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Auf ewig spielen: Luka Modrić
Nur 1:1 gegen Italien und so gut wie ausgeschieden: Kroatiens Superstar Luka Modrić will von Rücktritt nichts wissen
War es das? Das Ende der großen Karriere des schmächtigen Genies? Luka Modrić wollte sich nicht festlegen lassen. Nicht nach diesem Match, dieser Ungerechtigkeit, dieser Zumutung des Schicksals! Nicht nach diesem Remis-Drama, das die Kroaten in letzter Sekunde noch zu Verlierern machte. Nicht nach diesem bitteren 1:1-Ausgleich durch Mattia Zaccagni in der 98. Minute, der Titelverteidiger Italien an diesem Montagabend in Leipzig noch an den Kroaten vorbeiziehen ließ auf Platz 2 in Gruppe B dieser EM 2024. Kroatien konnte nur noch mit einem Wunder als einer der vier besten Gruppendritten das Achtelfinale erreichen.
»Leider war der Fußball heute grausam«, klagte Luka Modrić nach seinem womöglich letzten EM-Spiel. Die Uefa-Juroren hatten ihn in unbeabsichtigter Grausamkeit zum »Player of the match« gekürt, denn bis zu jener unglücklichen 98. Minute hatte der Zauberfuß aus Zadar dem Spiel seinen Stempel aufdrücken können – lange Zeit auf dem Rasen, nach seiner Auswechslung in der 81. Minute dann von der Bank aus. Unermüdlich laufend, lustvoll bälleverteilend und vor allem altersuntypisch torgefährlich: In der 55. Minute hatte er einen Abpraller aus Nahdistanz über Gianluigi Donnarumma ins Netz gehämmert, nachdem Italiens Torwart in der Minute zuvor seinen Elfmeter noch pariert hatte. Das umjubelte 1:0 an diesem milden Juniabend macht ihn nun zum ältesten Torschützen der EM-Geschichte. Ein EM-Treffer mit 38 Jahren, 289 Tagen – und dennoch so wenig Grund zur Freude.
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Und nun? War es das? Oben auf den Rängen besangen noch die Tifosi die Wunderrettung ihrer Lieblinge, hier unten in einem Kellersaal des Zentralstadions sollte der kroatische Kapitän etwas erklären – vielleicht sogar seinen Rücktritt? Ein italienischer Reporter versuchte, dem kroatischen Kapitän mit Schmeicheleien Worte des Rücktritts zu entlocken: Er, Modric, möge bitte nie mit Fußball aufhören! Modrićs Mundwinkel umspielte ein Beinahe-Lächeln. Er überlegte. »Danke für Ihre schönen Worte. Ich würde mir auch wünschen, ewig auf dem Platz stehen zu können.« Aber das sei nun mal leider nicht möglich. »Ich weiß, ich muss irgendwann aufhören«, seufzte er, »aber das wird nicht jetzt sein!«
Konfuzianische Gelassenheit
Tatsächlich bestand zum einen noch eine rechnerische Chance auf das Achtelfinale. Zum anderen aber liebt der Mittelfeldmann aus Madrid das Spiel erkennbar noch viel zu sehr, vor allem wenn es in Richtung gegnerisches Tor geht: Dann läuft und läuft er, taucht plötzlich statt rechts auch auf dem linken Flügel auf. Er wirft sich in jeden Ball. Womöglich reicht es ja wirklich nicht mehr ganz für Real Madrid, wo sein Vertrag dieser Tage ausläuft; es ist unklar, für wen der 1,72-Meter-Mann künftig seine Fußballstiefel schnürt. Sein Können könnte aber etliche Großklubs durchaus noch bereichern, vielleicht auch seine konfuzianische Gelassenheit: »So ist der Fußball. Manchmal ist er große Genugtuung und Freude, manchmal schrecklich«, sinnierte Modrić. Dann huschte er vom Podium.
Bedeutete das Drama von Leipzig das Ende der »goldenen Generation«, die unter Modrić 2018 immerhin Vizeweltmeister, und 2022 WM-Dritter werden konnte? Treten Modrić und Co ohne Titelgewinn ab? Den ältesten EM-Kader hat bekanntlich Deutschland mit 28,5 Jahren aufzuweisen, doch in Sachen Länderspiele war Kroatien bei Turnierbeginn mit insgesamt 1184 Einsätzen der Aufgebotenen klarer Spitzenreiter.
Dalić wähnt sich benachteiligt
Am Ende wusste Trainer Zlatko Dalić, der just seinen Vertrag bis 2026 verlängert hat, mit all der Klasse und Erfahrung im Kader zu wenig anzufangen. »Ich nehme alle Verantwortung auf mich, wenn es für das Weiterkommen nicht reicht«, sagte er nach dem Spiel. Wie schon zuvor wähnte er sich als kleine Nation benachteiligt, diesmal in Sachen Nachspielzeit: »Ich möchte sagen, dass acht Minuten heute auf keinen Fall berechtigt waren. Es gab keine Spielunterbrechungen und auch nicht so viele Fouls. Mich nervt, dass Kroatien nicht respektiert und anerkannt wird. Wir haben viel zu lange gespielt.« Ob so etwas bei Portugal oder Spanien auch passiere, fragte er ketzerisch.
Die Italiener bewerteten die Geschehnisse von Leipzig naturgemäß ganz anders. Der Titelverteidiger von 2021 hatte sich durch die Gruppenphase gequält, in der Heimat steht vor allem Nationaltrainer Luciano Spalletti schwer in der Kritik: Zu öde, zu langweilig, zu zurückhaltend sei das Spiel der Squadra Azzurra, klagten die Medien nach dem mühsamen 2:1 gegen Albanien und dem 0:1 gegen Spanien.
Auch gegen die Kroaten agierte die Mannschaft über weite Phasen mit einer Offensiv-Verteidigung, die es den Kroaten zwar schwer machte, aber viel zu wenig eigene Torchancen kreierte. Erst nach dem Gegentreffer von Modrić und allerlei Umstellungen war es der eingewechselte Mattia Zaccagni, der Italien im Turnier hielt. Den allerletzten Angriff über links schloss der 29-Jährige von Lazio Rom aus zwölf Metern mit einem Schlenzer ins rechte obere Eck ab.
Spalletti doziert und diskutiert
Italien jubelte, und Nationaltrainer Spalletti diskutierte später bei der Pressekonferenz erbost mit den italienischen Reportern: Er könne all die Kritik an seinen Spielern »nicht akzeptieren«. Das Team habe allemal die Qualität für dieses Turnier: »Ich bin 65 und seit Langem Trainer. Ich sehe das.«
Ganz bewusst habe er seine Abwehr in Dreier- und Fünferkette gegen Kroatien verteidigen lassen, dozierte er. Zu dritt, wenn man selbst den Ball hatte, zu fünft, wenn die Kroaten anrückten: »Darüber habe ich meine Diplomarbeit an der Trainerakademie geschrieben!« Überhaupt, er könnte nie als Journalist arbeiten und so schreiben, »voller Neid auf die, die da unten Fußball spielen«, sagte er bei seinem bizarren Auftritt. »Ich werde auch gefragt, ob ich Angst habe. Wenn ich die hätte, würde ich wie Sie ins Stadion gehen und mir die Spiele anschauen. Ich kann mir die Karte ja leisten. Ich bekäme das Ticket aber auch umsonst.«
Nun kehren die Italiener indes nach Berlin zurück, 18 Jahre nach dem WM-Triumph von 2006 gegen Zinedine Zidanes Frankreich. Im Olympiastadion geht es für den Titelverteidiger am Sonnabend gegen die Schweiz. Die »Gazzetto dello Sport« beschwor in einem langen Artikel die Tradition und erinnerte an die WM 1982, als ein wenig glamouröses italienisches Team die WM in Spanien gewann: Wenn man das wenige in Betracht ziehe, das Italien bisher gezeigt hat, müsse man auf das Schweiz-Spiel blicken, »mit der Hoffnung, irgendwie daraus hervorzugehen. Auch mit einem Tor in der 98. Minute, wenn nichts anderes mehr zu machen ist.«
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