nicht mehr ausschreiben, sondern sie selbst erledigen«. So würde man die Kontrolle über die Qualität der Arbeit und die Arbeitsbedingungen behalten.
Eine Ausschreibung erfolge nach deutschem und europäischen Vergaberecht, teilt die FBB dem »nd« mit. Eine Prüfung auf Eignung werde sorgfältig und nie »allein auf der Grundlage des Preises als Wertungskriterium« durchgeführt, sondern auch unter Berücksichtigung von »Qualität, Leistungsfähigkeit und auch Personalstärke«. Es sei aber unmöglich, sämtliche wirtschaftlichen Risiken über Jahre hinweg vorab zu erkennen oder gar auszuschließen. Zudem würden derlei kritische Dienstleistungen an mehrere Dienstleister gebunden. Neben der ESA sei ein weiterer Dienstleister für die genannten Arbeiten eingesetzt. Mit Blick auf eine mögliche Eingliederung der ESA-Leistungen teilt die FBB mit: »Wir prüfen und bewerten solche Fragen fortlaufend und sind dazu in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat.«
Derzeit verhandelt die FBB in einem verkürzten Verfahren mit mehreren Dienstleistern. »Die Flughafengesellschaft muss unserer Ansicht nach bei einer Neuvergabe dafür sorgen, dass das Personal im Rahmen eines Betriebsübergangs vom neuen Dienstleister übernommen wird«, sagt Gewerkschafter Rümker. Derzeit würden die Beschäftigten laut Tarifvertrag einen Bruttostundenlohn zwischen 19,44 Euro und 21,29 Euro bekommen. Noch am Freitag, berichtet Verdi, standen die Angestellten ohne Maigehälter da.
»Innerhalb von 14 Monaten hat ESA bei einigen Mitarbeitenden neunmal die Löhne oder Lohnbestandteile zu spät gezahlt.«
Enrico Rümker Verdi-Gewerkschaftssekretär
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