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FC Carl Zeiss Jena: Hoffnung auf den Meistertitel
Der Autor unserer Kolumne »Ballhaus Ost« verliert sich in enthusiastischer Hoffnung
Fröhlich klingen die Gläser. Thüringen feiert, der FC Carl Zeiss Jena ist Spitzenreiter in der Regionalliga Nordost, in Jena und Umgebung wurde spontan die Arbeit niedergelegt, selbst Bodo R. hat seinen Wahlkampf unterbrochen, um sich dem Müßiggang hinzugeben. Die kargen Jahre sind vorbei, es gibt wieder ein Leben in Ostdeutschlands grüner Lunge. Auf der Suche nach unklaren Ressourcen haben sich die jungen Zeisskicker an der Ostsee ins Glück verrannt. Und auch ich tobte am vergangenen Wochenende durchs bräsige Greifswald, wo man bereits vor dem Spiel im Dom erfahren durfte, wer den Platz als Sieger verlassen sollte.
Der isländische Künstler Ólafur Elíasson lässt die Fenster im Dom St. Nikolai in Greifswald in Blau-Gelb-Weiß wohlfeil ins Land des Fischers und seiner Frau erstrahlen. Zu Ehren des FC Carl Zeiss und auch ein bisschen wegen Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag, wurden sie kürzlich eingeweiht und künden seitdem vom Regionalligameister 2024/2025.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Fünf lange Jahre weinten wir blutige Tränen, nun sind wir die Jäger und Sammler der Meisterschale. Wir vergessen das Suchen und entdecken das Finden, machen uns nicht mehr zu Opfern der Ballarbeit, sondern zu Freunden des Gelingens, sprach unser schlauer Zeugwart (oder so ähnlich).
Wie frische Buttermakrelen schlängelten sich die Jenaer durch den drögen Abwehrhaufen der Küstenbewohner, die stocksteif wegen Reichtum (vor der Saison haben sie unseren geliebten Kapitän und Abwehrchef weggekauft) in ihrem Schutthaufenstadion (neben dem Gästeblock lauerte ein lausiges Loch statt Traversen) in der Nase bohrten, indes wir ungestört drei Tore schossen.
Hunderte Jenaer feierten fleißig wie wilde Götter und vergaßen dabei freilich nicht, den beängstigend kleinkarierten Nordostdeutschen Fußballverband zu schmähen, der in unnachahmlicher Manier das heimische Derby gegen die Rotweißen aus der Stadt des Bösen vom Wochenende auf den ersten Septembermittwoch um 17 Uhr verlegt hatte. Vielen ehrlichen Arbeiterinnen, Familienvätern, fleißigen Lehrlingen und Studentinnen wird durch diese dünnbrettlerische Anstoßzeit des wichtigsten Heimspiels der Fußballgenuss vermiest. Der Grund für die Verlegung ist die Wahl in Thüringen, die der NOFV natürlich nicht auf dem Plan hatte, als er einen schlechten Fernsehvertrag mit Ostsport TV aushandelte, der allen Insassen des Regionalligaknastes satte 8000 Euro bringt. Nicht pro Spiel, im gesamten Spieljahr.
Die Entrüstung ist groß, wir werden dem NOFV in die Flanke fallen, ich erkenne in meiner Glaskugel die neue Anstoßzeit: 19 Uhr.
Gelackmeierte und Gelackmeierinnen, uns stehen überragende Zeiten bevor, auch wenn die Holzhacker bereits drei unserer geliebten Spieler zusammentraten und ins Krankenhaus schickten, wird uns das noch stärker machen. Wollt ihr den Kreidefelsen und die Insel Hiddensee nach Jena holen oder nicht? Im Mittelalter wurden fliegende Frauen von Pfaffenknechten auf kleiner Flamme gebraten, heute sitzen sie im Cockpit und spucken den Pfaffen von oben auf die Köppe.
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