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Linke-Chef Walter fordert Wagenknecht zu Rededuell heraus
Brandenburgs Linke beschließt Programm für die Landtagswahl im September
»Weil es die einzige Partei ist, die es mit sozialer Gerechtigkeit wirklich ernst meint«, begründet Marlene Panten aus Eberswalde, warum sie mit 32 Jahren in Die Linke eingetreten ist. »Die Kriege rücken immer näher. Ich habe Angst, was auf uns zukommt«, erklärt der 25-jährige Guiseppe Feske aus Hennigsdorf seine Entscheidung. Ulli Gießwein aus Kloster Lehnin hat schon immer links gewählt. Nun folgte der 35-Jährige seinem Impuls, mehr als das gegen den Rechtsruck zu unternehmen.Der 19-jährige Pablo Schubert aus Strausberg zitiert die elfte Feuerbach-These von Karl Marx: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern.«
Panten, Feske, Gießwein und Schubert sind vier von acht Neumitgliedern, die der Landesverband Brandenburg am Samstag beim Parteitag in Eberswalde stellvertretend für viele andere auf der Bühne willkommen hieß. »Ich freue mich wie Bolle«, sagt die Landesvorsitzende Katharina Slanina. Über 80 Neueintritte habe es seit den herben Niederlagen bei den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni gegeben – »so viele wie noch nie in so kurzer Zeit«, erklärt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter.
Bei der Europawahl hatte Die Linke in Brandenburg nur 4,4 Prozent erhalten, bei der Kommunalwahl immerhin noch 7,8 Prozent. Jetzt geht es bei der Landtagswahl am 22. September darum, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Zwar wäre diese Hürde ausgeschaltet, wenn die Partei einen der 44 Landtagswahlkreise gewinnen würde. Aber das ist illusorisch. Echte Hochburgen, in denen das gelingen könnte, hat Die Linke in Brandenburg nicht mehr.
Dafür steigt die Zahl der Mitglieder auch unter dem Strich. Austritte gebe es derzeit nur vereinzelt, und so viele alte Genossen sterben auch nicht, erläutert Schatzmeister Mario Dannenberg. Dass die Mitgliederzahl in Brandenburg steigt – sie liegt jetzt bei rund 4300 –, hat es sehr lange nicht mehr gegeben.
Nach Auffassung von Walter haben die Genossen nur zwei Möglichkeiten: Den Kopf in den Sand stecken oder um jede einzelne Stimme kämpfen. Er nennt Beispiele für Linke, die nach schlimmen Niederlagen nicht aufgegeben haben: Karl Marx und Friedrich Engels, die angesichts des Scheiterns der Revolution von 1848 das Kommunistische Manifest verfassten. Die KPD, die 1933, als die Faschisten an die Macht gelangt waren, in den Betrieben von Eberswalde Widerstandsgruppen bildete. Oder Bernaus Bürgermeister André Stahl (Linke), der 1990 in die PDS eintrat, als diese mit dem Ende der DDR Massenaustritte erlebte.
»Am 9. Juni ging es mir richtig, richtig schlecht«, gesteht Sebastian Walter. »Die Lage ist verdammt ernst.« Aber es seien noch zwölf Wochen Zeit bis zur Landtagswahl. Er freue sich auf den 22. September, 18 Uhr. Da schließen dann die Wahllokale, und es kommt die erste Prognose. Es gehe nicht um zehn Abgeordnete – so viele zählt die Linksfraktion im Moment noch nach einem Ergebnis von 10,7 Prozent bei der Landtagswahl 2019. Es gehe auch nicht um das Einstreichen von Diäten, um Wahlkreisbüros und die Mitarbeiter, versichert Walter, der als Spitzenkandidat in Rennen zieht. »Wir tun es für eine bessere Welt, weil wir eine Überzeugung haben, einen inneren Kompass.«
Sebastian Walter fordert die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht, die aus der Linken ausgetreten ist und im Januar ihre eigene Partei aufgemacht hat, zu einem öffentlichen Rededuell heraus. Da soll sie ihm beweisen, dass die Linke nicht mehr für Frieden und Soziales stehe. Walter ist überzeugt, dass sie das nicht kann. Diese Sichtweise ist jedoch in seiner eigenen Partei nicht unumstritten. So beklagt beim Parteitag in der Hufeisenfabrik Bodo Hinkel, die Linke habe die Friedenssicherung als nebensächlich betrachtet.
Dagegen betont Bernaus Bürgermeister Stahl: »Wir sind eine Friedenspartei. Wir sind gegen Waffenlieferungen.« Über die Wagenknecht-Partei sagt Stahl: »Funktionäre aus dem Westen, Wähler aus dem Osten – das eint sie mit der AfD.« Dass beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) alles von ganz oben entschieden wird bis hin zur handverlesenen Aufnahme von Mitgliedern, kommentiert der Bürgermeister so: »Dagegen war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ein Hort der Demokratie.« Das BSW sei »ein bisschen sozialistisch, ein bisschen national, man könnte auch sagen nationalsozialistisch«, zieht der Kommunalpolitiker einen drastischen historischen Vergleich, was immer schwierig ist. Die Wagenknecht-Partei sei ausländerfeindlich und russlandfreundlich. Wenn der Krieg in der Ukraine ende, würden zwei Drittel der BSW-Wähler politisch heimatlos werden. Die müsse Die Linke zurückgewinnen, meint Stahl. Die jüngste Umfrage vom Mai hatte der Linken für die Landtagswahl in Brandenburg 6 Prozent vorhergesagt und dem BSW 13 Prozent.
Mit nur einer Gegenstimme beschließen die Delegierten ein Programm für die Landtagswahl, das mit einer literarischen Erzählung eingeleitet wird, an der die Autorinnen Gisela Zimmer und Grit Lemke mitgeschrieben haben. »So ein ungewöhnliches Programm habe ich noch nie gelesen«, lobt die DGB-Landesbezirksvorsitzende Katja Karger als Gast des Parteitags. »Hut ab!« Karger versucht, den Sozialisten Mut zu machen. »Behaltet die Zuversicht«, sagt sie. Es brauche eine linke Kraft in Brandenburg. Karger zählt auf die Unterstützung der Linken bei der Tariftreue. Lediglich 19 Prozent der Betriebe im Bundesland halten sich an Tarifverträge.
»Funktionäre aus dem Westen, Wähler aus dem Osten – das eint BSW mit der AfD.«
André Stahl (Linke) Bürgermeister von Bernau
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