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Olympia: Tischtennis-Wunderkind Felix Lebrun verliert in Paris

Gegen Chinas Superstar Fan Zhedong hat der 17-jährige Franzose im Halbfinale keine Chance

Aus im Halbfinale: Frankreichs Tischtennis-Liebling Felix Lebrun (r.) verlor gegen den Chinesen Fan Zhedong.
Aus im Halbfinale: Frankreichs Tischtennis-Liebling Felix Lebrun (r.) verlor gegen den Chinesen Fan Zhedong.

Ein 17-jähriger blonder Schlaks mit Brille hat sich bei diesen Spielen zu einem der Publikumslieblinge der französischen Fans gemausert, auch wenn er nun auf dem Weg zur erträumten Goldmedaille ausgebremst wurde: Felix Lebrun aus Montpellier verlor am Freitag in der tosenden Pariser Südarena 4 sein Halbfinalspiel gegen Fan Zhedong aus der großen Garde der chinesischen Weltklassespieler – ohne einen einzigen Satz zu gewinnen.

Ein 4:0 stand am Ende auf der Anzeigetafel, 11:8,11:6,11:7,11:5 in Sätzen ausgedrückt. Nur eine gute halbe Stunde dauerte die Deklassierung. »Heute war Fan besser als ich, er hat fantastisch gespielt. Ich war nicht so schlecht, aber wenn ich ihn schlagen will, muss ich mein Bestes geben«, befand Lebrun. »Das war heute nicht der Fall.«

6400 Fans hatten sich in der Halle zu Edith Piaf warm gesungen für ein großes Match ihres neuen Darlings: »Non, je ne regrette rien!« (Nein, ich bereue nichts!) intonierten sie mit Insbrunst, für weniger Textsichere lief der Song Zeile für Zeile auf der Anzeigetafel mit. Als Frankreichs Tischtennis-Wunderkind in die Arena schritt, trampelten sie mit den Füßen. Zu schön seine Geschichte: Gemeinsam mit seinem Bruder Alexis, der im Achtelfinale ausgeschieden war, eroberte der junge Mann aus Südfrankreich die Tischtenniswelt, anfangs trainiert vom Vater Stéphane Lebrun, einem ehemaligen Spitzenspieler.

Nach seinen bärenstarken Auftritten hatte Lebrun selbstbewusst das Finale als Ziel ausgerufen, von seinem Konkurrenten Fan trennen ihn in der Weltrangliste nur wenige Punkte: Der 27-jährige Fan ist Vierter, Lebrun als bester Nicht-Chinese Fünfter. Doch in diesem Halbfinale lief es überhaupt nicht für den großen Blonden aus Montpellier, am besten vielleicht noch im ersten Satz, als er immerhin bis zum 8:7 noch halbwegs in Reichweite eines Satzgewinns war. Doch dann gelang Fan ein glücklicher Punkt zum Ausgleich und schließlich mit seinem druckvollen Angriffsspiel der erste Satzgewinn. »Wenn ich den ersten Satz gewonnen hätte, wäre das Spiel vielleicht anders verlaufen«, sinnierte Lebrun später, »aber heute lief es eben nicht so.«

Fan hatte sich perfekt auf Lebruns Stärke eingestellt: den Penholder-Griff. Diese Schlägerhaltung ist im Elite-Tischtennis äußerst selten. Von den 172 Tischtennisspielern bei den Spielen von Paris halten nur sechs den Schläger so wie Lebrun: Er legt dabei Daumen und Zeigefinger um den Griff des Schlägers, als würde er einen Stift halten. Dadurch ist er beweglicher im Handgelenk und kann noch mehr Spin erzeugen. Einige Penholder-Spieler wurden schon Olympiasieger, zuletzt der Chinese Ma Lin bei den Spielen von Peking 2008. Seit jenem Jahr kam der Einzel-Olympiasieger immer aus China.

Die meisten Penholder-Spieler sind auf der Rückhand anfällig, nicht so Lebrun. Seine Rückhand ist seine Stärke, die Konkurrenz fürchtet ihn dafür. Im Olympiahalbfinale unterliefen Lebrun denn vor allem auch mit der Vorhand ungewöhnlich viele vermeidbare Fehler.

Ganz anders sein Konkurrent: Punkt für Punkt rückte Fan Zhedong mit seinem konsequenten Angriffsspiel dem Finale näher, der Franzose schüttelte ungläubig den Kopf, wenn ihm mal wieder ein Schmetterball misslungen war. Zu Beginn des vierten Satzes bäumte er sich ein letztes Mal gegen die Niederlage auf: 4:1 führte er, ehe Fan Zhedong kurzen Prozess machte. Den zweiten Matchball verwandelte er zum 11:5.

Der Chinese staunte selbst ein wenig, wie einfach er durch dieses Halbfinale spaziert war. »Das Ergebnis war für mich unerwartet. Ich dachte, jedes Spiel würde so hart sein wie mein 4:3-Sieg im Viertelfinale gestern.« Auf die Frage, wie er sich so gut auf Lebruns Penholder-Griff eingestellt habe, verwies er auf die Trainer: »Chinas Team hat große Erfahrung. Egal, gegen welche Spielertypen wir antreten, wir haben viele Ressourcen und Spieler, die uns helfen können, Lösungen zu finden. Man muss den Plan umsetzen. Das habe ich heute getan.«

Alles andere als das Verpassen des Finales wäre für sein tischtennisversessenes Heimatland eine Enttäuschung gewesen. Fan genießt in der Heimat schon den Status eines Superstars: Im April 2023 musste er seine Fans dazu aufrufen, »vernünftig zu sein und die Fankultur zu boykottieren«, nachdem jemand in sein Hotelzimmer in Peking eingebrochen war und seine Unterwäsche gestohlen hatte. 2021 wurde er auf einem Flughafen fast von einer Menschenmenge überwältigt. Im Internet postete er: »Ich flehe meine Fans an, mir zu erlauben, ein gewöhnlicher Mensch zu sein!«

Im Finale am Sonntag trifft Fan auf den Schweden Truls Moregard. Doch vor diesem großen Endspiel darf sich Frankreichs Tischtennis-Liebling im Spiel um Platz drei mit dem Brasilianer Hugo Calderano messen. Am Freitag sagte er, er sei froh, dass er nun Zeit habe, sich auf das letzte Match vorzubereiten. »Ich muss versuchen, dieses letzte Spiel zu gewinnen! Eine Medaille bei Olympia ist immer noch mein Traum.«

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