Waschbären in Berlin: Besser sterilisieren als jagen

Tierschützer warnen davor, die Jagd auf Waschbären in der Hauptstadt zu erleichtern

Bekommt vom Trubel wenig mit: schlafender Waschbär auf einem Schornstein
Bekommt vom Trubel wenig mit: schlafender Waschbär auf einem Schornstein

Sie sind knuffig, immer hungrig und in der Hauptstadt weit verbreitet: Rund 1000 Waschbären leben nach Einschätzung von Expert*innen derzeit in Berlin – und machen dort, was Waschbären eben so tun. Die Behörden sorgen sich um Amphibien, die den Tieren zum Opfer fallen könnten. Auch Menschen kommen hin und wieder mit Waschbären in Kontakt, die Mülltonnen durchwühlen oder den Dachboden verdrecken.

Nach EU-Verordnung gelten Waschbären als invasive Art. Die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Tiere sollen demnach ihre neue Umgebung gefährden, gesundheitliche, ökologische oder ökonomische Schäden verursachen. Doch darüber, wie groß die von Waschbären ausgehenden Probleme in Berlin wirklich sind und wie die Verwaltung mit der Art umgehen soll, herrscht Uneinigkeit.

»Manche Berliner*innen haben ein eher schlechtes Bild von Waschbären«, sagt die Steglitzer Tierärztin Mathilde Laininger zu »nd«. Dafür habe neben der Einstufung als invasive Art auch die negative Berichterstattung in den Medien gesorgt. »Der einzige Schaden, den der Waschbär letztlich in Berlin erzeugt, ist aber ein ökonomischer Schaden.« Um das Einnisten auf Dachböden, in Schornsteinen und Lauben einzudämmen, hat die Vorsitzende des Vereins »Hauptsache Waschbär« dem Senat ein Pilotprojekt vorgeschlagen: Waschbären sollen lebend gefangen, kastriert oder sterilisiert und danach wieder im Freien ausgesetzt werden.

»Durch die Kastration der weiblichen Tiere sinkt die Notwendigkeit, sich in Dachböden einzurichten, weil ja keine Wurfhöhlen gebaut werden müssen«, erklärt Laininger. »Die Zahl der Nachkommen sinkt, der wirtschaftliche Schaden nimmt ab.« Ein entsprechender Antrag Lainingers wurde nun jedoch nach zwei Jahren abgelehnt. Als wesentliche Gründe nennt die Verwaltung unter anderem die unzureichende Einbindung einer wissenschaftlich anerkannten Forschungseinrichtung, fehlende Unterlagen und Genehmigungen.

»Die meisten der Begründungen des Senats sind einfach erfunden«, entgegnet Laininger. Letztlich gehe es allein um eine ausbleibende Erlaubnis der Jagdbehörde, entsprechende Fallen über einen längeren Zeitraum aufzustellen. Der Senat selbst habe den Antrag genehmigt, genauso wie die Tierversuchskommission und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). »Wir sind überrascht«, sagt die Tierärztin. Bis vor Kurzem hätten sie stets positiv mit der Behörde kommuniziert. »Jeder in Berlin müsste Interesse daran haben, dass das Pilotprojekt zeitnah beginnen kann.« Mit Antritt des neuen Senats habe sich der Ton jedoch gewandelt. Laininger befürchtet, dass die Verwaltung sich in Stellung bringt, um die Rahmenbedingungen der Waschbärenjagd zu lockern. »Das zumindest würde die Ausbremsung erklären.«

»Jeder in Berlin müsste Interesse daran haben, dass das Pilotprojekt zeitnah beginnen kann.«

Mathilde Laininger
Tierärztin und Vorsitzende des Vereins »Hauptsache Waschbär«

Bislang setzt das Land Berlin eigenen Angaben zufolge darauf, Berliner*innen darüber zu informieren, wie sie Haus, Garten und Müll vor den Tieren schützen können. Ein Wildtierkompetenzzentrum, das sich künftig auch mit dem Waschbärenmanagement befassen wird, befindet sich in Planung. Mithilfe von Elektrozäunen sollen diverse Tierarten außerdem vor dem Waschbären geschützt werden. Die Bejagung ist in Berlin derzeit nur in Wäldern und in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn das Tier einen Menschen gefährdet. Die Fallenjagd, bei der Waschbären erst gefangen und dann erschossen werden, ist – anders als in Brandenburg – nicht erlaubt.

»Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine Änderung des Landesjagdgesetzes beabsichtigt«, teilt die Senatsumweltverwaltung auf eine aktuelle Anfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak mit. Mit »verhältnismäßigen Mitteln«, heißt es allerdings auch, sei dem Waschbären nicht mehr beizukommen. Zwischen allen Bundesländern abgestimmte Managementmaßnahmen sollen »die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen« minimieren. Weitere Maßnahmen zur Vergrämung neben dem Bau von Zäunen sind laut Umweltverwaltung nicht geplant.

Auch ohne eine Änderung des Jagdgesetzes könne Berlin die Jagd auf Waschbären erleichtern, warnt allerdings Laininger. »Ich denke, dass die Antwort auf die Anfrage von Frau Tomiak eine Täuschung ist«, sagt sie. Über einen Verwaltungsakt könne der Senat die Fallenjagd einführen. Anders als bei einer Gesetzesänderung müssten Tierschutzvereine hierbei auch nicht angehört werden.

Laininger fordert den Senat auf, aktiv nach anderen Maßnahmen zu suchen, statt eine Bejagung der Tiere in Erwägung zu ziehen. Auch deshalb, weil Studien bereits gezeigt hätten, dass Waschbären unter Bejagung dazu neigen, sich noch stärker fortzupflanzen. Die Tierärztin plädiert – zusätzlich zur Sterilisierung der Tiere – dafür, die Vor-Ort-Beratung weiter auszubauen: »Hierzu gab es 2022 ein Pilotprojekt vom Senat. Das wurde gut angenommen und trotzdem hat der Senat 2023 die Gelder dafür gestrichen.« Nun sei es der Verein »Hauptsache Waschbär«, der die Beratungen finanziere und selbst durchführe. Zudem, führt Laininger aus, brauche es eine Auffangstation für die Tiere. Auch hier habe der Verein ein Konzept vorgelegt. Das Institut für Zoo- und Wildtierforschung, zukünftiger Träger des Wildttierkompetenzzentrums, habe allerdings bereits verlauten lassen, dass es weder Kapazitäten noch Interesse an einer dauerhaften Versorgung von Waschbären habe.

Neben »Hauptsache Waschbär« warnt auch der Umweltschutzbund BUND vor einer verstärkten Bejagung von Waschbären – und hält die Absage an Lainingers Pilotprojekt für einen Fehler. »Es ist sehr schade, dass das Projekt nicht ausprobiert wird«, sagt Dirk Schäuble, Artenschutzreferent des BUND, zu »nd«. Der Versuch hätte nicht viel Geld gekostet, zudem würden immer wieder Waschbären für einzelne Forschungen lebend gefangen. »Es ist leider eine vertane Chance.«

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