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H48: Ein Zuhause, kein Gewerbe

Die Bewohner des Neuköllner Hausprojekts »H48« kämpfen weiter um ihre Bleibe

Unterstützer*innen und Bewohner*innen der »H48« wehren sich gegen Verdrängung
Unterstützer*innen und Bewohner*innen der »H48« wehren sich gegen Verdrängung

Der Platz vor dem Rathaus Neukölln ist am Donnerstagmorgen voll. Hunderte Demonstrant*innen mit Gewerkschaftsfahnen und in roten und gelben Warnwesten strömen zur Auftaktkundgebung einer Demonstration im Rahmen des Kita-Streiks in der Erkstraße. Zwischen den Gewerkschafter*innen finden sich aber auch andere Demonstrant*innen. Die Bewohner*innen und Unterstützer*innen der »H48«, eines Hausprojekts in der namensgebenden Hermannstraße 48, machen eine Kundgebung. Die Gewerkschafter*innen kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen, die Mieter*innen der H48 um ihr Zuhause.

Auf der Mietenkundgebung sind rund 40 Menschen, die um einen Tisch mit Kaffee und Kuchen in der Sonne stehen und den Redebeiträgen zuhören. Anlass für die Versammlung ist eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Neukölln. Die H48 betreibt eine Feststellungsklage: Sie will gerichtlich geklärt wissen, dass es sich bei den Mietverträgen, die teilweise seit den 90ern bestehen, um Wohnmietverträge und nicht um Gewerbemietverträge handelt.

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»Wir sind gezwungen uns gegen Kündigungen und Räumungsklagen zu wehren«, sagt Mia, eine der Hausbewohner*innen in einer Rede. Schon 2020 musste eine zwölfköpfige WG ihre Wohnung räumen. Nach Angaben der H48 stehen zurzeit 1200 Quadratmeter in dem ehemaligen Fabrikgebäude leer. An der rechtlich-bürokratischen Frage, welche Art Mietverträge in dem Hausprojekt geschlossen wurden, hängt viel: Vor dem Landgericht wurde im Januar ein Räumungsprozess für eine der WGs im Haus ausgesetzt, bis die Frage vor dem Amtsgericht geklärt ist. Für Gewerbe gibt es so gut wie keinen Mieterschutz. Eine Niederlage hier würde den Wohnraum von gut 60 Bewohner*innen bedrohen.

Die Hausgemeinschaft versteht den Kampf um ihr Zuhause als Teil größerer politischer Auseinandersetzungen. »Wir fordern die Wiederaufnahme des Vorkaufsrechts«, sagt Mia. Die Mieter*innen standen vor drei Jahren kurz davor, das Gebäude auf diesem Weg zu kaufen und mithilfe des Mietshäusersyndikats dem Markt zu entziehen – hätte das Bundesverwaltungsgericht das Vorkaufsrecht nicht gekippt.

Es geht aber auch ums große Ganze. »Es ist krass, dass es normal ist, dass tausende Wohnungen leerstehen und luxussaniert werden, während Menschen in Lagern oder auf der Straße leben müssen«, so Mia. Auch Luan, eine Bewohnerin der WG, um die sich das Gerichtsverfahren dreht, hält eine Rede. Die Räumungen sind für sie Teil größerer Prozesse von Gentrifizierung und Verdrängung: »Vielleicht verliere ich mein Zuhause, aber wir könnten die ganze Stadt verlieren.« Den Kopf in den Sand stecken will sie aber nicht. In Anlehnung an den Spruch »Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei« sagt sie, dass man zwar so bald nicht die ganze Bäckerei haben werde. »Aber Kämpfe gegen Gentrifizierung haben die Kraft, das zu ändern.«

Die Auseinandersetzung schweißt zusammen. Nicht nur mit der direkten Nachbarschaft und mit anderen Berliner Mieter*inneninitiativen haben die Bewohner*innen Netzwerke geknüpft. Auch aus anderen Städten sind Unterstützer*innen angereist. Eine Rednerin etwa berichtet vom Kampf eines Leipziger Wohnprojekts, das auch von Entmietung bedroht ist. Auch die Bewohner*innen sind untereinander enger zusammengerückt. »Seit ich hier wohne, habe ich das Gefühl, dass es auch in schweren Zeiten weitergeht. Wir halten zusammen«, erzählt Mia im Gespräch mit »nd«.

Das Amtsgericht Neukölln hat die Verhandlung extra in den größten und ältesten Saal im Gebäude verlegt, damit alle Interessierten Platz finden. »Man sieht, was das Amtsgericht alles tut«, scherzt der Richter, bevor die Verhandlung anfängt. Normalerweise finden hier Zwangsversteigerungen statt, etwa von Wohnungen und Grundstücken. »Alles, was hier in Neukölln ist«, erklärt ein Justizbeamter »nd«.

Es ist ein kurzer Prozess. Der Gütetermin, in dem der Richter die Prozessparteien pro forma davon überzeugen will, vielleicht doch eine Einigung zu finden, endet ohne Ergebnis. Zu unterschiedlich sind die Interessen. »Der Richter hat sich nicht in die Karten gucken lassen«, sagt Benjamin Hersch, Anwalt der H48 zu »nd«. Er ist aber trotzdem mehr als optimistisch: »Ich wüsste nicht, warum wir verlieren sollten.«

»Ich hoffe, dass das Gericht so entscheidet, wie die Realität ist«, sagt Flor Fischer im Gespräch mit »nd«. Er wohnt seit 15 Jahren in der H48 und ist in diesem Verfahren Kläger. Seit den 90er hätten Hunderte Menschen in den WGs gewohnt, die man alle als Zeug*innen heranziehen könnte. »Es ist jenseits meiner Vorstellungskraft zu sagen, das sei Gewerbe«, so Fischer.

Vor Gericht wird es wahrscheinlich Ende des Jahres weitergehen, wenn der Richter nicht direkt entscheidet. Dass es der Vermieter ernst damit meint, das Gebäude zu entmieten, zeigt sich noch am Donnerstag. Während die Bewohner*innen bei Kundgebung und Prozess waren, wurden allen WGs der H48 Kündigungen in den Briefkasten geworfen. Die Auseinandersetzung wird also weitergehen, sowohl gerichtlich als auch politisch.

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