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- DFB-Team im Viertelfinale
Die Europameisterschaft ist ein Erfolg
Während der Sieg gegen Dänemark für Hochstimmung sorgt, lacht die Welt über deutsche Probleme
Die deutschen Fußballer haben sich in eine komfortable Lage kombiniert. Die Partie, die ein grundsätzlich positives Urteil über diese Europameisterschaft zulässt, ist gespielt. Und gewonnen. Das zarte Pflänzchen Hoffnung, aufgeblüht unter Bundestrainer Julian Nagelsmann, wäre bei einem Achtelfinalaus gegen Dänemark zwar nicht gleich wieder eingegangen, im Dortmunder Donnerwetter aber arg zerpflückt worden. Mit dem 2:0 gegen wehrhafte Dänen hat ein DFB-Team erstmals seit drei Turnieren und acht Jahren wieder ein Viertelfinale erreicht – ein Scheitern dort gegen den möglichen Gegner Spanien wäre keine Schande.
Gejubelt wurde auch noch in der tiefen Nacht zu Sonntag auf dem Dortmunder Hauptbahnhof. Beklatscht wurde die Einfahrt eines Zuges, was wiederum nur nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass der Erfolg dieser EM bislang nur ein sportlicher ist. Die Organisation, vor allem beim Transport der Fans, ist ein Desaster. Die vielen Flüche, der regennass auf den windigen Bahnsteigen Wartenden, werden an dieser Stelle nicht wiedergegeben. Während über andere Ziele der Veranstalter erst nach dem vierwöchigen Ausnahmezustand Fußball-EM geurteilt werden kann, lacht die ganze Welt schon jetzt über das deutsche Verkehrsproblem.
Passende Stadionregie
Welch außergewöhnliche Stimmung der sportliche Teil des Turniers entfacht, war im Westfalenstadion zu erleben. Ihre Zuversicht zeigten die deutschen Fans nach den guten Auftritten der DFB-Elf gegen Schottland, Ungarn und im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz schon vor dem Anpfiff gegen Dänemark. Als dann grollende Donner, leuchtende Blitze und auf das Stadiondach hämmernder Starkregen den Ball in der ersten Halbzeit für 25 Minuten ruhen ließen, feierten die Zuschauer die Unterbrechung mit einem als Siegesgesang bekannten Klassiker: »Oh, wie ist das schön.« Kaum passender hätte auch die Stadionregie nicht reagieren können: Zum »Live is Life« von Opus wurde weiter gefeiert.
Ob nun der berühmte Funke auf dem Rasen oder der Tribüne gezündet wurde, Spieler und Fans waren gleichermaßen in Höchstform. »Die ersten 20 Minuten waren unsere besten im Turnier bisher«, freute sich Julian Nagelsmann später. Zeugnis davon waren vier gute Chancen und ein wegen vorausgegangenem Foulspiel aberkanntes Tor. Besonders beeindruckt zeigte sich der Bundestrainer von der mentalen Stärke seines Teams: »Es ist nicht einfach, als Favorit ins Spiel zu gehen und dann auf Widerstände zu treffen.«
Trainer mit Handybeweis
Dänemark war der erwartet schwere Gegner. Auch wenn Manuel Neuer im deutschen Tor nur zweimal seine Weltklasse beweisen musste – neben dem unermüdlichen Abwehrkampf blieben die Dänen auch jederzeit offensiv gefährlich. Einen rot-weißen Jubel verhinderte erst Neuer, als er kurz vor dem Pausenpfiff gegen den freistehenden Rasmus Hojlund klären konnte. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff erkannte der Videoschiedsrichter vor dem Treffer von Joachim Andersen eine Abseitsposition. Ein Bild dieser Szene präsentierte Dänemarks Trainer Kasper Hjukmand während der Pressekonferenz mehrmals auf seinem Handy und beklagte die Zentimeterentscheidung.
Ob eine dänische Führung, wie der enttäuschte Hjulmand anmerkte, tatsächlich »alles verändert hätte«, ist Spekulation. Denn einerseits war ja auch sein Team nach dem 0:1 in der 53. Minute unverändert stark im Spiel geblieben, dem Ausgleich von Hojlund stand 13 Minuten später wieder nur Neuer im Weg. Andererseits hatte sich die deutschen Spieler schon im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz auch von einem Rückstand nicht schocken lassen. Den dänischen Torwart Kasper Schmeichel zwangen sie diesmal zu sieben Großtaten. Zwei Treffer, erst per Elfmeter durch Kai Havertz und nach 68 Minuten durch Jamal Musiala, musste er zulassen.
Der Sieg zeugt von der Stärke des Bundestrainers. Julian Nagelsmann sollte es weiterhin egal sein, was Fans oder Experten fordern. Auf die vielfachen Fragen, ob nicht eher Niclas Füllkrug statt Havertz ins Sturmzentrum gehöre, antwortete er mit der erneuten Nominierung des Arsenal-Spielers und dem freundlichen Satz: »Wenn man von außen draufschaut, ist eine Forderung nach ›Fülle‹ nachvollziehbar, aber in der internen Bewertung ist Kai deutlich höher angesiedelt als in der Öffentlichkeit.« Und so machte Havertz wieder viele wichtige Wege in der Offensive, die andere dann torgefährlich werden ließen.
Lieber Wirtz als Sané
Die einzig überraschende der drei Startelf-Änderungen betraf Leroy Sané. Nico Schlotterbeck machte in Vertretung des gelb-gesperrten Jonathan Tah trotz eines unnötigen Fehlers in der Innenverteidigung ein sehr gutes Spiel – und bereitete mit einem wunderbaren Pass Musialas Treffer vor. Linksverteidiger David Raum ersetzte Maximilian Mittelstädt – ein Problem hat der Bundestrainer auf dieser Position nicht. Sané konnte wieder einmal nicht überzeugen: Im wichtigen Pressingspiel arbeitet er nicht so intensiv wie Florian Wirtz. Und in der Offensive stockt der Spielfluss oft, wenn er den Ball bekommt. Nagelsmann begründete Sanés Einsatz mit taktischen Überlegungen. Ein frischer Wirtz würde das DFB-Team im Viertelfinale noch stärker machen.
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