Iran: Kriegsdrohungen nach außen, Todesstrafe nach innen

Das iranische Regime verhängt die Höchststrafe gegen kurdische Aktivistinnen

  • Tim Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Todesstrafen haben in der Islamischen Republik eine traurige Tradition. Derzeit läuft eine regelrechten Hinrichtungsoffensive des iranischen Regimes vor allem gegen kurdische Aktivist*innen.
Todesstrafen haben in der Islamischen Republik eine traurige Tradition. Derzeit läuft eine regelrechten Hinrichtungsoffensive des iranischen Regimes vor allem gegen kurdische Aktivist*innen.

Das iranische Regime zieht wieder die Daumenschrauben an. Ein Revolutionsgericht im Iran hat nach Vorwürfen des bewaffneten Widerstands gegen das islamische System die Todesstrafe gegen eine Sozialarbeiterin verhängt. Das teilten die Anwälte der jungen iranisch-kurdischen Frau Pakhschan Azizi schriftlich mit. Zugleich hofften die beiden Verteidiger demnach, vor dem obersten Gerichtshof der Islamischen Republik eine Revision des Urteils erzwingen zu können.

»Wer den Weg der Wahrheit und der Freiheit gegangen ist, hat dem Leben als auch dem Tod eine andere Bedeutung gegeben. Wir haben keine Angst vor dem Tod, wir haben Angst vor einem Leben in Schande und Sklaverei.« Mit diesen Worten wendet sich Pakhschan Azizi aus dem Evin-Gefängnis in Teheran an die Öffentlichkeit. Die kurdische Sozialarbeiterin und Journalistin wurde am 4. August 2023 durch den iranischen Geheimdienst in Teheran verhaftet und am 21. Juli dieses Jahres von einem sogenannten Islamischen Revolutionsgericht des Tatbestands »Bewaffneter Aufstand gegen das System« schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. In ihrem Brief, der am 22. Juli auf der Internetseite der Menschrechtsorganisation Hengaw veröffentlicht wurde, beschreibt die seit über einem Jahr inhaftierte politische Gefangene ihren Werdegang und ihre Motivation und schildert die Bedingungen ihrer Haft. Laut Angaben des Kurdistan Human Rights Network (KHRN) war Azizi während ihrer Haftzeit schwerer körperlicher und psychischer Folter ausgesetzt.

Azizi, 1984 in Mahabad geboren, hat bereits mehrfach Bekanntschaft mit der Scheinjustiz des Regimes machen müssen. So wurde sie bereits im November 2009, am Rande von Studierendenprotesten gegen die Hinrichtung politischer Gefangener, verhaftet und kam im März 2010 auf Zahlung von Kaution frei. Das Gericht beschuldigte Azizi nun der Mitgliedschaft in der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), einer linken revolutionären Partei im östlichen Teil Kurdistans. Die Partei hat sich dem Demokratischen Konföderalismus Abdullah Öcalans verschrieben und arbeitet eng mit verbündeten Organisationen in den anderen Teilen Kurdistans zusammen. Azizi lebte in den vergangenen Jahren in der Region Kurdistan im Irak und hatte sich während der Angriffe des Islamischen Staats (IS) in Nord- und Ostsyrien als Sozialarbeiterin in Flüchtlingslagern in der Region betätigt. Das Gericht wollte in ihrer humanitären Tätigkeit einen weiteren Beleg für ihre Zugehörigkeit zur kurdischen Freiheitsbewegung erkennen.

Das Todesurteil gegen Azizi ist kein Einzelfall, sondern Teil einer regelrechten Hinrichtungsoffensive des iranischen Regimes. Bereits am 4. Juli wurde die Arbeiteraktivistin und Frauenrechtlerin Scharifeh Mohammadi vom Revolutionsgericht in der nordiranischen Stadt Rascht aufgrund desselben Vorwurfs mit der Todesstrafe belegt. Mohammadi soll laut Anklage vor 13 Jahren dem »Koordinationskomitee zur Bildung von Arbeiterorganisationen« – einer in Iran legalen Organisation zur Unterstützung von Arbeiterverbänden und gewerkschaftlichen Organisationen – angehört haben. Die Aktivistin ist Angehörige der Gilaki-Minderheit, einer am Kaspischen Meer lebenden Volksgruppe, und wurde im Dezember 2023 verhaftet. Das Gericht wirft Mohammadi vor, Mitglied der seit den 60er Jahren aktiven kommunistischen Partei Komala zu sein.

Die Todesurteile gegen Pakhschan Azizi und Scharifeh Mohammadi sind seit 14 Jahren die ersten Fälle, bei denen die Höchststrafe aufgrund politischer Tatbestände gegen Frauen verhängt wurde. Für die Gemeinschaft Freier Frauen Ostkurdistans (KJAR), ein Dachverband unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher und politischer Frauenorganisationen im kurdischen Teil des Irans, sind die Urteile Symptom einer »besorgniserregenden Eskalation der Unterdrückung der Frauen«; die KJAR sieht in der »Todespolitik« des Regimes einen Rachefeldzug für die Protestwellen der vergangenen Jahre.

»Die frauenfeindliche Regierung der Islamischen Republik versucht, die Frauen durch Folter, Vergewaltigung und Mord zu vernichten«, erklärte Reha Çiya von der Europaorganisation der KJAR gegenüber dem »nd«. Für sie ist das harte Urteil klar politisch motiviert: »Pakhschan erhielt die Höchststrafe, weil sie Kurdin und Frau ist. Scharifeh wird bestraft, weil sie für den Aufschrei der Armen und ihre ungehörten Stimmen kämpft«, so Reha Çiya. So wie die Frauen sich im Gefängnis »wehren und sich untereinander solidarisieren«, werde die KJAR weiter für die »Freiheit aller politischen Gefangenen kämpfen«.

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