Bezirk fehlt das Klagerecht: Senat immun gegen Rechtsstaat?

Gericht weist Klage des Bezirks gegen Eingriffsrecht für Görli-Zaun aus formalen Gründen ab

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wird bei einer Kundgebung im Görlitzer Park von wütenden Anwohner*innen konfrontiert.
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wird bei einer Kundgebung im Görlitzer Park von wütenden Anwohner*innen konfrontiert.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg scheitert im Rechtsstreit um den Zaunbau am Görlitzer Park: Der RBB berichtete am Mittwochabend von einem vorliegenden Gerichtsbeschluss, nach dem der Antrag des Bezirks abgewiesen wird. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Der Bezirk hatte gegen die Nutzung des »Eingriffsrechts« des Senats geklagt, mit dem dieser die Kompetenz für die Planung und Realisierung des Zauns um den Görlitzer Park an sich gezogen hatte. Das Verwaltungsgericht begründet die Entscheidung damit, dass sowohl der Bezirk als auch der Senat zur Verwaltung des Landes Berlin gehören. Als Teil derselben Institution könne er nicht juristisch gegen sich selbst vorgehen.

Einen ähnlichen Fall gab es schon im Jahr 2012, als die Klage des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg gegen einen Planungsfeststellungsbeschluss des Senats zur Autobahn A100 abgewiesen wurde. Das Gericht bezog sich hier auf die Besonderheit des Stadtstaats Berlin als »Einheitsgemeinde« – im Unterschied zu Bremen beispielsweise kenne Berlin keine Trennung zwischen staatlicher und kommunaler Ebene. So liege das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung lediglich bei der »Einheitsgemeinde Berlin«, nicht bei den Bezirken. Diese seien lediglich »verselbständigte Teile der nachgeordneten Verwaltung«, heißt es im damaligen Urteil.

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Der grün geführte Bezirk spricht sich gegen die Pläne des schwarz-roten Senats aus, nach denen für 1,9 Millionen Euro die Lücken in der Mauer des Görlitzer Parks geschlossen und die Zugänge mit abschließbaren Toren ausgestattet werden sollen. Für Überwachung und Einlasssperre fallen jährlich 800 000 Euro an. Bereits Mitte Juli soll der »Lückenschluss« realisiert sein. Bürgermeister Kai Wegner (CDU) behauptet, mit der möglichen nächtlichen Schließung die Kriminalität im Park bekämpfen zu können.

David Kiefer vom Bündnis Görli zaunfrei verweist darauf, dass die meisten Straftaten laut Polizeistatistik für den Bereich des »kriminalitätsbelasteten Orts« nicht im Park selbst, sondern in den umliegenden Kiezen stattfinden. Zudem wird nur ein sehr kleiner Teil der Straftaten tatsächlich nachts verübt. Eine Schließung des Parks sei deshalb unwirksam, stattdessen sei ein sozialpolitischer Ansatz nötig.

»Wir erwarten, dass der Bezirk nun beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Entscheidung einlegt«, sagt Kiefer »nd«. Es sei denkwürdig, dass der Bezirk keine Möglichkeit zur Klage gegen den Senat habe, dieser jedoch dank dem Eingriffsrecht über die Angelegenheiten des Bezirks bestimmen könne. »Wir lassen alle juristischen Schritte prüfen und werden sie auch ausschöpfen«, so Kiefer über eine potenzielle Klage durch die Anwohnenden. Zunächst wolle man weiter auf politischer Ebene Druck machen.

Ob der Bezirk den Schritt zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg geht, entscheidet sich in der Sitzung des Bezirksamts am kommenden Dienstag. Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) bedauert die Gerichtsentscheidung, da der Senat nun mit dem Bau des Zauns und der Eingangstore beginnen könne. »Im Ergebnis bedeutet das, dass sich der Senat an seine eigenen Regelungen nicht halten muss«, sagt Herrmann auf nd-Anfrage.

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