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Denken der Neuen Rechten: Ornament und Theoriekitsch
Die Neue Rechte schmückt sich mit Theorie, die aber lediglich der Strategie und Konstruktion eines Weltbilds dient
»Die Zeit« veröffentlichte vor kurzem einen großen Artikel über den Neonazi-Intellektuellen und »Vordenker der Neuen Rechten« Benedikt Kaiser. Der Vorwurf der Verharmlosung wurde mit dem Argument zurückgewiesen, man müsse ja die Ideen der Rechten kennen. Wie ernst müssen wir die Theorien und ihre Intellektuellen nehmen?
Ich glaube schon, dass man die Neue Rechte ernst nehmen sollte – aber man sollte sie dabei nicht idealisieren. Sie ist eine politische Kraft, die sehr strategisch vorgeht und diese Strategien auch sehr deutlich ankündigt. Sie versucht sehr kalkuliert, Begriffe zu setzen, Debatten zu prägen und so ihre Vorstellungen sukzessive in der Gesellschaft zu verankern. Wenn man das ernst nimmt, dann muss man auch eine gewisse Sensibilität dafür entwickeln, dieses Kalkül zu erkennen und dem nicht auf den Leim zu gehen. Man kann die Neue Rechte ernst nehmen, indem man liest, was sie schreibt. Ein aufmerksamkeitsheischendes Format wie ein Porträt in der Zeitung ist dafür aber denkbar schlecht geeignet.
Welche Rolle spielt denn die Theoriebildung für die Neue Rechte, der nun Benedikt Kaiser als Vordenker gilt?
Erst einmal muss man sich bewusst machen, dass die Texte und die Kommunikation der Neuen Rechten fast immer eine Doppelfunktion erfüllen. Was deren Vertreter schreiben und sagen, richtet sich einerseits an den inneren Kreis, sie betreiben damit eine bestimmte Art von Kanon- und Identitätsbildung. Andererseits richten sie sich aber auch an eine Öffentlichkeit, in der sie versuchen, Anschluss zu finden. Der neurechte Verleger Götz Kubitschek spricht in Bezug darauf von einer »Selbstverharmlosung«. Darin steckt schon die Doppelbewegung: Die Dinge sollen nach innen radikaler gedacht und nach außen so formuliert werden, dass sie anschlussfähig sind. Mit Theoriebildung im Sinne von analytischer Erkenntnis hat das Ganze meist recht wenig zu tun. Im Grunde geht es dabei eher um plakative Gesellschaftsbeschreibungen, mit Bildern, Metaphern und vor allem Krisenerzählungen.
Wie sehen diese Gesellschaftsbeschreibungen aus?
Der typische neurechte Text beschreibt die Gegenwartsgesellschaft als eine Welt, in der die Autorität erodiert: als eine entgrenzte und fragmentierte Welt, die an ihren inneren Widersprüchen zugrunde geht. Dazu wird direkt das passende Gegenmittel angeboten, nämlich die Wiederaufrichtung von Autorität und Ordnung, die mit verschiedenen Strukturen identifiziert wird, sei das die Nation, Familie oder andere identitäre Ersatzentwürfe – das ist dann im Grunde austauschbar. Die Krisendiagnose, auf die das alles hinausläuft, lautet Dekadenz. Benedikt Kaiser kommt in jedem seiner Bücher zu dem Fazit, dass die Gegenwart dekadent sei.
Im Grunde sind dann alle diese Bücher gleich aufgebaut. Seit der Französischen Revolution finden sich immer wieder die gleichen Verfallsdiagnosen mit den gleichen Beschreibungen, den gleichen Semantiken und den gleichen Lösungsangeboten. An dieser Redundanz wird schon deutlich, dass das vor allem eine Projektion ist. Die Krisendiagnose steht im Grunde schon fest und ist tief im rechten Kanon verankert. Dann schaut man in die Gesellschaft, sucht sich sehr selektiv Phänomene heraus, die diese Beschreibung stützen, und packt wieder einmal das Label Dekadenz darauf. Fertig ist ein neues Buch.
In dem Sammelband »Marx von rechts« heißt es, es gehe um die »Genese einer neurechten Theorie als unabdingbares Fundament einer politischen Praxis«. Meint dieser Anspruch also einfach nur Agitation und Propaganda?
Nein, es geht dabei schon auch um eine Weltanschauung. Die Rechte braucht eine Ideologie – das würden Kaiser und andere sicherlich auch so unterschreiben. Mit Theorie im eigentlichen Sinne hat das aber, wie gesagt, wenig zu tun. Wenn man das rechte Denken einmal aufdröselt, dann wird man recht schnell feststellen, dass es sich jeder inneren Systematik versperrt. Ich würde sagen, dass das sogar ein Grundmoment des rechten Denkens ist. Denn die Kohärenz im begrifflichen Denken entstammt einer aufklärerischen Tradition, nämlich der rationalen Durchdringung der Welt. Für die Rechte ist diese Aufklärung aber der Feind. Sie will die Welt lieber phänomenologisch erspüren als mit systematischen Kategorien zergliedern. Das rechte Denken entzieht sich daher dem Anspruch der Theorie. In der Binnenperspektive wird das meist so ausgelegt, dass man im Gegensatz zu anderen ganz unideologisch ist. Übersetzt bedeutet das aber nur, dass man sich weigert, systematisch zu denken.
Was Kaiser zum Beispiel macht, ist ein Gedankengebilde aus verschiedenen Bausteinen aufzurichten: ein Menschenbild, ein bestimmtes Zeitverständnis, eine Geschichtsmoral und Imperative, wie sich der Mensch verhalten soll. Das ist aber ein weltanschaulicher Entwurf und keine systematische Analyse.
Felix Schilk ist Soziologe und hat an der TU Dresden zu Krisennarrativen der Neuen Rechten promoviert. Sein Buch »Die Erzählgemeinschaft der Neuen Rechten. Zur politischen Soziologie konservativer Krisennarrative« erscheint am 27. August im Open Access bei Transcript.
Wie geht das zusammen, einerseits eine feste Weltanschauung zu wollen und zugleich »unideologisch« und pragmatisch mit dem eigenen Denken umzugehen?
Das rechte Denken hat eben gar kein Problem mit inneren Widersprüchen. Einerseits hat man einen sehr starken ideologischen Kern, etwa im Menschenbild. Der Mensch ist im rechten Denken ein Mängelwesen, das heißt, er ist abhängig von größeren Dingen, von Strukturen oder vom Schicksal. Der Modus der rechten Politik ist es dann, dieses Schicksal zu erkennen und sich in dessen Dienst zu stellen. Das hat auch eine identitätsstiftende Funktion. Aber die »reine Lehre« soll auch sicherstellen, dass realpolitische Zwänge die Ziele der Rechten nicht zu sehr überformen. Das ist eine große Sorge. Es gibt beispielsweise eine scharfe rechte Kritik an Giorgia Meloni in Italien, der man vorwirft, dass sie am Ende realpolitische Kompromisse macht.
Gleichzeitig sind die Rechten aber auch skrupellose Machiavellisten, die sich im Kampf gegen den politischen Gegner sehr viel Gestaltungsspielraum und ideologische Flexibilität herausnehmen. Im politischen Handgemenge sind sie äußerst pragmatisch und in der Lage, temporär auch Ideologie für Raumgewinne und im Kampf um Begriffe zurückzustellen. Das hat wiederum damit zu tun, dass die Rechten ein ganz anderes Verhältnis zur Wahrheit und zur Moral haben. Das letzte Ziel ihrer Politik ist es nicht, eine gute Gesellschaft zu gestalten oder zu einer richtigen Analyse zu kommen. Am Ende geht es immer darum, dass Dinge nützlich sind für die eigene Machterlangung. Der ideologisch-weltanschauliche Kern ist letztlich nur eine Legitimation dafür.
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Es gibt innerhalb der Neuen Rechten auch eine Abgrenzungsbewegung zur NS-Verherrlichung, die in ihrem Festhalten an einem falschen Dogma dem Machtgewinn im Wege stehe.
Die rechte Szene ist ja durchaus heterogen. Es gibt natürlich unverbesserliche NS-Nostalgiker, aber bestimmten Teilen ist der Nationalsozialismus im Grunde auch einfach egal. Er ist Geschichte, die passiert ist, aber kein Grund für moralische Verurteilungen, Verantwortung oder gar Lernprozesse. Man kann diese Haltung aber auch am russischen Umgang mit dem Stalinismus illustrieren. Putins Haltung zur Erinnerungskultur ist ja im Grunde ähnlich skrupellos. Geschichte ist da vor allem eine Ressource, um Pathos und Legitimation für die Gegenwart zu schöpfen. Die Aufarbeitung von Verbrechen oder andere Lernprozesse stören da nur. Das Lernen aus der Geschichte ist immer eine Gefahr für autoritäre Herrschaftssysteme, weil es Autorität und Ordnung infrage stellt.
Diese vielen ideologischen Funktionen wirken tatsächlich unvereinbar mit einer konsistenten Theorie. Wie würden Sie das theoretische Vorgehen der Rechten beschreiben?
Oft wird der Neuen Rechten Diskurspiraterie vorgehalten, weil sie wie ein Staubsauger die Diskurse abgrast und alles nimmt, was sich für ihre Ziele als nützlich herausstellt. Ein solches Vorgehen ist eben nur möglich, wenn auf ein konsistentes und systematisches Denken verzichtet wird. Es gibt dazu eine passende Analogie in der Architektur, denn es ist kein Zufall, dass es bei den Rechten so eine große Begeisterung für postmodernen Traditionalismus gibt.
Für den Wiederaufbau von Stadtschlössern zum Beispiel?
Ja, genau. Es geht dabei vor allem um Ornamentik, also eine Architektur, die nicht rational und funktional ist, sondern kitschig. Ornamente drücken etwas aus, was im Kern gar nicht vorhanden ist. So können wir auch die rechte Theorie verstehen. An ein rechtes Lebensgefühl werden quasi einfach Ornamente von intellektueller Anmutung gepackt, um sich als intellektuell und belesen zu inszenieren. Und offensichtlich wird das auch von außen wertgeschätzt, obwohl es einfach nur Kitsch ist – wie eine Stuckfassade vor einem Betonbau. Es ist vor allem eine Theorie-Ästhetik, die dort simuliert wird.
Zumindest bei der »Zeit« scheint die Simulation kritischer Intellektualität verfangen zu haben.
Nicht nur dort. Denn der Hauptmodus der rechten Gesellschaftsbeschreibung ist die Kulturkritik – und diese ist gesellschaftlich enorm anschlussfähig.
Was genau ist das Verhältnis der Rechten zur Kulturkritik?
Die rechte »Theoriebildung« nimmt durchaus kritikwürdige Phänomene der Gegenwart, aber sie führt die Probleme nicht auf ihre systemischen Ursachen zurück, sondern verbleibt, plump gesagt, in der Sphäre des kulturellen Ausdrucks. Kulturkritik spielt auch mit einer Anmutung von kritischer Intellektualität und tiefgründigem Denken. Das funktioniert, weil die Kulturkritik erst einmal politisch neutral ist und die Leute unterschiedliche Dinge in sie hineinprojizieren können. Sie spielt mit einem Unbehagen und hat eine sehr offene Flanke zum Ressentiment. Auf X gibt es zum Beispiel den recht erfolgreichen Account »Cultural Tutor«, der traditionalistische Ästhetik bewirbt und zwischen den Zeilen die gleiche Dekadenzdiagnose kommuniziert, die im Zentrum des rechten Denkens steht.
Damit einher geht natürlich auch eine elitäre Verachtung der Massenkultur und der damit verbundenen Demokratisierung von Konsum. Aus rechter Sicht verliert die Kultur zwangsläufig an Niveau, wenn immer mehr Menschen an ihr partizipieren. Und diese Deutungsfolie lässt sich auf alles Mögliche übertragen: auf Bildung, auf Kunst, auf die Genetik der Menschen, auf die Formen der alltäglichen Interaktion, auf die Universitäten und so weiter.
Auch in der linken Theorie spielt Kulturkritik eine Rolle, ich würde sagen, vor allem in der Form einer Entfremdungs- und später Verdinglichungskritik.
Ja, das rechte Denken bedient sich vieler Ornamente. Was die Entfremdungskritik angeht, glaube ich, dass diese für die Gesamtentwicklung des europäischen politischen Denkens eine ganz wichtige Figur ist. Die Rechten haben ein sehr widersprüchliches Verhältnis dazu. Einmal sagen sie, dass die Entfremdung ein Grundzustand der Welt ist, aus der es keinen Ausweg gibt. Alle Versuche, diese Entfremdung aufzulösen, münden in Totalitarismus und Gewalt. Im Grunde ist das eine säkularisierte Version des Sündenfalls oder der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Andererseits gibt es aber auch eine antimoderne und traditionalistische Erzählung, die die Entfremdung mit Rationalität, Universalismus und Aufklärung gleichsetzt und bekämpft. Dort blickt man nostalgisch auf eine integrale Welt zurück, die angeblich noch nicht durch die Tragödie der Moderne entfremdet war. »Integral« ist ein Attribut, das man im rechten Denken sehr häufig findet. Dahinter steckt die Vorstellung einer in sich abgeschlossenen Gesellschaft, die keine lineare und progressive Geschichte kennt, sondern immer nur wieder Herrschaft reproduziert.
Für eine Linke ist die Entfremdungskritik ein sehr problematisches Moment, weil sie eine offene Flanke zur rechten Nostalgie, zum Antiliberalismus und zur reaktionären Kritik der Moderne bietet. Häufig ist dann auch der Antisemitismus anschlussfähig. Ich denke es ist ein Kategorienfehler im linken Denken, wenn die bürgerliche Gesellschaft ausschließlich als Herrschaftsprojekt denunziert wird, ohne ihre Ambivalenzen zu sehen. Das Problem ist ja zum Beispiel nicht die Herausbildung einer umfassenden bürokratischen Verwaltung, sondern vor allem die ungleiche Verteilung der Güter. Bei Marx sieht man diese Entwicklung: Der frühe Marx stand noch in der Tradition der romantischen Entfremdungskritik und wurde später zum Analytiker der kapitalistischen Gesellschaft.
Die Neue Rechte bezieht sich auch explizit auf linke Theorie. Sie ist etwa fasziniert von Antonio Gramsci und den Innovationen seiner Hegemonietheorie.
Das ist ein Mythos. Gramsci reflektiert nach dem Sieg des Faschismus die Ursachen für das Scheitern der Linken. Ein ganz ähnlicher Prozess hat auf Seiten der Rechten schon nach der Französischen Revolution stattgefunden. Zugespitzt gesagt: Vieles von dem, was Gramsci entwickelt – die Rolle der Zivilgesellschaft, Metapolitik und der Kampf um kulturelle Hegemonie –, wurde von den Rechten schon das gesamte 19. Jahrhundert hinweg bearbeitet. Die Neue Rechte eignet sich im 20. Jahrhundert vielleicht noch popkulturelle Ästhetik an, aber das Denken von Gramsci hatte sie schon längst verinnerlicht. Ich denke, dass Gramsci für die Linke eher nachgeholt hat, was die Konservativen schon wesentlich früher durchgemacht haben. Auf eine gewisse Weise war die Französische Revolution für sie ja eine ähnlich einschneidende Erfahrung wie die faschistische Revolution für Gramsci. Und im Grunde bestand das Programm der konservativen Intellektuellen seit der Französischen Revolution darin, die Gesellschaft als Kampf verschiedener Machtblöcke wahrzunehmen und daran zu arbeiten, die eigene Macht auszubauen.
Andererseits scheint es dann eher von links eine Faszination für das rechte Denken zu geben. Ich denke da an die Diskussionen um linken Populismus, der ja theoretisch nicht nur mit der Hegemonietheorie Gramscis, sondern auch mit Carl Schmitt, dem »Kronjuristen des Dritten Reiches«, begründet wird. Hier steht die Massenmobilisierung über der Erkenntnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Das stimmt, deshalb würde ich auch betonen, dass solche Populismustheorien wie etwa von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe strenggenommen keine linken Theorien sind. Sie stehen eher in einer Tradition des rechten Denkens, weil sie von ontologischen Setzungen ausgehen, den Menschen als Mängelwesen denken und die konservativ-romantische Entfremdungskritik am Liberalismus wiederholen. Karin Priester hat sehr ausführlich gezeigt, dass dieses Denken im Kern auf eine politische Mystik hinausläuft, wie man sie auch bei Georges Sorel findet. Nicht ohne Grund wird Mouffe in der Neuen Rechten sehr affirmativ rezipiert, gerade auch von Benedikt Kaiser. Was ich insgesamt aber wesentlich bezeichnender finde: Wenn man sich einen Teil der Neuen Rechten anschaut, dann würde ich etwas überspitzt sagen, dass sie auch viel mit dem Stalinismus teilt.
Wie meinen Sie das? Ist die Neue Rechte eigentlich stalinistisch?
Was ist denn der Stalinismus? Er ist der Versuch, nach den großen Wehen und Entgrenzungen der Oktoberrevolution, die Gesellschaft wieder gewalttätig zu stabilisieren, durch Patriotismus, durch Liturgie, durch die Kleinfamilie, durch ein Zurückdrehen der kulturellen Liberalisierung. In der Kultur, der Literatur, der bildenden Kunst und der Architektur kehrte mit Stalin die Ornamentik zurück. Und man verabschiedete sich nach und nach von dem großen utopischen Entwurf, die Welt zu einem besseren Ort für die Menschheit zu machen, und fiel auf ganz skrupellose Machtpolitik im Inneren zurück. Das ist im Grunde genau das Programm, das Benedikt Kaiser sich wünscht. Das erklärt dann auch, weshalb er ein Vorwort zur Neuauflage von Nikolai Ostrowskis »Wie der Stahl gehärtet wurde« geschrieben hat, dem wichtigsten stalinistischen Erziehungsroman.
Vielleicht kann man vor diesem Hintergrund auch die wiederkehrende Attraktivität des Autoritarismus deuten, der sich im Revival der sogenannten Roten Gruppen oder dem »Linkskonservatismus« von Sahra Wagenknecht zeigt, deren politische Karriere ja auch mit einer Verharmlosung des Stalinismus begonnen hat.
Ich habe lange Zeit die Hoffnung gehegt, dass die Theorie auf Seiten der Emanzipation steht – und die Linke daher auf Seiten der Theorie. Wie verhält es sich nun damit?
Ja, wie gesagt, die Rechte macht keine Theorie. Ihre Texte sind intellektuell und analytisch ziemlich dürftig, haben aber eine gewisse Ästhetik und sind deswegen wirkmächtig. Vielleicht funktioniert das sogar viel besser als Theorie. Wir müssen uns ja nichts vormachen: Theorie ist anstrengend und wir leben in einer Zeit, in der sich viele Menschen eher nach affektiven Angeboten und sinnstiftenden Erzählungen sehnen, die es ihnen ermöglichen, sich in der Welt zu verorten und zu verheimaten. Und Identitäten stiften können die Rechten nun einmal sehr gut. Genau das ist auch die Stärke von Benedikt Kaiser: Er erzählt den Menschen eben Variationen der immer gleichen Geschichte. Diese Attraktivität, um den Bogen zum Anfang zu schlagen, muss man ernst nehmen und entzaubern.
Und wie entzaubert man die Rechte?
Zum Beispiel, indem man Leute interviewt, die sich seit vielen Jahren mit deren Denken auseinandersetzen. (lacht) Jedenfalls nicht mit einem großen Zeitungsporträt. Allein, dass dort die Person so sehr ins Zentrum gerückt wurde, unterstützt eine heroische Selbstinszenierung. Dagegen hilft nur der Hinweis, wie redundant und dürftig dieses Denken eigentlich ist. So erklärt sich dann nämlich auch, warum jemand wie Kaiser, wie es in diesem »Zeit«-Artikel bewundernd heißt, schon neun Bücher geschrieben hat. Diese Texte sind eben alle mehr oder weniger gleich aufgebaut. Kaiser ist kein Vordenker, der selbst theoretische Innovationen einbringt, sondern eher ein besonders umtriebiger Verkäufer eines alten rechten Kanons.
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