Phantomdebatte

Jana Frielinghaus über Forderungen nach Kürzungen für Frührentner

Viele Ruheständlerinnen wie diese Frau in Hessen gehen weiter arbeiten; die Lebensarbeitszeit steigt, und doch finden manche »Experten«, dass Leute, die früher in Rente gehen wollen, mit stärkeren Einbußen bestraft werden sollten.
Viele Ruheständlerinnen wie diese Frau in Hessen gehen weiter arbeiten; die Lebensarbeitszeit steigt, und doch finden manche »Experten«, dass Leute, die früher in Rente gehen wollen, mit stärkeren Einbußen bestraft werden sollten.

Mit Vorliebe räsonieren insbesondere FDP- und Unionspolitiker über den vermeintlich zu hohen Anteil von Frührentnern in Deutschland und die hohen Kosten, die sie fürs Gemeinwesen verursachen. Schützenhilfe bekommen sie von »Wirtschaftsweisen« wie Martin Werding, der beklagt, es könne doch in Zeiten des Fachkräftemangels nicht angehen, dass gesunde Gutverdiener mit 63 in den Ruhestand eintreten. Der »Top-Ökonom« weiß natürlich, dass es nicht vorrangig topfitte Büroangestellte sind, die nach 45 Jahren Maloche die Möglichkeit zum Absprung aus der Tretmühle nutzen.

Wer Menschen durch noch höhere Abschläge am früheren Renteneintritt hindern will, fordert damit eine weitere Enteignung der Ärmeren, die in Deutschland ohnehin nach den »Reformen« der letzten Jahrzehnte im europäischen Vergleich beschämend kleine Ruhegelder bekommen. Die große Mehrheit derer, die für den vorzeitigen Rentenbeginn trotz ohnehin karger Alterseinkünfte Abschläge in Kauf nehmen, tut das nicht aus Lust auf süßen Müßiggang. Die Menschen können schlicht nicht mehr oder haben eben nach mindestens 35 Beitragsjahren keinen Bock mehr auf endlose Schufterei zum Nutzen von Aktionären und Managern.

Die Bereitschaft, bis zum regulären Renteneintritt und darüber hinaus weiterzumachen, lässt sich nur durch positive Anreize steigern. Die gibt es bereits, und die Ampel will sie weiter ausbauen. Dagegen werden durch höhere Abschläge für Ausstiegswillige nur jene zum Weiterarbeiten genötigt, deren Rente dann nicht mehr zum Leben reichen würde. Spitzenverdiener und Beamte, deren Pensionen im Schnitt dreimal so hoch sind wie Renten nach 45 Beitragsjahren, können es sich dagegen auch dann noch problemlos leisten, mit 63 auszusteigen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.