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Die nicht querdenken
Die rechtslibertäre Bewegung bringt immer noch Tausende auf die Straße
Es war sicher passend, dass die Querdenker-Demonstration am Wochenende durch den gutbürgerlichen Berliner Bezirk Charlottenburg zog. Gegründet von einem Unternehmer im wohlhabenden Stuttgart, bot die heterogene Bewegung in der Corona-Zeit all denen aus der gehobenen Mittelschicht einen Platz, die libertär-rechtspopulistischen Ideen nachhängen. Ähnlich wie die Tea-Party-Bewegung in den USA wird hier alles, was vom Staat kommt, zum Teufelszeug erklärt. Das meint auch Gründer Michael Ballweg, als er auf der Demo anlässlich des vierten Jahrestags der ersten Großveranstaltung sagte: »Mein Kernanliegen ist das Thema Grundrechte.«
Die aus der Kognitionswissenschaft stammende Denkmethode des Querdenkens macht eigentlich aus: lösungsorientiertes um die Ecke denken, Erfassen komplexer Zusammenhänge und Vermeidung von Ja-/Nein-Entscheidungen. Gerade Krisen fördern laut dieser Schule die Kreativität. Die deutschen Querdenker zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie leugneten, dass es eine Krise gab. Vielfach verstärkt durch Social-Media-Algorithmen, flimmerten immer krudere Dinge durch die während den Lockdowns gut gefüllten Wohnstuben.
Als die Pandemie zu Ende ging und mit ihr nach und nach alle Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden, wurde es zwar ruhiger um die Querdenker. Doch verschwunden sind sie nicht, wie der gestrige Protest gezeigt hat, aber auch die Skandalberichterstattung um die harmlosen RKI-Files. Zwar nimmt man jetzt auch eine Anti-Regierungs-Haltung zu aktuelleren Themen wie den Konflikten in der Ukraine oder Palästina/Israel ein, aber noch immer schweißt vor allem das Virus die Leute zusammen.
Dass damit immer noch Tausende auf die Straße zu locken sind, haben sich die einstigen Maßnahmenbefürworter zum Teil selbst auf die Fahnen zu schreiben. Statt geduldig und sachlich auf alle Einwände einzugehen, wurde öffentlich eigentlich nur darüber diskutiert, ob die Maßnahmen nicht strenger sein sollten. Die zumindest in der zweiten Phase der Pandemie unnötigen Schulschließungen ziehen bis heute massive psychische Folgen für sehr viele Jugendliche nach sich. Nach Corona war die Verweigerung einer Aufarbeitung daher ebenfalls Wasser auf die Mühlen derer, die an tumbe Verschwörungen glauben. Und die gesellschaftliche Spaltung hat sich dadurch eher noch vertieft. Auch deshalb wäre eine kritische, fachlich fundierte Aufarbeitung dessen, was damals richtig oder überzogen war und was versäumt wurde, nötig. Das ist aber nicht im Sicht, denn den einen geht es dabei um bloße Rechtfertigung des Regierungshandelns, den anderen um einen Schauprozess, in dem staatliche Akteure abgeurteilt werden. Die Debatte wird also nach wie vor bestimmt von denen, die eines gewiss nicht tun: querdenken.
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