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Zwei Wochen Vorbereitung für Auslieferung nach Budapest
Innenministerium in Sachsen antwortet zum Polizeieinsatz am 28. Juni
Das Landeskriminalamt (LKA) in Sachsen und Behörden in Berlin haben bereits Mitte Juni dieses Jahres mit der Einsatzplanung für die Auslieferung von Maja T. nach Ungarn begonnen und diese Zusammenarbeit »bis zum Einsatzbeginn fortgeschrieben«. Dabei wurden mögliche »Wege, Mittel und Übergabeorte« für den Gefangenentransport diskutiert, darunter auch der Einsatz der Hubschrauberstaffel der sächsischen Bereitschaftspolizei. Die Leitung der nächtlichen Polizeiaktion übernahm schließlich die Anti-Terrorismus-Abteilung des LKA in Sachsen.
Die Angaben stammen aus Antworten der sächsischen Landesregierung auf insgesamt vier parlamentarischen Anfragen von Jule Nagel (Linke) und Valentin Lippmann (Grüne). Die Abgeordneten hatten sich darin nach dem Ablauf der Auslieferung der 23-jährigen T., die seit Dezember in Dresden in Untersuchungshaft saß, erkundigt.
Den eiligen Vollzug eines Amtshilfeersuchens, das die Berliner Justiz dem LKA Sachsen am Tag vor der Auslieferung »in den Nachmittagsstunden« übermittelt hatte, begründet die Landesregierung mit einer »Gefährdungsbewertung«. Diese sei durch eine Bundesbehörde erstellt worden. Allerdings bleibt offen, ob es sich dabei um das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder eine andere Stelle gehandelt hat.
Die nicht-binäre Person Maja T. wurde im Morgengrauen des 28. Juni zunächst an die Grenzpolizei in Österreich überstellt und von dort an Behörden in Ungarn »durchgeliefert«. Hintergrund war ein entsprechender Beschluss des Berliner Kammergerichts. In Budapest soll T. im Zusammenhang mit dem rechten Aufmarsch »Tag der Ehre« der Prozess wegen Angriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Teilnehmer gemacht werden. Der Vorwurf lautet auf schwere Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen Organisation junger Erwachsener«.
Den Antworten auf die Anfragen zufolge fürchteten die Behörden »Störungen der Auslieferung« von T. durch Aktivisten aus dem »Themenfeld ›Antirepression‹«. Auch sollten Polizisten, Richter und Staatsanwälte vor Straftaten einer »linksextremistischen Szene« geschützt werden. Die Formulierung nimmt Bezug auf ein Posting auf der Internetplattform »Indymedia«, wonach für die Auslieferung an einem »Tag-X« zu Demonstrationen mobilisiert wurde.
Allerdings heißt es in der »Gefährdungsbewertung« auch, dass keine Erkenntnisse »auf die beabsichtigte Begehung konkreter Straftaten gegen die Auslieferung« vorgelegen hätten. »Unser Verdacht hat sich bestätigt, dass Erkenntnisse über konkrete Straftaten gegen die Auslieferung eben nicht vorlagen. Die anfängliche Behauptung der Behörden, eine nächtliche Überstellung mittels Hubschraubers sei einer Gefahrensituation geschuldet gewesen ist also Humbug. Es ging allein darum, hier den Rechtsschutz zu vereiteln«, sagt Sven Richwin, der Berliner Rechtsanwalt von Maja T., auf Anfrage des »nd«.
Gegen den Beschluss des Kammergerichts hatten die Anwälte von T. am Tag der Auslieferung eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Dessen positive Entscheidung kam zwar noch am frühen Vormittag des 28. Juni, zu diesem Zeitpunkt hatten die sächsischen Behörden jedoch schon Tatsachen geschaffen. Diese Hast sorgte anschließend für Kritik.
Am Freitag hat die 1. Kammer des Zweiten Senats aus Karlsruhe die Begründung für ihre Entscheidung veröffentlicht. Darin äußern die Richter »erhebliche Bedenken« an der schnellen Überstellung von Maja T. an Österreich und Ungarn. Dies entspreche nicht den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes. Auch hindere es das höchste deutsche Gericht an der Ausübung seiner grundrechtsspezifischen Kontrollfunktionen gegenüber anderen Gerichten.
Das Verfassungsgericht regt eine Überprüfung an, um festzustellen, ob das Berliner Kammergericht bei seiner Entscheidung gegen Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta verstoßen haben könnte. In diesem Artikel heißt es, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.
Dies war einer der Hauptkritikpunkte der Anwälte von Maja T.: Andere Angeklagte in dem Budapester Prozess zum »Tag der Ehre« hatten sich über menschenunwürdige Bedingungen im Gefängnis der Hauptstadt beschwert. Befürchtet wurde, dass T. aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität besonders schikaniert würde. Hierzu hat das Kammergericht zwar eine »Garantieerklärung« aus Ungarn eingeholt. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch Zweifel an der Detailgenauigkeit dieser Zusicherung.
Inzwischen haben sich die Befürchtungen bestätigt, schreiben Unterstützer von T., die demnach in Briefen von verschimmeltem Essen, Ungeziefer in der Zelle und »Isolationshaft« berichtet. Mitgefangene würden vom Personal der ungarischen Anstalt mehrfach geschlagen. »Die Unterbringungsrealität in der U-Haft ist schlimmer als in der normalen Haft«, sagt Rechtsanwalt Richwin. Maja T. werde rund um die Uhr videoüberwacht.
Wie wenig wert die »Garantieerklärung« der Justiz in Budapest ist, zeigt sich auch an einer Entscheidung über einen Antrag auf Umwandlung der Haft in einen Hausarrest mit einer Kaution von umgerechnet 76 000 Euro und der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Ein erstinstanzliches Gericht hatte noch zugestimmt, nach einem Widerspruch der Staatsanwaltschaft wurde der Antrag jedoch verworfen. Gegen diese Entscheidung haben die ungarischen Anwälte von T. Berufung eingelegt. Ihre deutschen Anwälte haben vergangene Woche eine Verfassungsbeschwerde gegen den Berliner Auslieferungsbeschluss nach Karlsruhe geschickt.
Wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung« hat die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem »Tag der Ehre« im Mai außerdem in Nürnberg die 29-jährige Hanna S. festnehmen lassen. Ein Auslieferungsersuchen aus Ungarn gibt es aber noch nicht.
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