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Sachsen: Drei Abgeordnete wollen die Partei mit Direktmandaten in den Landtag retten
Aktuell steht Die Linke in Umfragen in Sachsen bei drei bis vier Prozent. Den Einzug in den Landtag mit der Wahl am 1. September könnte sie damit verpassen – es sei denn, ihre Kandidaten werden in mindestens zwei Bezirken direkt gewählt und retten so per Direktmandatsregelung die Fraktion ins nächste Dresdner Parlament.
Chancen darauf haben nach aktuellen Umfragen nur drei Kandidaten, und alle treten sie in Leipzig an: Juliane Nagel (Wahlkreis Süd), Marco Böhme (Mitte-West) und Nam Duy Nguyen (Mitte-Ost). Auch wenn Nagel eine Regierungsbeteiligung nicht ausschließen will, betonten alle drei Kandidaten auf einer Pressekonferenz am Donnerstag die wichtige Rolle der Partei im Landtag als »linke Regierungskontrolle«, also als Oppositionskraft.
»Ich habe kein Vertrauen, dass SPD und Grüne sich in Sachsen durchsetzen werden, was beispielsweise den nächsten Doppelhaushalt angeht«, sagte Nagel zum Wahlkampfauftakt. »Linke Oppositionsarbeit wirkt, auch wenn sie zunächst von den regierenden Parteien abgelehnt wird. Unsere Ideen werden früher oder später immer wieder von der Regierung aufgegriffen, wenn auch natürlich völlig unzureichend«, betont auch Böhme. Die Stärke der Partei liege darin, gerade im sozialen Bereich Dinge anzusprechen, die sonst unter den Tisch fielen.
Zudem würde ein Aus für die Landtagsfraktion in Sachsen im Land massiv linke Freiräume, Infrastrukturen und Vereine finanziell gefährden.
Den aktuellen Umfragen zufolge könnten nach der Wahl Zwei Drittel der Landtagssitze von CDU und AfD besetzt werden. Die vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD legte bei den Kommunalwahlen in allen Landkreisen auf rund 30 Prozent zu und wurde nur in Leipzig nicht stärkste Kraft im Stadtrat, wo die CDU sie um knapp zwei Prozent überholte.
Damit gibt es zum ersten Mal seit 1998 keine rot-rot-grüne Mehrheit in der größten sächsischen Stadt. Die Europawahl gewann die AfD auch in Leipzig. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichte bei seinen ersten Wahlen knapp über zehn Prozent im Freistaat. Wagenknecht hatte bereits im Juni angekündigt, in Sachsen Regierungsverantwortung anzustreben.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
In den Wahlkreisen von Böhme, Nagel und Nguyen bleiben die Grünen größter Konkurrent. Auch diese werde man im Wahlkampf nicht zögern anzugreifen, verspricht Marco Böhme. »Wir haben immer noch kein Klimaschutzgesetz in Sachsen, es gibt keine Solardachpflicht, die Treibhausgase sind seit 1990 nicht gesunken, obwohl es seit dieser Legislatur einen Grünen-Energie- und Umweltminister gibt«, begründet Böhme das.
Während Nagel und Böhme bereits seit 2014 im Landtag sitzen und Nagel sich zudem als Städträtin fest im Leipziger Süden verankert hat, tritt Nam Duy Nguyen zum ersten Mal für die Partei an. Wie die beiden anderen Kandidaten stellt er trotz klar antirassistischen Profils in seinem Wahlkampf nicht polarisierende Themen wie Migration, sondern soziale Fragen in den Mittelpunkt.
Nguyen, der sich bei der Kandidatenkür der Partei in seinem Wahlkreis gegen den ehemaligen Stadtrat und klimapolitischen Sprecher der Leipziger Linken, Michael Neuhaus, durchsetzte, will mit der Kampagne »Zeit, dass sich was dreht« eine neue Art des Wahlkampfs und der Verankerung im Stadtteil erproben. Bereits 9 000 Haustürgespräche führten er und sein rund 150-köpfiges Team, mindestens 20 000 weitere sollen folgen.
Bei einer Versammlung im Juni stellte das Team gemeinsam mit 250 Anwohner*innen Forderungen auf. Die wichtigsten davon: bezahlbarer Wocheneinkauf, bezahlbare Mieten und kostenloser, gut ausgebauter ÖPNV. Bundesweit mobilisiert das Team des gebürtigen Riesaers Nguyen zu einer Aktionswoche Ende Juli, bei der zahlreiche weitere Haustürgespräche geführt werden sollen.
»Zumeist habe ich die besten Gespräche mit Menschen, die eine große Politikverdrossenheit äußern«, erzählt Nguyen im Gespräch mit »nd«. »Man muss den Menschen zugestehen, dass diese Verdrossenheit berechtigt ist«, räumt er ein. Mit ihnen könne man »einfach über ihre klaren und sehr greifbaren Anliegen sprechen, und sie sind sehr offen für uns«. Eine Regierungsbeteiligung einer schwachen Linken würde hält er für falsch: »Gegen Rechts hilft links, aber nicht, wenn Die Linke beim neoliberalen Quatsch mitmacht.«
Nguyen ist wie Böhme und Nagel eng an linke Bewegungen angebunden: Ehemals in antirassistischen Kampagnen sowie im Studierendenverband SDS aktiv, will Nguyen nun vor allem »Politik für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung« machen. Seine Kampagne kann ähnlich der Kandidatur der Klimaaktivistin und früheren Seenotretterin Carola Rackete zur Europawahl als Zeichen der Versuche einer Erneuerung der Partei gesehen werden. Zudem wäre der Sohn vietnamesischer Vertragsarbeiter der erste nicht-weiße sächsische Landtagsabgeordnete.
Auch für Marco Böhme soll Die Linke nicht nur Wahlkampf machen, sondern Gebrauchswert entwickeln: Wöchentlich organisiert sein Ortsverband ein kostenloses Abendessen im Kiez für Bedürftige, auch, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Nagel hebt nochmal hervor, dass man sich auf Direktmandaten nicht ausruhen dürfe: »Es ist klar, dass wir als linke, sozialistische Partei nur eine Chance haben, wenn wir flächendeckend präsent und kommunal verankert sind. So wird auch der Wahlkampf geführt.«
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