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Verdiente Niederlage für die Tories
Peter Stäuber über das Desaster der Konservativen bei den britischen Wahlen
»Historisch«, »seismisch«, »monumental«: Die britische Presse überschlägt sich in Superlativen, um den Triumph der Labour-Partei zu beschreiben. Keine Frage: Die britischen Wähler haben der Opposition einen einzigartigen Sieg beschert – oder vielmehr: Sie haben der Tory-Partei eine beispiellose Niederlage zugefügt. Ein genauer Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass die Briten nicht besonders begeistert sind von Labour, sondern vielmehr die Tories so abgrundtief verabscheuen. Denn Labour hat in Bezug auf den Stimmenanteil nur minimale Fortschritte gemacht – und im Vergleich zur Wahl von 2017 ist sie bei der Zahl ihrer Wähler sogar stark zurückgefallen: Damals, unter dem Vorsitz von Jeremy Corbyn, gewann sie annähernd 13 Millionen Stimmen, verlor aber trotzdem; 2024 sind es weniger als 10 Millionen Stimmen, dennoch gewann sie wegen des Mehrheitswahlrechts haushoch.
Nichtsdestotrotz: Die Tories, die 14 Jahre lang die Geschicke des Landes gelenkt haben, steckten ihre dramatischste Niederlage in der modernen Geschichte ein. Und sie haben es verdient. Wenige Briten werden zurückblicken und sich sagen: Es waren gute Jahre.
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Man denkt an die Sparpolitik, die im Land solche Verheerungen angerichtet hat, dass laut Studien die ärmeren Briten heute bei schlechterer Gesundheit sind und eine kürzere Lebenserwartung haben als zuvor. Oder an den Brexit, der das Land international isoliert und das Wirtschaftswachstum gehemmt hat. Oder an die zunehmend rechtspopulistischen Züge der Tory-Partei, an die Korruption und die Vorliebe für Regelbrüche. Man denkt an die Premierminister Boris Johnson (unterhaltsam, aber inkompetent) und Liz Truss (inkompetent).
Dass die Briten dieser Partei einen Tritt in den Hintern gegeben und stattdessen Labour einen Erdrutschsieg beschert haben, stimmt zuversichtlich. Besonders wenn man ganz Europa in den Blick nimmt: Überall sind rechte bis rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch – in Frankreich, Deutschland oder Portugal. Dass Großbritannien in die genau umgekehrte Richtung gegangen ist, von rechts nach links, ist ein wichtiges Signal. Auch ist eine Annäherung an Europa zu erwarten, zumindest was den Tonfall anbelangt.
Aber es werden Probleme warten. Die neue Regierung hat eine Mammutaufgabe vor sich. Die etlichen Krisen, die sich im Land angestaut haben – darunter Lebenshaltungskosten, Wohnungspreise und kaputte öffentliche Dienste –, müssen schleunigst angegangen werden. Die diesbezüglichen Pläne der Labour-Führung, die sie in den vergangenen Wochen umrissen hat, scheinen den Herausforderungen kaum gewachsen. Zahlreiche Ökonomen warnen: Es muss eine mutigere – sprich: ausgabenfreudigere – Fiskalpolitik her, sonst wird es bald brenzlig.
Die brutale Abfuhr, die die Wähler den Tories erteilt haben, signalisiert einen Wunsch nach Veränderung. Wenn Labour diese Hoffnung enttäuscht, das heißt, wenn sich die Lebensumstände der Briten nicht bald verbessern, dann gibt es Kräfte im Land, die dies auszunutzen wissen.
Die Partei des Brexit-Antreibers Nigel Farage hat ein gutes Ergebnis erzielt, 14 Prozent der Wähler haben für sie gestimmt. Zum ersten Mal ist die extreme Rechte in bedeutender Zahl im Parlament von Westminster vertreten. Farage selbst ist erstmals Parlamentsabgeordneter. Als solcher wird er eine prominente Plattform haben, um seine rassistische Politik ins Land zu posaunen. Nach seinem Erfolg hat er schon gesagt: »We’re coming for Labour« – wir haben Labour im Visier. Der künftige Premier Keir Starmer sollte die Warnung ernst nehmen.
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