Berliner S-Bahn: Teuer sparen bei neuen Fahrzeugen

Schwarz-Rot prüft bei der Bestellung der neuen Flotte ein zweifelhaftes Finanzmanöver

Berlin will sich die Anzahlung für neue S-Bahn-Fahrzeuge sparen, müsste dann später aber draufzahlen.
Berlin will sich die Anzahlung für neue S-Bahn-Fahrzeuge sparen, müsste dann später aber draufzahlen.

Still ruht die See in der politischen Sommerpause nur nach außen hin. Denn im Hintergrund werden fieberhaft die Posten des Landeshaushalts 2025 auf Einsparmöglichkeiten geprüft. Rund drei Milliarden Euro – über sieben Prozent des geplanten Haushaltsvolumens von 40,5 Milliarden Euro – müssen gestrichen werden, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Beim anstehenden Vertragsschluss für den Betrieb von zwei Dritteln des Berliner S-Bahn-Netzes zeichnet sich nun ab, wie kurzfristige Ausgaben von 80 Millionen Euro aus dem Berliner Landeshaushalt in die Zukunft verschoben werden sollen. Wie »nd« bereits exklusiv berichtet hatte, wurde der Termin für die Abgabe verbindlicher Vertragsangebote für den Betrieb und für anzuschaffende Fahrzeuge für die beteiligten Unternehmen kürzlich um mehr als einen Monat nach hinten verschoben – auf den 8. Oktober. Das bestätigte Petra Nelken, die Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung, auf Anfrage von »nd«.

Hintergrund soll nach Informationen mehrerer mit dem Vorgang Vertrauter die Prüfung sein, ob Berlin sich eine geplante Anzahlung von 80 Millionen Euro für die Produktion von bis zu 1400 neuen S-Bahn-Wagen zunächst sparen kann. Laut einer vertraulichen Unterlage der Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin, der die Fahrzeuge gehören sollen, werden die Kosten mit Stand Januar 2024 für die Flotte auf 5,4 Milliarden Euro geschätzt.

Ursprünglich sind 2021 vom Senat 313 Millionen Euro für S-Bahn-Fahrzeuge zurückgelegt worden. Im aktuellen Doppelhaushalt werden bis auf 80 Millionen Euro die restlichen Rücklagen bereits geplündert. Nun scheint auch die restliche Summe, die als Anzahlung und Vorfinanzierung für die Fahrzeugbauer gedacht war, zur Disposition zu stehen. Anscheinend sollen die Hersteller die Vorfinanzierung selbst stemmen. Sobald der Betrieb läuft, werden die Fahrzeuge über die Bestellentgelte abgezahlt. Die Verschiebung der Abgabe der definitiven Angebote soll den bietenden Fahrzeugherstellern wohl die Möglichkeit einräumen, die entsprechenden Mehrkosten kalkulieren zu können.

»Es ist ein Skandal, dass der schwarz-rote Senat sämtliche Gelder, die Rot-Grün-Rot für die neuen S-Bahn-Fahrzeuge zurückgelegt hat, nun kurzfristig verfrühstücken will«, kommentiert Kristian Ronneburg die Pläne gegenüber »nd«. Mit den 80 Millionen »sollte mittelfristig der Landeshaushalt entlastet werden«, erläutert der Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Die Koalition ignoriere damit, dass die Fahrzeughersteller ihre Angebote neu kalkulieren werden müssen, da deren Kapitalkosten und damit die Angebotspreise steigen würden. Privatunternehmen zahlen in der Regel höhere Kreditzinsen als das Land Berlin, außerdem schlagen sie noch einen kalkulatorischen Gewinn auf die Kosten.

»Die neuen S-Bahn-Fahrzeuge würden also entsprechend teurer werden«, sagt Ronneburg. Das würde dazu führen, dass die Landesanstalt Schienenfahrzeuge noch höhere Kredite als bisher geplant aufnehmen müsste, sobald die Fahrzeuge auf dem Berliner Netz eintreffen. Das hätte wiederum höhere Zahlungen des Landes während der Laufzeit der Verkehrsverträge ab 2030 zur Folge. »Diese ›Einsparung‹ wird also kurzfristig nur der jetzigen Koalition helfen, mittelfristig wird es für Berlin teurer werden«, sagt der Linke-Politiker.

Dem Vernehmen nach ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, ob die avisierte Lösung gewählt wird. Der Plan könnte vom Senat noch ad acta gelegt werden. Fast sicher ist, dass die kurzfristigen Sparbemühungen von Schwarz-Rot noch weitere zweifelhafte Finanzierungsblüten treiben werden, die den Landeshaushalt mittelfristig zusätzlich belasten werden.

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