Kriminalisierte Gewerkschaftsarbeit in Spanien

Spaniens oberster Gerichtshof bestätigt skandalöses Urteil wegen friedlichen Protests

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT protestiert immer wieder für höhere Löhne, hier in Bilbao.
Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT protestiert immer wieder für höhere Löhne, hier in Bilbao.

Ein Arbeitskonflikt in Gijón schlägt große Wellen in Spanien, da der Oberste Gerichtshof in Madrid ein hartes Urteil gegen sechs Anarchosyndikalistinnen der Gewerkschaft CNT bestätigt hat. Dass die »6 de la Suiza«, wie sie genannt werden, dreieinhalb Jahre ins Gefängnis sollen, empört allerseits. Selbst die spanische Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Díaz twitterte auf X: »Es ist unerträglich, dass die @6delaSuiza ins Gefängnis müssen, weil sie für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.« Gewerkschaftsarbeit sei »kein Verbrechen«, erklärte sie den Betroffenen ihre »volle Unterstützung«. An Demonstrationen anlässlich des Verfahrens nahmen Vertreter von fast allen Gewerkschaften und vielen Parteien teil.

Die CNT spricht von einem bedrohlichen Präzedenzfall. In einer Erklärung zum Urteil mahnte sie, es werde eine »gefährliche Tür zur Verfolgung von Gewerkschaftsarbeit geöffnet«. In dem Fall gehe es nämlich um allgemeine Gewerkschaftsaktivitäten, die rechtlich völlig legal seien.

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Die Vorgänge liegen sieben Jahre zurück. Zwischen Mai und September 2017 gab es vor der Konditorei »La Suiza« im asturischen Gijón diverse friedliche Kundgebungen. Zuvor hatte sich eine Beschäftigte wegen »Belästigungen« am Arbeitsplatz, darunter auch »sexueller Belästigung«, an die CNT gewandt. Dieses Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt, ebenso die Retourkutsche des Unternehmers wegen angeblicher Verleumdung. Es ging dabei auch um ausstehenden Urlaub und die Bezahlung von geleisteten Überstunden, der sich Firmen in Spanien gerne verweigern. Erst seit 2019 sind Unternehmen verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen.

Zunächst versuchte die CNT zu verhandeln. Da sich der Unternehmer »verschlossen« gezeigt habe, ging die Gewerkschaft an die Öffentlichkeit. Mit Folgen: Fünf Frauen und ein Mann wurden im Jahr 2021 wegen »fortgesetzter schwerer Nötigung« und wegen »Behinderung der Justiz« verurteilt, da sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei angemeldeten Versammlungen mit Spruchbändern und einem Megafon protestiert sowie Flugblätter an Passanten verteilt hatten. Das habe letztlich zur Schließung der Konditorei geführt, wird im nun bestätigten Urteil ausgeführt. Dabei wird sogar festgestellt, dass das Lokal schon ein Jahr zuvor zum Verkauf wegen Geschäftsaufgabe stand. Dennoch soll die CNT subsidiär für die verhängte Entschädigung von 150 428 Euro einstehen.

Für Richter Lino Rubio Mayo war das Vorgehen weder durch die Meinungs- noch durch die Gewerkschaftsfreiheit gedeckt. Er ist für harte Urteile gegen Gewerkschaftler bekannt. Schlagzeilen machte eine Strafe gegen zwei Aktivisten, die im Hintergrund des auch in Deutschland bekannten Films »Montags in der Sonne« standen. Cándido González Carnero und Juan Manuel Martínez Morala wurden wegen Protesten gegen die Privatisierung der Werft in Gijón zu Haftstrafen verurteilt.

Wie an den CNT-Aktivisten »wurde auch an uns ein Exempel für Vergehen statuiert, die wir nicht begangen haben«, erklärte Morala gegenüber der Internetzeitung »El Salto« zu dem Urteil. Es habe sich nur um einen gewerkschaftlichen Kampf gehandelt, doch der Richter wende »Gesetze an, wie es ihm gerade passt«. Das sieht auch der Anwalt der »6 de la Suiza« so. Für Evaristo Bango ist das Urteil gegen seine Mandant*innen »unfassbar«. Er kündigt an, auch vor europäische Gerichte zu ziehen. Das will auch die CNT. Sie sieht einen »verheerenden Angriff« auf Gewerkschaftsarbeit und will weiter »auf der Straße an der Seite der Beschäftigten stehen«, erklärte Generalsekretärin Erika Conrado.

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