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Kreuzberger kämpfen für Kinderläden

Zum Aktionstag gegen Verdrängung in Friedrichshain-Kreuzberg besuchen Politik und Presse Kinderläden

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 5 Min.
Früh übt sich: In Kreuzberger Kinderläden lernt man neben Malen und Basteln auch den Kampf gegen Verdrängung.
Früh übt sich: In Kreuzberger Kinderläden lernt man neben Malen und Basteln auch den Kampf gegen Verdrängung.

»Wie sollen wir das bezahlen?«, rufen fünf unterschiedlich alte Kinder auf dem Spielplatz Falckensteinstraße, Ecke Görlitzer Straße. Nach dem gemeinsamen Sprechchor laufen sie zu ihrer Erzieherin, mit der sie den heutigen Morgenkreis anlässlich des Kinderladenaktionstags pressegerecht vorbereitet haben.

Nicht nur die fünf Kinder auf dem Spielplatz am Görlitzer Park, sondern zahlreiche weitere zeigen zum Kinderladenaktionstag mit Elternschaft, Pädagog*innen und der Nachbarschaft Präsenz auf den Straßen Kreuzbergs. Den Slogan »Wir bleiben alle, sonst gibt’s ’ne Kralle« malen Kinder in der Cuvrystraße mit Acrylfarbe auf alte Bettlaken. Denn der Ausverkauf der Stadt macht auch vor den Türen der Schutzbedürftigsten nicht Halt.

»Wir wollen heute zeigen, wie bunt und lebendig Kinderläden sind«, sagt Babette Sperle vom Dachverband der Berliner Kinderläden. Sie besucht mit Marianne Burkert-Eulitz, der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ihrer Parteikollegin Kathrin Schmidberger und dem Bezirksstadtrat Max Kindler (CDU) den Kinderladen »Cuvrybande« im Wrangelkiez. Die aus der 68er-Bewegung stammenden Kinderläden in freier Trägerschaft zeichnet nicht nur ihre kleine Gruppengröße (maximal 50 Kinder) aus, sondern auch, dass Kinder in altersdurchmischten Gruppen betreut werden und ihre Eltern die Läden gemeinsam mit den Erzieher*innen verwalten. Laut Sperle sind seit 2015 jährlich 20 Kinderläden existenzbedroht.

»Neben den Eltern sind die Betreuer*innen im Kinderladen die wichtigsten Bezugspersonen.«

Marie Mutter eines Sohnes in der »Cuvrybande«

»Wir betreuen viele Familien, die in den großen Einrichtungen untergehen«, erklärt die Erzieherin Katja der anwesenden Presse und Politik. Zu diesen Familien zählten zum Beispiel solche mit Fluchterfahrung oder einem Kind mit Behinderung. 2008 hätten sie die Räume in der Cuvrystraße übernommen, der Stress habe jedoch erst mit dem Besitzerwechsel vor ein paar Jahren begonnen – denn dieser wollte modernisieren. Das habe der Kinderladen, der bereits eigenständig die Heizung und Fußböden saniert hatte, abgelehnt. »Dann kam die Kündigung vor vier Jahren«, erzählt die Erzieherin. In einem Rechtsstreit habe man sich auf eine geringere Mieterhöhung einigen können. Bauarbeiten fanden im Haus dennoch statt und nach Abschluss kam die Androhung des Eigentümers, die Miete um das Zehnfache zu erhöhen. »Unsere Jobs und die der Eltern hängen daran«, beklagt die Erzieherin.

Marie und Ina sind zwei Mütter, deren Kinder in der »Cuvrybande« versorgt werden. Ina kennt die Problematik erhöhter Gewerbemieten. Einen Umzug an einen neuen Standort in Mitte könnte sich die Mutter nicht leisten. Maries Sohn kommt zwar nun in die Schule und ist deshalb nicht mehr auf den Kinderladen angewiesen. Sie ist dennoch gekommen, um die Bedeutung von Kinderläden zu zeigen: »Neben den Eltern sind die Betreuer*innen im Kinderladen die wichtigsten Bezugspersonen«, sagt die Mutter. Für sie gehören Kinderläden genauso zu Berlin wie Spätis.

Anlässlich des Kitaaktionstags haben Eltern und Pädagog*innen gemeinsam Forderungen gestellt. Sie verlangen einen Vermietungsvorrang für die Daseinsvorsorge bei landeseigenen Vermieter*innen und bundesrechtliche Voraussetzungen für den Gewerbemietspiegel, Steuersparmodelle für Leerstand und den Kündigungsschutz. Die Dachverbandssprecherin der Berliner Kinderläden Sperle betont, dass viele Kinderläden keine Kraft hätten, neu zu starten, wenn sie von Verdrängung betroffen sind. »Die Anforderungen der Aufsichtsbehörden steigen immer mehr.«

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Bezirksstadtrat Kindler erzählt, er habe auch schon mal bei dem einen oder anderen Vermieter angerufen, um Verdrängung zu verhindern. Es brauche dennoch eine bundesweite Lösung. Auch Schmidberger spricht sich für eine bundesweite Lösung aus und nennt Frankreich als positives Beispiel: Dort könne man Gewerbetreibenden nur unter gewissen Umständen kündigen und müsse im Einzelfall Entschädigung zahlen. »Wir haben keinen Sozialismus, nur weil ein paar Gewerbemieten nicht dem freien Markt ausgesetzt sind«, sagt sie.

Beim Kitaaktionstag geht es nicht nur um den mangelnden Bestandsschutz für Gewerbetreibende, sondern auch um die Veränderungen im Wrangelkiez. Der Spielplatz gegenüber vom Görlitzer Park ist seit vergangenem Jahr umzäunt und abgeschlossen, damit Spritzen und Drogen keinen Weg in den Sandkasten finden. Burkert-Eulitz erklärt im Gespräch mit »nd«, dass der Zaun um den Görlitzer Park keine nachhaltige Lösung sei: »Die Menschen gehen ja dann woanders hin.«

Kinder aus drei Kinderläden haben im Görlitzer Park eine eigene Bank errichtet, nur für Kinder, frei von Drogen – diese werde so auch respektiert. Den angekündigten Zaun um den Park betrachte man mit Sorgen hinsichtlich der Verdrängung von Drogenkonsumierenden in die anliegenden Straßen. Darum veranstalten die Kinder am 18. Juli eine Kidsversammlung. »Ihr könnt überlegen, was ihr von der Idee haltet, einen Zaun um den Park zu bauen«, heißt es in der Einladung. Eine Erzieherin betont gegenüber »nd«, dass das Bild des gefährlichen »Görli« eindimensional sei: »Die Dealer sind superfreundlich, grüßen uns und helfen beim Hochtragen des Kinderwagens.«

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