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Mütter prägten die Herrschaftsfamilien

DNA-Analysen geben Auskunft über die Verwandtschaftsverhältnissekeltischer Dynastien

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 3 Min.
Rekonstruktion der Grabkammer aus Eberdingen-Hochdorf
Rekonstruktion der Grabkammer aus Eberdingen-Hochdorf

Die Entdeckung der beiden imposanten Gräber von Eberdingen-Hochdorf und Asperg-Grafenbühl Ende der 70er Jahre war bereits eine archäologische Sensation. Aufgrund ihrer reichhaltigen Grabbeigaben, zu denen ein sofaähnlicher Thron, ein Wagen, bronzene und goldene Ess- und Trinkgefäße sowie Bernsteinschmuck zählten, erhielten sie rasch die Bezeichnung »Fürstengräber.« Die Grabhügel hatten einen Umfang von 60 beziehungsweise 40 Metern und wurden gut sichtbar auf Höhenzügen platziert. Dies deutet darauf hin, dass die hier begrabenen Fürsten ein weites Gebiet beherrschten.

Schon frühzeitig vermuteten Archäologen, dass es eine engere Beziehung geben müsse zwischen beiden um die 2500 Jahre alten Grabanlagen. Kulturell gehörten sie zur Hallstatt-Kultur, die den keltischen Völkern im heutigen Frankreich, der Schweiz und Südwestdeutschland zugeordnet wird. Es gibt keine bildlichen oder schriftlichen Überlieferungen aus dieser Zeit, aber minutiöse Ausgrabungen zeigten, dass die Grabhügel erst nach dem Tode der Fürsten errichtet wurden, was einige Monate in Anspruch nahm. Beide Männer müssen also einen hohen Status genossen haben, sodass ihre Gruppe so viel Arbeit auf sich nahm, um sie würdevoll zu bestatten.

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Die moderne DNA-Technologie hat es nun ermöglicht, die vermutete Verwandtschaft beider Toten zu beweisen. Dazu entnahmen die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Proben aus den Zähnen und Ohrenknochen nicht nur der beiden Fürsten, sondern auch der anderen Personen, die nachfolgend in ihren Grabhügeln beigesetzt wurden, sowie aus fünf weiteren keltischen Fürstengräbern.

Die Gene von 31 Personen, 20 Männern und 11 Frauen, wurden analysiert. Es zeigte sich, dass die Fürsten von Eberdingen-Hochdorf und Asperg-Grafenbühl Onkel und Neffe waren. Konkret war die Mutter des fürstlichen Neffen aus Asperg-Grafenbühl die Schwester des Fürsten von Eberdingen-Hochdorf. Auch die meisten anderen Personen waren als Vetter und Kusine oder weiter entfernt miteinander verwandt.

Die Rekonstruktion der verwandtschaftlichen Beziehungen zeigte, dass die Abstammungslinie über die weiblichen Mitglieder der Familie verfolgt wurde und Neffen somit den Vorzug hatten gegenüber Söhnen. Dies ist typisch der Fall in Gesellschaften, wo die Abstammung von Kindern nicht eindeutig auf die Väter zurückgeführt werden kann. Das sagt auch indirekt etwas aus über die Stellung der Frauen, die gewisse sexuelle Freiheiten gehabt haben müssen. Die Forschergruppe unterstreicht aber auch, dass die Matrilinearität nicht notwendigerweise für die Masse der keltischen Bevölkerung galt. Ethnografen schätzen, dass nur etwa 10 bis 17 Prozent der menschlichen Gesellschaften auf diese Art regiert wurden.

Die Essenz der Studie ist, dass zwar Männer regierten, aber die Vererbung der Macht mütterlicherseits erfolgte, um sie in der Familie zu behalten. Die untersuchten Skelette stammten aus einem Zeitraum von etwa 130 Jahren und aus bis zu 100 Kilometer voneinander entfernten Fundorten in Baden-Württemberg. Der Einflussbereich der Familie muss also groß und beständig gewesen sein.

Einige der Bestatteten, die im Kindesalter verstorben waren, waren jedoch nicht mit der fürstlichen Familie verwandt, sondern stammten aus anderen keltischen Machtzentren. Dies kann durch die Strontium-Analyse der Knochen belegt werden. Die Fremden in den fürstlichen Gräbern waren wahrscheinlich eine Art Pflegekinder, die aufgezogen wurden, um familiär-dynastische Verbindungen zu stärken. Spätere Berichte antiker Schriftsteller bestätigen diese Praxis bei den Kelten wie auch den Vorrang von Neffen gegenüber Söhnen.

Die DNA-Forscher setzten die Ergebnisse ihrer Untersuchung in den Kontext bekannter genetischer Verhältnisse in Südwestdeutschland. Hier lebte eine stabile Bevölkerungsgruppe über die Bronzezeit hinweg, deren Zusammensetzung sich erst mit der frühen Eisenzeit, das heißt zwischen 100 und 200 v. u. Z., merklich änderte. In dieser Zeit begann die Einwanderung germanischsprachiger Völker aus Norddeutschland und Dänemark, deren Führungsschicht die alte keltische Elite ersetzte.

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