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Eckhard Böttger: Die Zwiegesichtigkeit der Dinge
Eine Ausstellung in Finsterwalde erinnert an Eckhard Böttger, der am 7. Juli 70 Jahre alt geworden wäre
Eckhard Böttger suchte allweil die Vielfalt des Lebens zu erschließen – als simultanes Gewirr von Formen, Farben, Linien und gestischen Rhythmen, durch eine breite Skala von Artikulationsgebärden und Ideenassoziationen. Ein artifizielles Gebilde, ein Geschöpf fremder Herkunft stellt sich da als ein Wunderbares, Ungewohntes zwischen die uns vertrauten Dinge, unter unser Licht, in unseren Raum. Umgekehrt können die gewöhnlichen Dinge durch die Reizung unseres Vorstellungsvermögens seltsame, der Logik widersprechende Bilderketten heraufführen. Sie können auch bei voller Bewahrung ihrer materiellen Realität durch Vertauschung, Verknüpfung oder Isolierung einen ganz unerwarteten Beziehungsreichtum gewinnen.
Anlässlich seines 70. Geburtstages wird dieses so experimentierfreudigen Künstlers, der mit seinen Erdtönen ganz der Lausitzer Landschaft verbunden war, in seiner Heimatstadt Finsterwalde gedacht – und viele seiner Freunde und Sammler haben mit ihren Bildern, Druckgrafiken, Plastiken und Keramiken zu dieser Ausstellung beigetragen.
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Nachdem Böttger eine Lehre als Porzellanmaler in Meißen absolviert hatte, studierte er 1979 bis 1984 an der Kunsthochschule Dresden Malerei und wurde 1985 in Finsterwalde ansässig. Er musste miterleben, wie sein naher Geburtsort Klingmühl, in dem sein Vater noch Bergmann war, der Braunkohle weichen musste – und die eigentümliche Farbsymbolik seiner Tagebau- und Dorfbilder hat er mit Aschen, mit Leim gemischten Erden, Kohlenstaub, bei großformatigen Gemälden mit Abtönpasten (»Baggergeräusch«) oder auch beidseitig getuschten Beizen auf transparentem Seidenpapier (»Landsucher«) erreicht.
Dieser fantastische Realist ließ sich vom Spiel der Formen und Farben tragen, um in deren Verlauf durch raffinierte Technik lenkend einzugreifen. Er erfand Strukturen im Ungeformten, und das Ungeformte selbst richtete sich in bestimmten Strukturen ein. Die menschliche Figur ist selbst eine Struktur und Strukturen unterworfen, die »Ecki«, wie ihn seine Freunde nannten, immer wieder neu erdachte.
Seinen Tagebau-Landschaften waren die Figuren abhandengekommen – und so schuf er »Mondkinder, Sonnenkinder, Erdenkinder – Landsucher« (Böttger), die nach einer neuen Heimat suchten. Diese eigenschöpferischen Figuren und Köpfe, von Liniengespinsten überwuchert, Fantasie-Porträts, Bildnisse aus Tagträumen verweisen auf die Brüchigkeit menschlicher Existenz. Von der Bildprojektion des Unbewussten ausgehend, gibt es bei ihm eine eigene Mythologie der sich auflösenden und wieder zusammensetzenden menschlichen Figurationen. Mit unaufhaltsamer Intensität überströmt die psychische Wirklichkeit die äußere Realität.
Die Figurationen und Gesichter des Unbewussten sind dabei nicht nur verhängnisvoll und quälend, sondern auch vorwärtsweisend. Zarte, tastende Linien beziehen auch die Dimension des Unsichtbaren mit ein, Projektionen des Inneren, geologische Schichten. Kann man hier von einer Entdeckung des Unbewussten der Landschaft sprechen? Es ist die Zwiegesichtigkeit der Dinge, die sie erfahren, wenn man sie aus dem gewohnten Zusammenhang nimmt und in anderen Zusammenhängen wieder überraschend auftauchen lässt. So entstehen Landschaften, groteske Szenen und skurrile Figurationen von feinsinniger Ironie. Gesichter werden als Landschaft gesehen, wie vormals schon Landschaftliches in die Gesichter eingefügt wurde.
Betrachtet man die Arbeiten Böttgers immer wieder von Neuem, scheinen sie sich zu verfestigen, um gleich darauf wieder zu zerfließen und sich bei anderer Gelegenheit und unter anderen Aspekten gänzlich neu zusammenzufügen. Man kann sich immer wieder von Neuem mit den Arbeiten dieses Künstlers beschäftigen, der 2010 im Alter von 56 Jahren an einer unheilbaren Krankheit starb. Wie könnte er jemals in Vergessenheit geraten?
»Bei Freunden. Eckhard Böttger zum 70. Geburtstag«, bis 4. August, Sänger- und Kaufmannsmuseum Finsterwalde.
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