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Ein Funken Hoffnung für Palästina

Eine Woche Protestcamp an der Freien Universität Berlin – und noch kein Gespräch mit dem Präsidenten

  • Max Freitag
  • Lesedauer: 6 Min.
Das Zeltlager ist am Henry-Ford-Bau der Freien Universität aufgeschlagen.
Das Zeltlager ist am Henry-Ford-Bau der Freien Universität aufgeschlagen.

Benannt ist das Protestcamp nach der palästinensischen Poetin Heba Abu Nada, die bereits am 20. Oktober durch einen israelischen Luftangriff gestorben ist. Damit wollen die Aktivist*innen nicht nur auf das andauernde Leid in Gaza hinweisen, sondern auch den Funken Hoffnung aus ihren oft traurigen Gedichten übernehmen. Über 100 Studierende, Dozierende und Beschäftigte der Freien Universität (FU) Berlin richteten im Verlauf der Woche mit Vorträgen, Kunst und Konzerten ein Auge Richtung Zukunft.

»Wir sind eine internationale Bewegung, die über die Unis hinausgeht – wir stehen gemeinsam für ein Ende des Völkermords in Gaza«, sagt Sprecherin Caro Vargas. Auch ein Stopp der Waffenlieferungen an Israel und eine sofortige Waffenruhe sind Teil der Forderungen. Allerdings verlangen die Studierenden auch etwas von ihrer Universität, etwa die Einrichtung einer demokratisch kontrollierten Zivilklausel, die Forschung für militärische Zwecke verbieten würde. Außerdem setzen sie sich für ein Stipendienprogramm für palästinensische Studierende ein und für die Ablehnung der geläufigen Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance, also der Internationalen Allianz zur Erinnerung an den Holocaust. Diese Definition wird kritisiert, da sie zunehmend gegen die Anliegen der Palästinenser*innen instrumentalisiert werde.

»Wir sind aber auch hier, um die Uni-Leitung, die ihre Studierenden enormer Polizeigewalt ausgesetzt hat, dazu zu bewegen, ihre Anzeigen fallen zu lassen«, erklärt Vargas. So ließ das Präsidium der FU eine Besetzung im Mai mit großem Polizeiaufgebot beenden, woraufhin 79 Personen festgenommen und 150 Strafverfahren eingeleitet wurden. Anschließend hatten sich Tausende Lehrende in einem offenen Brief gegen diese Repression ausgesprochen.

Los ging es am Donnerstag vergangener Woche mit einer Kundgebung von »Hands Off Student Rights« (Hände weg von den Rechten der Studierenden). Die Kampagne richtet sich gegen die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes, die Exmatrikulationen aus politischen Gründen an Berliner Hochschulen wieder ermöglichen soll. Bei einer Versammlung von ungefähr 100 Studierenden mischte sich eine Handvoll mit Israel-Flagge auftretender Störer mit Zwischenrufen in die Debatte ein. Einer war bereits im Februar von der FU angezeigt worden, weil er sich mit dem Ruf »Terroristen, mögen eure Dörfer brennen« an propalästinensische Protestierende gewandt hatte. Die Versammelten ließen sich jedoch nicht lange beirren.

Nach der Versammlung ging es zum Camp vor dem Henry-Ford-Bau. Das Gebäude ist nach Angaben der FU nach dem Enkel des US-amerikanischen Autofabrikanten und Antisemiten Henry Ford benannt. Bei einer Recherche kam der Historiker Ralf Hoffrogge im Jahr 2007 allerdings zu dem Schluss, dass dieser Bezug nur vorgeschoben sei. Dementsprechend haben die Aktivist*innen einen Vorschlag zur Umbenennung: Ein Esther-Bejarano-Bau würde eine 2021 verstorbene jüdische Kommunistin und Überlebende der Shoa würdigen. Im Camp prangen ihre Worte: »Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.«

Am Eingang grüßen zwei Banner. Auf dem einen solidarisieren sich die Protestierenden mit dem palästinensischen Widerstand. Das andere ruft zum internationalen Streik gegen Waffenlieferungen auf. Über Nacht bleiben meist 20 bis 30 Zeltende vor Ort, tagsüber sind deutlich mehr Menschen hier. Die Stimmung ist ausgelassen, Passant*innen und Kinder verwickeln die Teilnehmenden in Gespräche, gestalten Transparente oder malen mit Kreide auf dem Boden. Soli-Tattoos werden gestochen, es gibt Bastelrunden, eine Küche für Alle. Workshops werden von Initiativen wie Tesla Stoppen, Waffen der Kritik, Young Struggle, Zora und Sudan Uprising organisiert.

Am Freitag vergangener Woche leitete der Stadtführer Nathaniel Flakin eine revolutionäre Campustour zur Geschichte der FU. Vor Ort war auch die Sprecherin eines palästinasolidarischen Camps in Barcelona, Amaia Rodriguez. »Ich bin beeindruckt von der Motivation und vom Kampfeswillen der Palästina-Bewegung hier. Gleichzeitig ist der feindliche Diskurs in der öffentlichen Meinung, aber auch der Uni-Leitung beängstigend«, sagt sie. In Barcelona haben wir breite Solidarität erfahren, unsere Forderungen wurden bereits vom Uni-Präsidium angenommen.» Der emeritierte Professor Hajo Funke erzählte am 22. Juni von der 68er-Protestbewegung an der Freien Universität. Das Datum war bewusst gewählt, denn am 22. Juni 1968 fand am gleichen Ort das erste «Sit-in» Deutschlands statt. Funke berichtete, wie damals Tausende Studierende eine Sitzung des Akademischen Senats blockierten, um gegen Zwangsexmatrikulationen von Langzeitstudierenden zu protestieren.

Am Dienstag zog Vanessa Thompson eine interessierte Menge an, um über Polizeikritik und Abolitionismus zu reden. Historisch verbindet sich der Begriff Abolitionismus in erster Linie mit der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den USA. Die Anwesenden zeigten sich besorgt über die Bereitschaft des Universitätspräsidiums, die Polizei zur Konfliktlösung heranzuziehen. Der Anthropologe und FU-Gastdozent Omar Kasmani kam gleich mehrfach zu Vortrag und Lesung vorbei. Am Mittwoch leitete der Professor und Violinist Michael Barenboim eine Diskussionsrunde und gab ein Solidaritätskonzert. Dazu erschien eine Dozierende mit ihrem kompletten Seminar. Studentin Simin Jawabreh freut sich über die rege Beteiligung: «Es gibt Zuspruch von Profs, Dozierenden, Beschäftigten und anderen Studierenden. Das macht uns stark als Bewegung. Wir brauchen diese Allianzen, ohne uns institutionalisieren zu lassen. Die Uni sind wir und nicht das Präsidium. Es ist an uns allen, den Druck weiter zu erhöhen.»

Noch nicht vor Ort war FU-Präsident Günter Ziegler. In einer Pressemitteilung hat sich die Universität bereits vom Camp distanziert, verweist aber auf dessen Veranstaltungen im öffentlichen Raum. Die Hochschule stehe «für den Schutz des Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung». Gesprächsbereitschaft habe die Universitätsleitung den Aktivist*innen zufolge noch nicht gezeigt. Für sie selber kommen Verhandlungen nur infrage, wenn zuvor alle Anzeigen fallen gelassen werden. Auf Anfrage beurteilt die FU-Pressestelle den Verlauf des Camps als unauffällig. «Gesprächsforderungen oder Gesprächsangebote» habe es bisher nicht gegeben.

Dabei steht FU-Präsident Ziegler aktuell von verschiedenen Seiten unter Druck. Erst kürzlich ist bekannt geworden, dass der jüdische Student Lahav Shapira die Universität verklagt, weil diese keine geeigneten Maßnahmen ergriffen habe, um antisemitische Diskriminierung zu verhindern. Shapira war Anfang Februar mutmaßlich wegen seiner proisraelischen Aktivitäten von einem Mitstudenten angegriffen worden. Laut Medienberichten liegt der FU die Klage noch nicht vor.

Für Camp-Sprecherin Vargas ist klar, dass man im Protestcamp gegen jede Form von Unterdrückung sei: «Unsere jüdischen Geschwister sind essenzieller Teil unseres Kampfes.»

Mit einer Aktion während des Sommerfests der FU am Abend des 27. Juni sollte ein Gespräch gefordert werden. Auf ein Signal hin ließen die Demonstrierenden zunächst ein Banner mit der Aufschrift «Stop the genocide» (Stoppt den Völkermord) vom Dach des anliegenden Gebäudes herunter. Dann rollten sie in der Menge ein Transparent aus, auf dem eine «freie Universität» mit einem «freien Palästina» in Verbindung gebracht wird, und machten sich auf in Richtung Bühne. Ziegler sollte ein Schmähpreis für die zweitmeisten Anzeigen gegen Studierende überreicht werden. Platz eins sei für Julia von Blumenthal vorgemerkt, die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, die 230 erfasste Anzeigen im Zusammenhang mit einer Besetzung ihrer Hochschule im Mai zu verantworten habe.

Anwesendes Sicherheitspersonal sowie Polizei in Zivil und Montur konnten eine Ansprache via Megafon allerdings verhindern. «Leider wollte Ziegler unseren Preis heute nicht annehmen», bedauert Camp-Sprecherin Vargas. «Die massive Anwesenheit von Polizei und Security ist schon ein Zeichen, wie es um die Meinungsfreiheit an dieser Uni steht.»

Ein Ende des Protestcamps ist noch nicht geplant, eine Verlängerung ist laut Presseteam bereits genehmigt. Für die kommende Woche sind weitere Veranstaltungen und Konzerte vorgesehen.

«Die Uni sind wir und nicht das Präsidium. Es istan uns allen, den Druck weiter zu erhöhen.»

Simin Jawabreh Studentin
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