Kritik an Nationalstolz gelöscht

Mit Verweis auf »Qualitätsstandards« entfernt die Bundeszentrale ein Video zu Fußball-Patriotismus

Nach »Danke Deutschland« kam Dunkel-Deutschland, aber gibt es einen Zusammenhang? Das Trainerteam 2006 plus Manager.
Nach »Danke Deutschland« kam Dunkel-Deutschland, aber gibt es einen Zusammenhang? Das Trainerteam 2006 plus Manager.

Schwarz-rot-goldene Fahnen, Perücken und andere Utensilien – bei internationalen Fußball-Events gehören sie mittlerweile zum Alltag. Wer kein Problem damit hat, meint, dieser lockere Fußball-Patriotismus habe mit Nationalismus nichts zu tun. Zu den Kritiker*innen gehört hingegen der Politologe Clemens Heni. In einem Interview mit der »Frankfurter Rundschau« sagte Heni, die als »Sommermärchen« bezeichnete, schwarz-rot-gold dekorierte Fußball-Weltmeisterschaft 2006 habe in Deutschland den Aufstieg der Rechten befördert.

Einen kurzen Ausschnitt aus diesem Interview hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) in einem Video mit dem Titel »Sind Poldi, Klinsi und Co schuld am Rechtsruck in Deutschland?« verarbeitet und auf ihrer Homepage veröffentlicht. In dem Video heißt es von einer Moderatorin: »Etwas weniger als zehn Jahre später laufen mit Pegida patriotische Europäer mit Deutschlandfahnen durch Dresden.«

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Allerdings hat die BpB den Beitrag schnell wieder offline genommen. Das bestätigte der Pressesprecher der Bundeszentrale, Daniel Kraft, unserer Zeitung: Das Video entspreche inhaltlich und in der Umsetzung nicht den Qualitätsansprüchen der Bundeszentrale. »Die Veröffentlichung war ein Fehler«, erklärte Kraft.

Vorausgegangen war eine Kampagne rechter Medien. »Wie ein Politologe das Sommermärchen 2006 in Nationalismus umdeutete«, titelte das Online-Magazin Nius, in dem der Ex-Chefredakteur von »Bild«, Julian Reichelt, Migrant*innen, sexuelle Minderheiten, Linke und vor allem Grüne mit Dreck bewirft. Auch die rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« und die konservative »Welt« stimmten in die Kampagne ein. In Kommentarspalten von sozialen Medien musste der Nationalismuskritiker Heni einen regelrechten Shitstorm erdulden.

Jedoch hat die BPB nicht nur den von rechts inkriminierten Kurzfilm gelöscht. »Wir haben die übrigen Videos der Serie ›Politik raus aus den Stadien‹ ebenfalls aus dem Netz genommen und werden sie einer kritischen Qualitätsprüfung unterziehen«, sagt Kraft zu »nd«.

»Ich finde es skandalös und ein Zeichen des allgemeinen Rechtsrucks«, sagt Heni zu »nd«. Er sei von der Bundeszentrale nicht über den Vorgang informiert worden. Die Löschung sei »Ausdruck von Zensur und autoritärem, antidemokratischem Agieren aufgrund des Drucks nationalistischer Kreise«, so Heni.

»Bis 2006 waren Fußball-Großereignisse nicht dermaßen nationalistisch aufgeladen wie bei der Heim-WM 2006«, erklärt der Politologe seine Kritik. Die Grundlagen dafür habe der Außenminister Joschka Fischer (Grüne) unter dem Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit dem Krieg gegen Jugoslawien 1999 gelegt, dem ersten Angriffskrieg seit 1945, an dem sich Deutschland beteiligte.

Heni erinnert dazu auch an die Einladung des Schriftstellers Martin Walser ins Bundeskanzleramt, die er als Beleg für einen Rechtsruck unter Rot-Grün anführt. Walser stand nach seiner Paulskirchenrede 1998 stark in der Kritik. Anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an seine Person hatte er behauptet, dass Deutschen immerfort ihre nationalsozialistische Vergangenheit vorgehalten werde, und dies eine »Instrumentalisierung unserer Schande zu heutigen Zwecken« genannt.

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