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Das nächste Wunderkind des Radsports
Der Mexikaner Isaac Del Toro gibt bei der Vuelta in Spanien sein Grand-Tour-Debüt
Im Peloton der Vuelta a Espana hielt sich Isaac Del Toro in den ersten Renntagen noch zurück. Der 20-jährige Grand-Tour-Debütant ist ja offiziell auch zum Lernen da. Außerdem soll er die Doppelspitze seines UAE-Rennstalls bestehend aus dem Portugiesen Joao Almeida und dem Briten Adam Yates – dem Vierten und dem Sechsten der diesjährigen Tour de France – unterstützen. Die Qualität seiner Unterstützung dürfte allerdings Aufschluss darüber geben, wie weit der junge Mexikaner inzwischen ist. In Fachkreisen gilt er als Wunderkind, als einer, der sogar seinem Teamkollegen Tadej Pogačar in Zukunft auf Augenhöhe begegnen kann.
Zurzeit bewegt sich Del Toro um fünf Jahre versetzt auf der gleichen Entwicklungskurve wie der Slowene. Beide gewannen mit 19 Jahren das wichtigste Nachwuchsrennen, die Tour de l’Avenir. Im Jahr darauf folgten erste Siege bei der World Tour. Del Toro gelang das sogar noch etwas früher als seinem großen Vorbild.
Bei seinem dritten Renntag als Profi überhaupt gewann der Mexikaner Anfang des Jahres eine Etappe der australischen Tour Down Under. Wie er das anstellte, war bemerkenswert. Etwa einen Kilometer vor dem Ziel beschleunigte er plötzlich, löste sich aus dem Peloton und hielt die wilde Meute bis zur weißen Linie auf Distanz. Das zeigt, welche Bärenkräfte er bereits besitzt. »Ich kann Dinge gut umsetzen. Das will ich auch. Und ich weiß, dass ich ein ziemlich vielseitiger Fahrer bin«, sagte er danach.
Das bestätigt auch sein Trainer. Alfred »Freddy« Cruz war selbst ein talentierter Fahrer. Er steckte im Nachwuchsprogramm des US-Rennstalls Garmin, musste wegen Herzproblemen aber früh seine aktive Karriere beenden. Seinen Einstand als Trainer gab er ausgerechnet dann, als in seinem Heimatort Ensenada, bekannt vor allem als Surferparadies in Baja California, die Familie Del Toro auf ihn zukam und ihn darum bat, den damals achtjährigen Sohn Isaac zu trainieren. Cruz sagte zu.
In den mittlerweile zehn Jahren, in denen er Isaac Del Toro betreut, fand er folgendes Bündel an Qualitäten, wie er im vergangenen Jahr dem »Portuguese Cycling Magazine« mitteilte: »Seine größte Stärke liegt im Klettern. Er ist aber auch nicht schlecht im Zeitfahren, was ihn für Rundfahrten prädestiniert. Und er hat extrem gute Werte über zehn- bis 15-minütige Krafteinsätze, sodass er auch in Klassikerrennen gut sein kann. Darüber hinaus hat er ganz besondere Konzentrationsfähigkeiten. Und er hat einen solch starken Willen, dass er keine Angst hat, ganz frühe Attacken zu lancieren.«
Genauso gewann Del Toro auch die Tour de l’Avenir: mit einer 50-Kilometer-Attacke in den Bergen. Das ist ganz der Hurra-Stil von Pogačar. Bei dessen Rennstall heuerte der Mexikaner dann auch an. Es war eine logische Entwicklung. »Wir kannten Del Toro schon viel früher, als er noch Mountainbike fuhr und gar nicht auf der Straße war«, meinte Teamboss Mauro Gianetti. Die Tour de l’Avenir bestritt Del Toro übrigens schon auf einer Rennmaschine von Colnago, dem Ausrüster von UAE Emirates.
Von seinem Kapitän Pogačar konnte sich der 20-Jährige seitdem bereits einiges abschauen. »Es ist toll, einen wie ihn ganz normal zu erleben«, beschreibt er seine Eindrücke. Wie der Slowene hebt auch Del Toro den Spaß am Fahren heraus. »Ich hoffe, dass ich auch in zehn Jahren noch Freude am Radsport habe«, meinte er. Ehrgeizige Ziele setzt er sich ebenfalls. »In zehn Jahren möchte ich um die Siege in den wichtigsten Rennen gekämpft haben«, sagt Del Toro und meint damit sowohl Eintagesklassiker als auch die großen Rundfahrten.
Dafür lebt der junge Mexikaner schon länger in Europa. 2021 zog er von der Pazifikküste nach San Marino, wo er für das dort lizenzierte Team A.R. Monex auch schon vor seinem Wechsel zu UAE zahlreiche Rennen in Europa bestritt.
Pogačar hat er deswegen bereits mehrere Dinge voraus. Der Slowene brauchte neun Profitage für seinen ersten Sieg bei den Männern, sogar 29 für den ersten Sieg in der World Tour. Bei seinem Grand-Tour-Debüt 2019 in Spanien holte er zwei Etappensiege und kam auf Gesamtrang drei.
Gleiches von Del Toro bei der Vuelta zu erwarten, wäre vermessen. Er hat im Team mit Yates und Almeida gleich zwei Kapitäne vor sich. Pogačar hatte vor fünf Jahren nach dem frühen Ausstieg seines damaligen Kapitäns Fabio Aru zur Halbzeit bereits freie Fahrt. Ein Auge auf Isaac Del Toro sollte man dennoch werfen.
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