US-Raketen: SPD-Spitze unterstützt Stationierung

Präsidium der Partei stellt sich hinter Vereinbarung zur Verlegung weitreichender US-Waffen nach Deutschland

US-Tomahawk-Rakete nach dem Abschuss: Diese Waffen reichen, sind sie in Deutschland stationiert, bis nach Moskau.
US-Tomahawk-Rakete nach dem Abschuss: Diese Waffen reichen, sind sie in Deutschland stationiert, bis nach Moskau.

Rolf Mützenich hatte eindringlich gewarnt: Komme es zur Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland, wie von der Regierung in Washington angekündigt, würde das die »Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation« beträchtlich erhöhen. Die Bundesrepublik könne dadurch zum Ziel russischer Angriffe werden, so der Chef der SPD-Bundestagsfraktion.

Mützenichs Genossen Olaf Scholz und Boris Pistorius hatten diese Bedenken bereits als unerheblich abgetan. Der Bundeskanzler hatte der Stationierung während des Nato-Gipfels in Washington am 10. Juli zugestimmt und sie als logischen und absehbaren Schritt bezeichnet. Verteidigungsminister Pistorius erklärte, nachdem Mützenich eine Parlamentsdebatte über die Stationierung eingefordert hatte, diese sei nicht zustimmungspflichtig.

Nun hat sich die SPD-Spitze hinter die Stationierungsentscheidung gestellt. In einem Beschluss vom Montag heißt es: »Als SPD übernehmen wir Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss. Die Vereinbarung der SPD-geführten Bundesregierung mit der US-Administration, ab 2026 US-amerikanische Raketen mit größerer Reichweite in Deutschland zu stationieren, ist dafür ein wichtiger Baustein.«

Die am Rande des Nato-Gipfels geschlossene Vereinbarung besagt, dass in Deutschland ab 2026 wieder Waffensysteme stationiert werden, die weit bis nach Russland reichen. Genannt wurden Tomahawk-Marschflugkörper, SM-6-Raketen und neue Hyperschallwaffen. Der Kanzler hatte argumentiert, sie dienten der Abschreckung. Es gehe darum, einen Krieg zu verhindern. Pistorius hatte von einer »Fähigkeitslücke« der europäischen Staaten gesprochen, die geschlossen werden müsse.

Im Beschluss des SPD-Präsidiums unter dem Titel »Wir organisieren Sicherheit für Deutschland und Europa« heißt es, die Stationierung sei keine »konfrontative Aufrüstung«, sondern eine Stärkung der Verteidigung Deutschlands und der Bündnisfähigkeit von Nato und EU mit Systemen, über die Russland seit Jahren verfüge. »Die geplanten Waffen werden mit konventionellen Sprengköpfen ausgestattet und in bestehenden US-Militäreinrichtungen im Westen Deutschlands stationiert.« Eine nukleare Bewaffnung der Systeme sei »nicht vorgesehen«.

Weiter erklärt die SPD-Spitze, die Stationierung sei »eine Reaktion auf den eklatanten Völkerrechtsbruch Russlands in der Ukraine«. Dies ist falsch. So teilten die wissenschaftlichen Dienste des US-Kongresses am 10. Juli mit, die Verlegung der Raketen nach Deutschland sei bereits im April 2021 beschlossen worden.

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die Pläne bereits vor einigen Tagen verteidigt. Die Bundesregierung müsse aber besser erklären, worum es gehe. Im Präsidiumsbeschluss heißt es nun, die SPD werde in den kommenden Wochen und Monaten Raum für den Dialog mit Mitgliedern und Bürgern schaffen. Auch der Bundestag werde sich nach der parlamentarischen Sommerpause umfassend mit dem Thema befassen.

FDP und Grüne hatten sich bereits hinter die Stationierungsentscheidung gestellt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte betont, er tue sich »nicht leicht« mit einer solchen Entscheidung, sie sei aber für die Sicherheit nötig.

Innerhalb der SPD positioniert sich neben Mützenich insbesondere Ralf Stegner klar dagegen. Der Bundestagsabgeordnete gehörte lange dem SPD-Präsidium und der Landesregierung von Schleswig-Holstein an. In der ARD-Sendung »Hart aber fair« stellte der CDU-Politiker Norbert Röttgen Stegner als jemanden dar, der in den 80ern mit seiner Beteiligung an Demonstrationen gegen die Stationierung von US-Nuklearraketen dem damaligen SPD-Kanzler Helmut Schmidt in den Rücken gefallen sei und derzeit gegen den amtierenden SPD-Regierungschef agiere. Stegner blieb dabei: Deutschland brauche nicht immer noch mehr Waffen, sondern müsse auch auf dem Feld der Diplomatie wieder mehr tun, um zu Abrüstung zu gelangen.

Auch der Bremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Arno Gottschalk meldet sich immer wieder mit scharfer Kritik an der geplanten Stationierung zu Wort. Auf der Plattform X argumentiert er in fundierten Beiträgen dagegen. Er zeichnete die Geschichte des Ausstiegs der USA wie Russlands aus dem INF-Abrüstungsvertrag und der Stationierung von US-Raketenabwehrschirmen inklusive Angriffswaffen in Tschechien und Rumänien nach.

Scharfe Kritik am Präsidiumsbeschluss kam von Sahra Wagenknecht. Es sei beängstigend, dass die SPD sich völlig »ihres einstigen Inhalts entleert« habe, sagte die Bundestagsabgeordnete und Gründerin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) am Dienstag im Deutschlandfunk. Mit der Stationierung der US-Waffen mache man sich zum Ziel russischer Angriffe. Die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erklärte Wagenknecht zur »Abstimmung über Krieg und Frieden«. Wenn das BSW dort stark abschneide, werde das auch die Debatte auf Bundesebene beeinflussen.

Einer Civey-Umfrage unter 5000 Bürgern von Anfang August zufolge sprachen sich in Ostdeutschland 60 Prozent der Befragten klar gegen die Stationierungspläne aus. In Westdeutschland waren es nur 36 Prozent, 50 Prozent sind dort dafür. Das BSW hat den Verzicht auf die Stationierung zur Bedingung für Koalitionen auf Landesebene gemacht. Allerdings unterstützt die CDU, mit der in Thüringen und Sachsen eine Koalition mit dem BSW durchaus wahrscheinlich ist, die Stationierung der Raketen. mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.