Russland will Youtube den Stecker ziehen

Auch der Messenger Signal ist betroffen. Das Vorgehen erinnert an den erfolglosen Kampf gegen Telegram

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 4 Min.
Oppositionelle wie Maxim Katz wenden sich fast täglich in Videobotschaften an ihre Anhänger. Mit der Drosselung von Youtube wird ihre Reichweite in Russland massiv eingeschränkt.
Oppositionelle wie Maxim Katz wenden sich fast täglich in Videobotschaften an ihre Anhänger. Mit der Drosselung von Youtube wird ihre Reichweite in Russland massiv eingeschränkt.

Es hakt bei Youtube in Russland. Seit Tagen beklagen User, dass die Videoplattform nur noch sehr langsam läuft, wenn sie überhaupt aufrufbar ist. Zumeist können Videos nur noch über VPN abgespielt werden. Und Youtube ist nicht allein. Nur einen Tag nachdem die Probleme bei der US-Plattform aufgetreten waren, verbot der Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Informationstechnologie und Massenkommunikation (Roskomnadsor) den Messanger-Dienst Signal. Man habe die Entscheidung wegen des »Verstoßes gegen die Anforderungen der russischen Gesetzgebung getroffen, deren Erfüllung notwendig ist, um die Verwendung des Antrags für terroristische und extremistische Zwecke zu verhindern« – so lautet die sperrige Begründung.

Die Probleme sind nicht überraschend. Schon im September 2021 hatte die Regierung gedroht, Youtube eines Tages im Land zu blockieren, nachdem die Plattform zuvor die deutschsprachigen Kanäle des Staatssenders RT (Russia Today) gesperrt hatte. Mit dem Ukraine-Krieg eskalierte der Kampf gegen die »Propaganda« massiv. Youtube-Inhaber Google schränkte seinen Werbedienst Adsense stark ein (um den Eindruck der Finanzierung russischer Autoren und Seiteninhaber zu vermeiden) und begann gegen staatliche und staatsnahe Kanäle vorzugehen.

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Blockade trifft die russische Opposition

Betroffen war und ist aber auch die russische Opposition, deren Arbeit fast unmöglich gemacht wurde. Neben Telegram ist Youtube das wichtigste Medium der Opposition. Aktivisten, die keine Möglichkeit mehr hatten, zu Demonstrationen zu gehen, Organisationen und Parteien legal aufzubauen, Zeitungen herauszugeben oder Wahlkämpfe zu führen, meldeten sich stattdessen im Wochen- oder auch Tagestakt per Video zu Wort. Sie kommentieren die Lage, erklären ihren Anhängern, welche Handlungsmöglichkeiten es gibt und wie man mit den Repressionen umgeht. Youtube-Kanäle sind faktisch zu Protoparteien geworden. Und Signal war der sichere Kanal für die politische Kommunikation.

Bereits im Juli hatte das staatsnahe Nachrichtenportal »Gazeta.ru« unter Berufung auf eine Quelle in der Präsidialverwaltung von Plänen berichtet, Youtube im Herbst komplett zu blockieren. Staatliche Stellen äußerten sich damals nicht dazu. Einzig Alexander Chinstein, Vorsitzender des Duma-Ausschusses für Informationspolitik kündigte am 25. Juli eine Drosselung von Youtube um 70 Prozent an. Es gehe um »den Auflösungsprozess von Youtube«, der ein »notwendiger Schritt« sei, da sich das Videoportal nicht an russische Gesetze halte.

Der Staat arbeitet an eigenen Plattformen

Als die Drosselung schließlich eintrat, ruderte Chinstein schnell zurück und sprach von technischen Gründen als Ursache, was Google umgehend verneinte. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow leugnete die Absicht, Youtube abzudrehen. Als sich vor gut zwei Wochen die Beschwerden von Nutzern häuften, erklärte Peskow, dass auf seinen Geräten alles reibungslos laufe.

Mehr Reaktionen rief ein X-Post von RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan hervor, die schrieb: »Youtube kaputt. Weil jetzt ist genug.« Für die Opposition das eigentliche Statement des Kreml. Auch, da Simonjans RT bereits einen Youtube-Ersatz namens Platforma erarbeitet. Westliche Nachrichten oder Oppositionskanäle finden sich dort nicht, dafür ist Platforma geradezu mit pornografischem Content geflutet.

Um die Internetnutzer von Youtube »wegzuleiten«, geizt der Staat nicht mit finanziellen Mitteln. Das 2014 gegründete Institut für die Entwicklung des Internets gibt riesige Summen für Unterhaltungscontent aus, der dann exklusiv auf Rutube und Vkontakte Video zu sehen ist. Doch Youtube komplett lahmzulegen, birgt auch ein Risiko. Täglich sind Millionen »unpolitische« Russen auf der Plattform, um Handwerks- oder Fittnesstipps, Kochrezepte oder Animationsfilme für die Kinder aufzurufen. Oppositionelle Medien wie »Meduza« spekulieren bereits über die Sprengkraft von »Schweinchen-Wutz-Protesten«. Die bei gestressten Eltern sehr gefragte Serie ist bisher nicht auf Platforma und Rutube zu finden.

Vorgehen gegen Youtube erinnert an Telegram

Tatsächlich sammelte eine Petition auf change.org gegen die Verlangsamung von Youtube seit dem 29. Juli über eine halbe Million Unterschriften. In der Duma protestierte die Fraktion der Partei Neue Menschen, die als loyal-liberal gilt, gegen die Maßnahmen – mit Verweis auf den Schaden für russische Unternehmer. Mehrere Demonstrationen in verschiedenen russischen Städten, zu denen unter anderem maoistische Gruppierungen aufgerufen hatten, wurden unter Strafandrohungen von den Behörden verboten.

Viele Menschen in Russland erinnert das Vorgehen des Staates an die Versuche, den Messenger-Dienst Telegram zu blockieren. Weil sich dessen Leitung weigerte, die Daten und Inhalte der Nutzer ein halbes Jahr zu speichern und auf Anfrage dem Inlandsgeheimdienst FSB zur Verfügung zu stellen, versuchte Roskomnadsor Messenger im April 2018 zu blockieren. 26 Monate später, nachdem die Behörde viel Spott über sich ergehen lassen musste und Unternehmer über Millionenschäden klagten, gab der Staat im Juni 2020 seine Bemühungen schließlich auf.

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