Wohltätigkeit zieht nicht mehr

Hilfsorganisation Welthungerhilfe beanstandet Etat für Entwicklungszusammenarbeit

Auszubildende lernen in Uganda, wie man Solaranlagen installiert. Für derlei Projekte braucht es eine langfristige Finanzplanung.
Auszubildende lernen in Uganda, wie man Solaranlagen installiert. Für derlei Projekte braucht es eine langfristige Finanzplanung.

Eigentlich will Marlehn Thieme, Präsidentin der Hilfsorganisation Welthungerhilfe, bei ihrer Jahrespressekonferenz auf die Erfolge der Organisation fokussieren, um aufzuzeigen, wie »Entwicklungszusammenarbeit Vorteile für alle Menschen« biete. So würden durch ihre Arbeit viele Menschen mehr ernten und erwirtschaften, hätten Zugang zu sauberem Trinkwasser und würden deshalb weniger krank, jedes zusätzliche Schuljahr erhöhe das Einkommen von Mädchen um 20 Prozent. Das sei auch im Interesse der »Exportnation Deutschland«.

»Damit wollen wir uns in die Debatte einmischen, die den Sinn der Entwicklungshilfe infrage stellt.« Thieme spielt damit auf das wahre Thema zur Stunde an: den Bundeshaushalt. Bei dessen Beschluss kommen zum wiederholten Mal Kürzungen auf das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu. Derzeit stehen allein für das BMZ Kürzungen im Bereich von einer Milliarde Euro im Raum. Weder das Finanzministerium noch das BMZ wollten sich im Vorfeld des Budgetbeschlusses diesen Mittwoch dazu äußern.

Der Bundeshaushalt beeinflusst das Budget der Welthungerhilfe überproportional. Schließlich bleibt die Bundesregierung 2023 die größte Einnahmequelle der NGO. Das BMZ und das AA übernahmen hierbei 2023 mit insgesamt 118 Millionen Euro den größten Anteil der 255,5 Millionen Euro institutioneller Zuschüsse. Vergangenes Jahr steigerte sich die Kofinanzierung über Bund und EU um etwa zehn Prozent, während private Spenden im gleichen Umfang sanken, teilt Welthungerhilfe-Generalsekretär Matthias Mogge am Dienstag mit.

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Verspreche die Regierung nun, weiterhin Geld für große Krisen bereitzuhalten, sei das ein falsches Signal, kritisiert Thieme. »Geld wird nur noch dort bereitgestellt, wo die meisten Fernsehkameras stehen. So kann keine verlässliche Hilfe aufgebaut werden.« Thieme bezieht sich hierbei auf die Debatte zu Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe. Ersteres ist die langfristige Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung einer Region, zweites setzt bei unmittelbaren Krisensituationen an.

Sozial förderlicher sowie finanziell nachhaltiger sei die Entwicklungszusammenarbeit, bekräftigt Mogge. Ein Beispiel dafür seien Extremwetterereignisse, die durch den Klimawandel erheblich zunehmen. Da zugleich das Wissen dazu wachse, gäbe es mehr Möglichkeiten, vorausschauend zu handeln. So würde die Hilfsorganisation bei Tropenstürmen in Madagaskar eng mit meteorologischen Diensten vor Ort zusammenarbeiten, um Gelder vorab mit Gebern zu vereinbaren und Menschen auf der Insel zu ermöglichen, Nahrung zu rationieren, sich mit Medikamenten zu versorgen und Schutzräume aufzusuchen. Jene Projekte müssten aber langfristig geplant werden.

Wie ihre Kolleg*innen des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt betont Thieme, Entwicklungszusammenarbeit lege den Grundstein für Frieden und Wohlstand, auch in Deutschland. Darüber hinaus sei Deutschland auf den internationalen Handel und funktionierende Lieferketten angewiesen. Auf Nachfrage, warum es Hilfsorganisationen aktuell so wichtig sei, den Standortfaktor Deutschland zu betonen, führt Thieme aus: »Parteien, die derzeit Entwicklungspolitik als Ganzes infrage stellen, verhärten den Diskurs.« Eine »Deutschland-first«-Mentalität greife um sich. Das Argument, mit Entwicklungspolitik etwas Gutes zu tun, »zieht nicht mehr«.

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