Die Ampel und der kommende Wahlkampf

Christoph Ruf über den europäischen Rechtstrend und die magere Zwischenbilanz der Ampel-Regierung

Habeck, Scholz, Lindner: Die FDP als Entschuldigung für das Krepieren der eigenen Politik zu nehmen, ist im nur das Eingeständnis, dass man lieber gegen angebliche Überzeugungen regiert, als auf Macht zu verzichten.
Habeck, Scholz, Lindner: Die FDP als Entschuldigung für das Krepieren der eigenen Politik zu nehmen, ist im nur das Eingeständnis, dass man lieber gegen angebliche Überzeugungen regiert, als auf Macht zu verzichten.

Wahlen sind eine Frage der Wahrnehmung: Italien? Frankreich? Sind doch diese Länder, die kurz vor der Machtübernahme der Faschisten stehen. Und auch hierzulande ist da AfD ja kurz vorm Kanzleramt. Oder nicht? Bei der Europawahl haben 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten AfD gewählt. Das Rassemblement National bekam bei den französischen Parlamentswahlen im ersten Durchgang 19 Prozent. Und 2022 stimmten für Meloni 14,2 Prozent der Wahlberechtigten. In allen drei Ländern gingen rund 60 Prozent wählen. Die große Mehrheit der Menschen wollte die etablierten Parteien nicht mehr wählen: glücklicherweise wählt davon nur ein Bruchteil rechtsradikal. Die allermeisten bleiben zu Hause.

Es braucht nicht lange, um sich auszumalen, mit welchen wurmstichigen Argumenten SPD und Grünen in den Bundestagswahlkampf gehen werden. Grüne: Zerknirschung ob des Heizungsgesetzes (ganz wichtig: oft von »Demut« sprechen und von »Menschen«, die man, noch wichtiger, »mitnehmen« müsse). Ansonsten: Markenkern. Ach ja, Ökologie. Wir haben’s versucht, aber die böse FDP hat alles verhindert.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

SPD: Okay, hier werden auch die Campaigner gefrustet in die Flipcharts beißen. Zumal es in Deutschland nur Biden und keinen Obama gibt. Einen Scholz, doch niemanden, der ihm sagt, dass er durch ist. Aber »sozial« geht ja immer. Also die Klassiker: Skandal, dass eine Krankenschwester (»die wahre Leistungsträgerin unserer Gesellschaft«) so wenig verdient, »obszön«, dass die Reichen so wenig Steuern zahlen. Und wenn gar nichts mehr hilft: die »Partei von Willy Brandt« und der »Frieden«, liebe Genossinnen und Genossen. Und dann einfach mal hoffen, dass keiner merkt, dass in Deutschland unter Scholz Langstreckenwaffen stationiert werden sollen, die direkt auf Moskau zielen.

Überhaupt ist ein halbwegs funktionierendes Gedächtnis der Erzfeind von Rot-Grün: Die Grünen haben kein Tempolimit hingekriegt, nicht einmal die Verlängerung des Deutschlandtickets zu 49 Euro. Was ganz gut geklappt hat, waren fossile Energiedeals mit despotischen Regimen und nächtliche Charterflüge über 184 Kilometer.

Die FDP als Entschuldigung für das Krepieren der eigenen Politik zu nehmen, ist im Übrigen auch nur das Eingeständnis, dass man lieber gegen die angeblichen eigenen Überzeugungen regiert, als auf Macht zu verzichten. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Brasilien als vorsitzende Nation der G20 vorgeschlagen, dass Milliardäre mindestens zwei Prozent ihres Vermögens an ihren Heimatstaat abführen sollen. Das könne zu Einnahmen von 250 Milliarden Dollar führen, die zur Bekämpfung des Hungers, für Pandemievorsorge und Klimaschutz eingesetzt werden könnten. Klingt vernünftig. Frankreich, Spanien und Südafrika waren dafür, im Gegensatz zu den USA und Deutschland.

Bei der Weigerung, die Superreichen zumindest symbolisch zu besteuern, taugt nicht mal die FDP als billige Ausrede. Von 2018 bis 2021 gab es auf europäischer Ebene mehrere Versuche, eine Steuer auf Spekulationsgewinne (»Tobin-Tax«) einzuführen. Sie sind genauso gescheitert wie die, die Steuerschlupflöcher zu schließen. Verhindert hat sie der damalige deutsche Finanzminister: Scholz.

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