Olympisches Sportswashing: Die Sponsoren des IOC

Das Internationale Olympische Komitee macht ein Milliardengeschäft mit Sponsoren, die nicht zu den Werten der Spiele passen

  • Felix Lill, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Der umstrittene Konzern ArcelorMittal ist Stahllieferant für den Eiffelturm und Mitentwickler der olympischen Fackel der Sommerspiele.
Der umstrittene Konzern ArcelorMittal ist Stahllieferant für den Eiffelturm und Mitentwickler der olympischen Fackel der Sommerspiele.

Aditya Mittal trägt Sonnenbrille und zeigt ein breites Lächeln, wenn man ihn diese Tage in Paris sieht. So auch schon beim Fackellauf am Tag der Eröffnungsfeier, als der 48-Jährige die von seinem Konzern mitentwickelte olympische Fackel stolz durch die französische Hauptstadt trug. Derzeit stehen etliche Sponsoren-Events für ihn an. Mittal ist Vorstandsvorsitzender von ArcelorMittal, einem weltweit führenden Stahlkonzern und Unterstützer der Spiele von Paris, die betonen, die nachhaltigsten jemals zu werden.

Der Manager muss in Paris darauf achten, ein gutes Bild abzugeben: ArcelorMittal zählt zwar zu den wichtigsten Sponsoren bei diesen Sommerspielen, ist aber auch seit Jahren umstritten. Vorgeworfen werden dem Konzern Klimaschädlichkeit und Menschenrechtsverletzungen. Zuletzt forderten nachhaltigkeitsorientierte NGOs im Juni diverse Banken auf, kein Geld mehr an ArcelorMittal zu verleihen. Die Gründe dafür: In Südafrika, Liberia, Mexiko und Brasilien seien diejenigen, die sich für Umweltschutz einsetzen, Gewalt ausgesetzt. Der Konzern vernachlässige zudem die Gesundheit seiner Arbeiter und der Menschen in der lokalen Umgebung. Und Ende 2023 starben beim Brand einer Mine in Kasachstan mehr als 40 Arbeiter.

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Das Geld von Banken ermöglicht nun aber auch, dass sich der Stahlriese Aufmerksamkeit kauft – als Sponsor von Olympia, dem größten Sportevent der Welt. ArcelorMittal betont auf seiner Website, Menschenrechte und Klimaschutz ernst nehmen zu wollen. Andrew Simms von der Kampagne Badvertising (schlechte Werbung), die auch Sportsponsoring kritisiert, ist misstrauisch. Im Juli sagte der Ökonom: »Mehrere Sportgroßevents, auch die Olympischen Spiele, versprechen in letzter Zeit, die grünsten jemals zu werden. Aber wenn man sich den Sport ansieht, verlässt er sich auf die Fossilindustrie, den Autosektor oder Fluglinien.« Es gebe einen riesigen Konflikt, wenn Sport von den Verschmutzern gesponsert wird, die mit ihren Emissionen sogar die Grundlage für den Sport selbst zerstörten. »Sie verschmutzen ja sogar die Luft, die Athletinnen atmen«, so Simmons.

Gerade wegen ihrer Auswirkungen aufs Klima stehen neben ArcelorMittal vor allem Air France und Toyota in der Kritik. Hinzu kommen Sponsoren wie Coca Cola, deren Kernprodukte sich kaum positiv auf den menschlichen Körper auswirken. In diesem Zusammenhang kommt immer wieder der Begriff Sportswashing auf, erklärt Sebastian Uhrich, Sportökonom an der Deutschen Sporthochschule Köln: »Sportswashing wird verwendet für eine Situation, wo Marken ein zweifelhaftes Image haben, irgendwie in der Kritik stehen, und wo man davon ausgeht, dass diese explizit negativen Assoziationen eben verbessert oder übertüncht werden sollen.« Insofern beschreibe es letztlich einen völlig normalen Prozess: dass man also Imageentwicklung betreibe mit dem Sponsoring für den speziellen Fall, dass die Marke von vornherein ein eher negatives Image hat.

Die Gründe, Olympia-Sponsor zu werden, seien aber vielfältig, meint Sportökonom Uhrich: »Zugang zu Konsumenten kann sein. Ein anderes Motiv kann aber durchaus sein, dass man sich mit dem assoziiert, was ein Event wie die Olympischen Spiele ausmacht an Attributen, dass man versucht, diese auf die Marke zu übertragen.« Sportlichkeit sei dabei nur eine Sache. Aber es gebe weitere Aspekte: »Wir haben die Verbindung der Völker, wir haben Fröhlichkeit, wir haben hoffentlich friedliche Spiele. Wir haben starke Emotionen. Das sind verschiedene Attribute, die auch für Marken interessant sein können.«

Immerhin will die olympische Bewegung für diverse Werte stehen, die in der modernen Welt geschätzt werden: Fairness, Respekt oder ständige Arbeit an sich selbst. In der Präambel der Olympischen Charta heißt es: »Der Olympismus strebt die Schaffung einer Lebensweise an, die auf der Freude an der Anstrengung, dem pädagogischen Wert des guten Beispiels, sozialer Verantwortung und der Achtung international anerkannter Menschenrechte und universeller ethischer Grundprinzipien im Rahmen der Olympischen Bewegung basiert.«

Zugleich sind Sponsoreneinnahmen für das Internationale Olympische Komitee (IOC) ein Milliardengeschäft, das auch noch wächst. Mit den sogenannten Top-Sponsoren, die das IOC in ihrem Geschäftsbereich exklusiv sponsern, spielte das IOC Mitte des vergangenen Jahrzehnts erstmals eine Milliarde US-Dollar ein. Für die aktuelle, mit den Spielen von Paris endende Periode sollen es Einnahmen von drei Milliarden werden.

Wenn es vorrangig um finanzielles Wachstum geht – setzt man sich dann nicht fast automatisch der Kritik aus, nicht sonderlich wählerisch bei den Geldquellen zu sein? Sebastian Uhrich erkennt ein grundsätzliches Spannungsfeld: »Das Problem ist, wo man welche Grenzen zieht. Ein Staat, wo es Menschenrechtsverletzungen gibt, da haben wir vielleicht noch einen Konsens, dass das kein guter, passender Sponsor ist.« Bei einem Fastfoodhersteller sei es schwieriger, findet der Sportökonom: »Da mag es Leute geben, die sagen, das passt eigentlich nicht zu Olympischen Spielen. Andere argumentieren aber vielleicht, dass sie einen Burger essen wollen, während sie Olympische Spiele schauen.«

In der Werbewelt versteht man längst sich auf diesem Spannungsfeld zu bewegen. Im Branchenmagazin »Sports Business Journal« empfahl Arthur Solomon, Manager bei der PR- und Lobbyfirma Burson, zuletzt in einem Aufsatz: Sponsoren sollten ihr Personal auf kritische Fragen aus den Medien vorbereiten und trainieren, auch was Vorwürfe des Sportswashing angeht: »Es ist außerdem eine gute Idee, bei Olympischen Spielen eine Person mit umfangreicher Erfahrung im Bereich Medientraining vor Ort zu haben.«

So ein PR-Experte solle im Kontakt mit Medien folgende Rolle spielen: »Den Sprecher vor einem Interview an die während der Trainingseinheiten gewonnenen Erkenntnisse erinnern und die Interviews währenddessen kritisch begleiten.« Das klingt nach hohem Bewusstsein dafür, dass das Sponsoring bei Olympia auch schnell zynisch wirken kann, eben wie Sportswashing.

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