Erdüberlastung wieder erreicht

Ab Donnerstag lebt die Menschheit mit ihrem Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß auf Pump

  • Joachim Wille
  • Lesedauer: 3 Min.
Kohlekraftwerke wie die hier in Lippendorf tragen zur Überlastung der Erde bei.
Kohlekraftwerke wie die hier in Lippendorf tragen zur Überlastung der Erde bei.

Der Erdüberlastungstag signalisiert, dass die Menschheit die erneuerbaren Ressourcen der Erde bereits verbraucht hat, die ihr rechnerisch gesehen für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen. Um die Ansprüche ohne »Überlastung« zu erfüllen, wären theoretisch 1,7 Erden notwendig. Da Industrieländer wie Deutschland das Dreifache beanspruchen, wird der Ruf nach einem effektiven Ressourcenschutzgesetz lauter.

Seit rund zehn Jahren fällt der symbolische Tag auf Ende Juli oder Anfang August. Eine gewisse Entspannung gab es nur während der Corona-Pandemie, als wegen der Lockdowns der Verkehr und die Industrieproduktion zurückgingen. Dadurch sank auch der ökologische »Fußabdruck« der Menschheit und der Tag fiel auf ein späteres Datum.

Die Berechnungen für den »Earth Overshot Day« stammen von der US-Organisation Global Footprint Network. Sie analysiert, ab wann die Menschheit für das restliche Jahr mehr Acker- und Weideland, Fischgründe und Wald beansprucht, als rechnerisch zur Verfügung stehen. Zugleich wird weitaus mehr CO2 ausgestoßen, als Wälder und Ozeane aufnehmen können. Ausgeglichen war die Bilanz nur bis zum Ende der 1960er Jahre. Als der Überlastungstag 1987 erstmals berechnet wurde, fiel er noch auf Ende Oktober.

Umweltorganisationen sehen Industrieländer in der Verantwortung, mit der Ressourceneinsparung voranzugehen.

Umweltorganisationen sehen Industrieländer wie Deutschland in der Verantwortung, mit der Ressourceneinsparung voranzugehen. Hierzulande gibt es mit dem Plan der Ampel-Regierung für eine »Kreislaufwirtschaftsstrategie« einen neuen Ansatz dafür. Der Entwurf dazu, im Juni vom Bundesumweltministerium vorgestellt, zielt auf eine Halbierung des deutschen Rohstoffverbrauchs bis 2045.

Nichtregierungsorganisationen wie der Umweltverband BUND und das entwicklungspolitische Netzwerk Inkota fordern, dass diese und weitere Vorgaben in der nun anstehenden Ampel-Ressortabstimmung erhalten bleiben. In einem Ressourcenschutzgesetz müssten zudem klare Schutzziele, Erreichungsjahre und Reduktionspfade sowie ein Monitoring, Berichtspflichten und Sanktionen festgelegt werden.

Laut BUND liegt ein Schlüssel in mehr Suffizienz – etwa durch längere Haltbarkeit und bessere Reparaturmöglichkeiten sowie Mehrwegsysteme. Ansonsten ließen sich die globalen, völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutz- und Biodiversitätsziele nicht erreichen. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte dazu: »Ein rechtlicher Rahmen ist dringend notwendig, um klare Verantwortlichkeiten zu schaffen und echte Anreize für eine nachhaltige, andere Art des Wirtschaftens zu setzen.«

Das Inkota-Netzwerk hat die möglichen Lösungen am Beispiel von Elektrogeräten durchdekliniert. Es gehe darum, die Produkte länger zu nutzen, wiederzuverwenden, zu reparieren und fachgerecht zu recyceln. »Doch dazu muss die Politik die Rahmenbedingungen verbessern und Hersteller in die Pflicht nehmen«, sagte Inkota-Fachreferent Julius Neu. Dazu brauche es strenge Vorgaben zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu angemessenen Preisen, ein Verbot reparaturfeindlicher Praktiken und einen bundesweiten Bonus, so Neu. Ein wichtiger Schritt dazu könne das für dieses Jahr angekündigte Reparaturgesetz sein.

Dass das Datum zuletzt nicht weiter nach vorne rückte, werten Umwelt-Fachleute als Zeichen dafür, dass der Ressourcenhunger der wachsenden Weltwirtschaft durch Effizienzgewinne immerhin ausgeglichen werden konnte. Allerdings steigt die akkumulierte CO2-Emissionslast in der Atmosphäre weiter und die verfügbaren Ressourcen schrumpfen.

Dennoch beginne der weltweite Siegeszug von erneuerbaren Energien, Speichertechnologien, E‑Mobilität und Wärmepumpen das fossile Geschäftsmodell zu untergraben, erklärte Christoph Bals, der politische Geschäftsführer der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Diese und weitere ermutigende Trends müssten beschleunigt werden, um irreversible Klima-Kipppunkte und weitere Artenverluste zu verhindern. »Schnelles, wirksames und sozialverträgliches Handeln ist gefragt, um die Freiheitsrechte der heute jungen Menschen und künftiger Generationen zu schützen«, sagte Bals.

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