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Brandenburgs CDU-Fraktionschef fuhr betrunken E-Roller
Jan Redmann möchte trotz seiner Verfehlung Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September bleiben
Brandenburgs CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann hat durchaus die Chance, durch de Landtagswahl am 22. September Ministerpräsident zu werden. Denn seine Partei lag in der jüngsten Umfrage mit 19 Prozent gleichauf mit der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Kann sich Woidke halten, so könnte Redmann immerhin sein Stellvertreter und Nachfolger des scheidenden Innenministers Michael Stübgen (CDU) werden. Das hätte eine besondere Note, wenn er für die Polizei verantwortlich werden würde, erwischte ihn die doch am Donnerstagabend bei einer Trunkenheitsfahrt.
Ehe der peinliche Vorfall anders herauskommt, machte ihn Redmann am Freitag lieber selbst öffentlich. »Ich bin gestern nach einem geselligen Abend mit Freunden mit dem E-Scooter nach Hause gefahren«, sagte er. Dabei sei er in eine Verkehrskontrolle geraten und bei ihm sei ein Atemalkoholwert von 1,3 Promille festgestellt worden. Jeder mache mal einen Fehler, gab sich Redmann nur mäßig zerknirscht. Er versuchte damit, dass er seine Verfehlung eingesteht, sogar noch Pluspunkte zu sammeln. »Diese Ehrlichkeit können Sie von mir auch in Zukunft erwarten«, wandte sich der Politiker an die Bevölkerung und wechselte dabei schnell in den Wahlkampfmodus. »Ich will Ministerpräsident des Landes Brandenburg werden. Wir haben die besseren Konzepte. Wir haben Lösungen für die Probleme, die Sie im Alltag spüren. Ich bitte Sie: Beurteilen Sie mich auch weiter nach diesen Konzepten.«
Redmann ist von Beruf Rechtsanwalt und seine Partei brüstet sich damit, für Ordnung und Sicherheit zu stehen. Das Verfahren gegen den Spitzenkandidaten läuft und seine Trunkenheitsfahrt wird Konsequenzen haben. Seinen Führerschein hat er nach eigenen Angaben bereits freiwillig abgegeben, bevor er ihm möglicherweise entzogen wird. Als Ministerpräsident oder Innenminister bekäme er einen Dienstwagen mit Chauffeur.
Ob Redmann seine Fahrerlaubnis zwingend verliert, ist nach Einschätzung des Rechtsanwalts Matthias Mnich nicht gesagt. Es hänge davon ab, ob es der erste Fehltritt war, und maßgeblich sei der Blutalkoholwert, der häufig niedriger sei als der Alkoholgehalt des Atems. Die Angelegenheit müsse auch nicht zu einem Gerichtsprozess führen, sondern könne anders geklärt werden. Mnicht erläutert allerdings auch, ein Elektroroller gelte als Kraftfahrzeug. Da seien die Grenzen für den gerade noch zulässigen Alkoholgenuss enger gefasst. Der Anwalt hat sich einerseits mit Verkehrsdelikten befasst und andererseits mehrfach für Die Linke kandidiert, etwa 2019 bei einer Bürgermeisterwahl in Wildau. Er sagt dem »nd« am Sonntag, als er von der Sache gehört habe, da habe er gleich gedacht, so wie Redmann damit umgehe, müsse es ein Politiker anstellen, um heil herauszukommen. So werde die Angelegenheit in drei Wochen vergessen sein.
Zunächst aber liefert der Fall vor allem Gesprächsstoff. So höhnte der AfD-Landesvorsitzende René Springer: »Für die nächste Alkoholfahrt empfehle ich Herrn Redmann, ein Lastenfahrrad zu nehmen. Da wird es erst ab 1,6 Promille kriminell.«
Der Landtagsabgeordnete Uwe Adler (SPD) meinte: »Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben aus meiner Sicht eine andere Erwartungshaltung an verantwortungsvolle und verantwortungsbewusste Politik.« So eine Trunkenheitsfahrt stehe nicht »für einen erkennbar klaren Kompass«. Brandenburg brauche einen Steuermann mit klarem Kopf. »Gut, dass unser Land durch Dietmar Woidke erfolgreich, sicher und stabil regiert wird.«
Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke ergänzte, ein solcher Vorfall sei kein Kavaliersdelikt. »2023 wurden in Deutschland fast 8500 Menschen durch Unfälle mit E-Scootern verletzt, oftmals war Alkohol im Spiel. Ein Glück, dass die Polizei in diesem Fall rechtzeitig zur Stelle war.«
»Menschen machen Fehler und entscheidend ist, wie man damit umgeht«, bemühte sich CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann zu beschwichtigen. Jan Redmanns Umgang mit dem Vorfall zeige, dass er Anstand habe. Deshalb sei er auch geeignet, »Brandenburg als Ministerpräsident zu führen«.
So viel Verständnis bringt Linksfraktionschef Sebastian Walter nicht auf. Er gesteht zwar zu: »Fehler passieren allen Menschen, auch Politikern.« Aber nun treffe es gerade denjenigen, der in den vergangenen Monaten keine Chance ungenutzt gelassen habe, als strenger Law-and-Order-Politiker aufzutreten. »Strafen konnten nicht hart genug sein und die Justiz sollte durchgreifen. Egal ob bei Grenzkontrollen oder der Absenkung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre – überall war Jan Redmann laut.«
Wenn Redmann seine Maßstäbe an sich selbst anlegen würde, »dann wüsste er, dass eine Entschuldigung nicht ausreicht«, erklärte Walter. »Er versucht, sich jetzt als ehrlicher, anständiger Kerl zu inszenieren. Am Ende bleibt, wenn Konservative selbst mit dem Rechtsstaat zu tun bekommen, dann soll es auf einmal Milde geben.« Für ernsthafte Debatte über Sicherheit und Ordnung falle Redmann nun aus. Ironisch bemerkte Sebastian Walter, dass Redmann die Polizei anscheinend lieber für Grenzkontrollen als für Verkehrskontrollen einsetzen wolle.
Bischöfin Margot Käßmann war im Jahr 2010 wegen einer Alkoholfahrt als Ratspräsidentin der Evangelischen Kirche in Deutschland zurückgetreten. Mit dpa
»Wenn Konservative selbst mit dem Rechtsstaat zu tun bekommen, dann soll es auf einmal Milde geben.«
Sebastian Walter Linksfraktionschef
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