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Bauerntag: »Pflanzt keinen Wein mehr an«

Deutscher Bauerntag: Winzer plagen ähnliche Probleme wie andere Landwirte

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Blick auf die Weinberge oberhalb der Unstrut
Blick auf die Weinberge oberhalb der Unstrut

Besonders im Süden und in der Mitte der Bundesrepublik gibt es Gebiete mit traditionellem Weinanbau. Auch an Saale und Unstrut gedeihen köstliche Reben. Doch wenn Landwirtschaftsminister Cem Özdemir an diesem Donnerstag seine mit Spannung erwartete Rede auf dem Deutschen Bauerntag in Cottbus hält, wird der aus dem weinseligen Baden-Württemberg stammende Grünen-Politiker kaum ein Wort über Winzer und Kellereien verlieren. Es wird mehr um das Paket der Ampel-Parteien für die Landwirtschaft gehen, mit weniger Bürokratie und steuerlichen Erleichterungen. Özdemir wird damit allerdings in Cottbus nicht punkten können. »Echte Entlastungen sehen anders aus«, meinte Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Dabei zeigt sich im Wein viel Wahres über die Probleme der gesamten Landwirtschaft. Noch in den 70er Jahren blieben westdeutschen Landwirten von einer D-Mark, die Verbraucher für Lebensmittel ausgaben, rund 50 Pfennig. Heutzutage sind es nur noch 25 Cent pro Euro. Den Rest teilen sich Lebensmittelindustrie, Logistikkonzerne und Supermärkte. Das Agrarsystem ist von Politik und exportorientierten Unternehmen einseitig auf Masse ausgerichtet worden. Das macht Betriebe abhängig von den schwankenden globalen Preisen. Landwirte sind weitgehend wehrlos gegen die Marktmacht der großen Handelskonzerne. Und die zig Milliarden an Steuergeldern, die Deutschland und die EU an Agrarsubventionen ausgeben, begünstigen Großbetriebe. Diese Kritik etwa des Verbraucherschutzvereins Foodwatch trifft auch auf die Weinwirtschaft zu.

»Pflanzt keinen Wein mehr«, forderten kürzlich die Inhaber einer Kellerei in Bingen am Rhein in einem Interview. Es lohne sich nicht mehr. Obwohl ihr Großbetrieb nicht allein preiswerte Massenweine millionenfach verkauft, sondern auch höherpreisige Produkte, erlöst er lediglich 1,90 Euro pro Flasche. Davon müssen unter anderem die Kosten für Reben, Flaschen, Verschlüsse und chemische Zusätze, für Umsatzsteuer und Pacht, Arbeitskräfte, Vollerntemaschinen und Werbeausgaben bezahlt werden.

Unterm Strich bleibt Winzern und Kellereien nach Berechnungen des Instituts für Weinbau-Oenologie in Neustadt an der Weinstraße von einer handelsüblichen Flasche Qualitätswein sogar oft nur ein einstelliger Centbetrag übrig. Bestenfalls. Ganz anders sieht es danach in höheren Preissegmenten aus. Hier kann der Gewinn pro Flasche – trotz höherer Kosten für Lage und Handlese sowie geringerer Erträge pro Hektar – mehrere Euro plus x betragen.

Minister Özdemir gratulierte vergangene Woche dem Deutschen Weinbauverband zu seinem 150-jährigen Bestehen. »Der Weinbau ist nicht nur ein starker Wirtschaftsfaktor in unseren ländlichen Regionen, sondern leistet einen bedeutenden Beitrag zur Biodiversität«, sagte er. Weinberge böten Rückzugsraum für seltene und bedrohte Arten. Sorge bereiteten ihm aber eine angespannte Marktlage, gestiegene Produktionskosten und die Klimawandelfolgen.

Özdemir sprach dem Weinbauverband aus dem Herzen. Wärme, Trockenheit und Starkregen fordern viele Lagen und Rebsorten heraus. Zudem trinken die Menschen weniger Wein. Der Konsum geht weltweit seit Jahren zurück, beobachtet die zwischenstaatliche Organisation Internationale de la Vigne et du Vin in Dijon. Was dem deutschen Weinbau auch deshalb zu schaffen macht, weil ausländische Anbieter, die oft preiswerter produzieren, auf den großen hiesigen Markt drängen. Die Folge ist eine für manchen Winzer ruinöse Preiskonkurrenz. Auch im Hochpreissegment: Rivalen aus Frankreich und Italien erschweren es Winzern mit kostenintensiven Rebflächen, etwa auf Steilhängen an der Mosel, ihre Weine zu den notwendig hohen Preisen zu vermarkten.

15 200 Betriebe bauten während der Landwirtschaftszählung 2020 in Deutschland noch Wein an. Innerhalb von zehn Jahren hatte die Zahl der Weinbaubetriebe um etwa ein Viertel abgenommen. Besonders kleine Höfe gibt es immer weniger. Im Gegensatz dazu blieb die Anzahl größerer Betriebe stabil, bei sehr großen nahm sie sogar zu. »Dies verdeutlicht«, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium, »dass die Struktur des deutschen Weinbaus sich zu weniger Betrieben mit größeren Weinbergen hin entwickelt«. Und selbst die Demografie belastet die Weinbauern. Der Ü50-Generation mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch folgt eine kleinere Generation, die weniger weinfreundlich ist. Auch viele Zuwanderer trinken kaum oder gar nicht Wein. Hinzu kommt die soziale Spaltung: Deutsche Verbraucher gelten als besonders preissensibel, und so sind Billigweine auf dem Vormarsch.

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