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Tischentennis: In der Arena Süd wird Olympia zu Asienspielen
Im Mixed besiegen die Chinesen Wang Chuqin und Sun Yingsha das Überraschungsteam aus Nordkorea
Es ist angerichtet für die erste Entscheidung im olympischen Tischtennis-Turnier: Die Halle 4 in der Pariser Südarena ist heftig runtergekühlt, während draußen bei 36 Grad an jeder Straßenbahnhaltestelle eine Durchsage läuft, man solle viel Wasser trinken und bitte jede direkte Sonneneinstrahlung meiden.
Im Mixed wird an diesem Dienstagnachmittag Olympiagold vergeben. 6400 Menschen verteilen sich auf die Tribünen, man wähnt sich bei Asienspielen: Japaner, Nordkoreaner und Südkoreaner massenhaft – und natürlich Chinesen: Die Volksrepublik ist die Weltmacht in dieser Sportart. Die Pressetribüne besetzen überwiegend asiatische Kollegen, selbst die Volunteers scheinen in dieser Halle aus Asien zu stammen: Unübersehbar, auf welchem Kontinent diese Sportart am beliebtesten ist, auch wenn man sich in Deutschland ja durchaus für eine starke Tischtennisnation hält.
Beim Einlaufen der Finalisten wird auch deutlich, wer hier am heutigen Nachmittag die Oberhand behalten will: China-Flaggen ringsum, die Halle kreischt, tobt. Viele haben sich Chinas Flagge in Herzform auf die Wange geklebt. Sie wollen ihre Idole sehen: Sun Yingsha und ihren Landsmann Wang Chuqin, in der Heimat Superstars. Beide stehen jeweils an der Spitze der Weltrangliste. Alles andere als der Sieg heute wäre eine Enttäuschung. Auf der Tribüne hat sich IOC-Präsident Thomas Bach samt Entourage niedergelassen.
Doch in all dem China-China-Jubel wird auch eine einzige nordkoreanische Fahne hochgehalten: Tatsächlich haben es hier heute Ri Jong Sik und Kim Kun Yong ins Endspiel geschafft, zwei in der Tischtenniswelt absolut unbekannte Größen. Weder der 24-jährige Ri noch seine Kollegin Kim (22) sind in der Weltrangliste geführt. Sie erscheinen schlicht nicht bei Turnieren der World-Table-Tennis-Serie. Doch auf dem Weg ins Finale hat das gemischte Doppel aus Pjöngjang sämtliche Konkurrenten geschlagen, zum Auftakt auch das an Nummer 2 gesetzte japanische Mixed-Duo. Was würden sie gegen die Chinesen ausrichten können?
Die Chinesen tragen rote Trikots, in die Goldfäden eingewebt sind, die Nordkoreaner tragen schlichtes Blau. Akkurat schütteln die Konkurrenten die Hände, diszipliniert wird sich warmgespielt, dann geht es los: Aufschlag China. Der erste Punkt geht an die Volksrepublik, die Halle ist ein einziges Kreischen. Ziemlich souverän ziehen die Chinesen ihr athletisches Spiel durch. Der erste Satz geht 11:6 an sie. Doch die Nordkoreaner halten dagegen: Den zweiten Durchgang holen sie sich mit beharrlicher Gegenwehr. 7:11. Ein paar Funktionäre in PRK-Trainingsanzügen tanzen auf der Olympic-Family-Tribüne ein Tänzchen.
Bei den Vorgängerspielen von Tokio hatten die Nordkoreaner noch gefehlt, wegen der Corona-Pandemie hatte das streng isolierte Land auf eine Teilnahme verzichtet, nachdem man 2018 noch ein gemeinsames Team mit dem Erzfeind Südkorea im Frauen-Eishockey gebildet hatte. Jedes Mal hofft man auf Entspannungsgesten bei Olympia. Doch Chinas gemischtem Doppel ist nicht nach Entspannungsgesten, 11:8 und 11:5 fertigen sie die Konkurrenten ab, der vierte und entscheidenden Gewinnsatz scheint nur noch Formsache, da kommen die Nordkoreaner noch einmal zurück: 7:11 steht nach Runde fünf auf der Anzeigetafel, weil vor allem Kim Kun Yong plötzlich auf höchstem Niveau mithält.
Immer wieder gibt es nun spektakuläre Ballwechsel, auch im sechsten Satz. Doch die Chinesen lassen sich nicht mehr beirren. Schließlich steht es 10:8, Matchball. Absolute Stille in der Halle. Aufschlag Nordkorea, dann aber verzieht Ri Jong Sik einen letzten Schmetterball. Aus der Traum vom nordkoreanischen Olympiagold: 11:8 für China, Wang und Sun reißen die Arme hoch. Die Volksrepublik hat sich erwartungsgemäß den ersten Tischtennistitel bei diesen Spielen gesichert.
Bei der Siegerehrung haben manche China-Fans in der Halle Tränen in den Augen. Doch immerhin, sie jubeln auch den Underdogs aus der Nachbar-Volksrepublik liebevoll zu. Als die Hymne erklingt, wird sie im Hallenrund innbrünstig mitgesungen. Und am Ende gibt’s sogar ein Happy End, als die drittplatzierten Südkoreaner Shin Yubin/Lim Jonghoon mit den Chinesen und den Nordkoreanern beim gemeinsamen Selfie mitmachen. Zwei Minuten lang fotografieren sich die sechs Protagonisten dieses Wettbewerbs aus allen Richtungen. Ein bisschen Frieden, wenigstens an diesem Dienstag in der Pariser Südarena.
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