Frankreich: »Hammerskins« in der Bredouille

Rat des Départements Meuse bringt mit Verbotsantrag Frankreichs Regierung in Zugzwang

  • Lennard Schiavina
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland sind die »Hammer­skins« inzwischen verboten, in Frankreich noch nicht: Auf dem Gartenzaun vor dem Haus des bekannten Hammerskins Sven Krüger hängt ein rostiger Stahlhelm.
In Deutschland sind die »Hammer­skins« inzwischen verboten, in Frankreich noch nicht: Auf dem Gartenzaun vor dem Haus des bekannten Hammerskins Sven Krüger hängt ein rostiger Stahlhelm.

Eine kleine Anfrage der Abgeordneten Marie-Astrid Strauss im Rat des Départements Meuse brachte den Stein ins Rollen. Der Rat verabschiedete vergangene Woche einen Antrag, der die Regierung in Paris dazu auffordert, die »Hammerskins«, wie zuletzt in Deutschland, wegen ihrer nationalsozialistischen Ideologie zu verbieten. Die Antwort des französischen Innenministers Gérald Darmanin steht noch aus. Das deutsche Ministerium des Innern und für Heimat hatte am 19. September 2023 mit einer groß angelegten Razzia ein Verbot der Organisation nach dem Vereinsgesetz vollstrecken lassen. Die in den 80ern in den USA gegründete Vereinigung unterhielt in Deutschland rund 13 Chapter und versteht sich als eine Bewegung für die »Vorherrschaft der weißen Rasse«.

Am vorvergangenen Wochenende hatten die antifaschistischen Gruppierungen Exif Recherche & Analyse und das Rassemblement Antifasciste du Grand-Est (RAGE) ein internationales Kampfsporttreffen aufgedeckt, bei dem nahe Verdun Hunderte Rechtsradikale zusammenkamen. Im betroffenen 118-Seelen Dorf ging es den Menschen zunächst um eine Schließung des Treffpunktes »Taverne de Thor«, doch die Geschichte könnte größere Kreise ziehen.

So mutig wie die Abgeordnete Strauss, die die Anfrage in den Rat in Bar-le-Duc einbrachte, ist hier kaum wer. Gesicht zeigen gegen rechts ist nichts für Gemeinden, in denen Wahlergebnisse von über 30 Prozent für Rassemblement National schon lange Normalität sind. Am 15. Juni hatten sich im Clubhouse der »Hammerskins« über 300 Neonazis zu einem Mixed-Martial-Arts-Kampfsportturnier versammelt. Deutsche Behörden hatten das Event offenbar auf dem Schirm und belegten Mitglieder der Gruppe »Kampf der Nibelungen« (KDN) zuvor mit Ausreiseverboten.

Die französischen Gendarmen begnügten sich mit einem kurzen Höflichkeitsbesuch. Dabei störte sich die Einsatztruppe um Gruppenführer Sébastien Salvador nicht an den öffentlich gezeigten SS-Totenköpfen, Hakenkreuzen und dem Merchandising der auch in Frankreich verbotenen Naziorganisation »Blood & Honour«, einst Konkurrentin der »Hammerskins«. Es gab nicht einmal eine Kontrolle von Sicherheitsauflagen und Zufahrtswegen.

Gegenüber der Lokalzeitung »Est-Républicain« behauptete die Gendarmerie gar, die »private Veranstaltung« mit rund »50 auf Privatgelände geparkten Fahrzeugen« stelle kein Problem für die öffentliche Sicherheit dar. Drohnenaufnahmen widerlegen diese Aussagen, und lokale Antifa-Gruppen bezichtigen die Behörden der Duldsamkeitmit den Nazis, die sogar aus Bulgarien und Schweden angereist waren. Diese zeigten öffentlich das Dritte Reich verherrlichende Symbole und versetzten die Nachbarschaft in Angst und Schrecken.

Nazi-Hangar sorgt für Unmut

»Wir können uns nicht öffentlich gegen die Rechten positionieren, wenn wir danach von diesen Stiernacken bedroht werden«, äußert sich eine Anwohnerin unter dem Deckmantel der Anonymität gegenüber dem »nd«. »Nach über zehn Jahren muss der Nazi-Hangar endlich geschlossen werden«, bekräftigt ein Landwirt aus der Nachbarstadt Hattonchâtel, der seinen Namen ebenfalls nicht nennen möchte.

Eine solche Situation wollen Abgeordnete wie Strauss, die nach einer Petition bereits selbst angefeindet wurde, unbedingt durchbrechen. Doch bisher hüllt sich nicht nur die Rathausspitze von Combres-sous-les-Côtes bezüglich des klandestinen Turniers in Schweigen, sondern auch die Präfektur der Meuse und das französische Innenministerium

Ob die Initiative aus dem kleinen Département für ein Verbot der Organisation und die Schließung des Clubhouse genügen, bleibt abzuwarten. Dennoch sorgt der Antrag bereits jetzt für reichlich Gesprächsstoff über Lothringen hinaus, und die Argumente sind auf der Seite des Rates des Départements, denn die antifaschistischen Recherchen belegen zahllose Gesetzesbrüche.

Das öffentlich beworbene Turnier wurde vom international agierenden Kampfsportler Tomasz Szkatulski koordiniert. Eigentümer und MMA-Kämpfer Jérémy Flament erwarb das Gebäude bereits um 2015, nachdem die »Taverne de Thor« in Toul von den Behörden 2013 aufgrund antifaschistischer Interventionen geschlossen worden war. Seither wurden in der »Taverne de Thor« mehrfach größere Konzerte und Treffen des rechten Milieus organisiert. Offensichtlich ist der Ort auch überregional relevant und fest etabliert in der Struktur der Nazi-Szene.

RN in der Zwickmühle

Dass die einstimmige Forderung nach einer Schließung des Treffpunkts und dem Verbot der »Hammerskins« auch von den Abgeordneten des Rassemblement National (RN) getragen wurde, dürfte in jedem Fall für Unruhe bei der Basis sorgen. Die derzeitige Parlamentsabgeordnete des betroffenen Wahlkreises Florence Goulet kandidiert auch in den vorgezogenen Wahlen am kommenden Sonntag für den RN. Dass ihre Partei sich derart öffentlich positionieren muss, dürfte ihr im Wahlkampf nicht besonders schmecken. Denn ob sich »gemäßigte« RN-Wähler*innen wegen der Akzeptanz des Hotspots abwenden oder »radikale« wegen einer Verurteilung solcher Events – an irgendeiner Stelle muss Goulet jedenfalls um Stimmverluste fürchten.

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