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Brandenburg: Schlechtes Netz und weiter Weg zur Post
Linke-Anfrage zur Infrastruktur Brandenburgs zeigt: Glasfaserkabel fehlen und Postfilialen schwinden
Was unterscheidet den isländischen Vulkan Eyjafjallajökull und die südspanische Wüste Tabernas von der Lausitz? An den ersten beiden Orten soll es laut Angaben der örtlichen Netzbetreiber 5G geben. Der Mobilfunk 5G ist der neueste Standard für Übertragungsprotokolle zwischen Funktürmen und Endgeräten wie dem Smartphone. Funktürme sind über Land an das Internet angebunden, in dem Daten mittels Licht in der schnellsten Form übertragen werden. Damit 5G möglich wird, sollten Funktürme »idealerweise alle über Glasfaser an das Kernnetz angeschlossen sein«, informiert das Bundesministerium für Digitales. Bis 2030 will der Bund 5G als Standard deutschlandweit umsetzen.
Spanien und Island gehörten 2023 laut Statistikportal »Statista« zu den Top drei der OECD-Länder mit Glasfaseranschlüssen. Deutschland hingegen rangiert am anderen Ende – mit 11,9 Prozent Glasfaserkabelanschlüssen belegt die Bundesrepublik den drittschlechtesten Platz in Sachen ausgebautes Breitbandnetz, vor Griechenland und Belgien. Eine Anfrage der Linkspartei an die Bundesregierung befasst sich mit der Versorgung mit Glasfaserkabeln und mit Postfilialen in Brandenburg. Die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums liegt »nd« exklusiv vor. Sie zeigt, dass die öffentliche Infrastruktur insbesondere in den ländlichen Regionen nicht ausreichend ausgebaut ist.
Ohne Netz nix los
»Die Lausitz wird beim Glasfaserausbau regelrecht abgehängt. Dabei wäre es angesichts des Strukturwandels gerade dort wichtig, schnelle Leitungen zu haben«, sagt der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke), einer der Anfragesteller*innen, zu »nd«.
Im Lausitzer Oberspreewald besitzen 25 Prozent der Region einen Glasfaseranschluss. Im Gebiet Elbe-Elster sind es 22 Prozent, in Cottbus 14 und im Kreis Spree-Neiße nur drei. Insgesamt wurden 41 Prozent des Landes Brandenburg bisher mit Glasfaseranschlüssen ausgebaut. Laut der Antwort auf die Anfrage gibt es knapp 100 Gemeinden oder Kreise, in denen der Ausbau noch gar nicht begonnen hat, zum Beispiel die Gemeinden Unterspreewald und Schwerin. Das geht aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das sich in dieser jedoch auf Zahlen von 2021 bezieht.
Dem Ministerium zufolge sind bei der Bundesnetzagentur bisher acht Brandenburger Fälle eingegangen, in denen die Deutsche Telekom AG erst mit dem Glasfaserausbau startete, nachdem Wettbewerber mit der Planung oder dem Ausbau angefangen oder diesen bereits fertiggestellt hatten. »Die vorgetragenen Sachverhalte lassen sich, insbesondere in Bezug auf die jeweiligen zeitlichen Abläufe, nicht zweifelsfrei feststellen und abschließend beurteilen«, heißt es.
»Ein Wettbewerb auf Basis der Infrastruktur ist bei natürlichen Monopolen Unfug«, sagt die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke), eine weitere Anfragestellerin, zu »nd« und verweist auf den Bund als einflussreichen Anteilseigner an der Telekom AG. Laut Domscheit-Berg bade man 2024 die Folgen einer jahrelang verfehlten Breitbandstrategie aus: Statt eines Breitbandzieles, wie die Große Koalition es verfolgte, hätte man ein Infrastrukturziel in Form des schnellstmöglichen Glasfaserausbaus anstreben müssen. Glasfasernetze sind ihrer Meinung nach prädestiniert für eine Bereitstellung durch Kommunen.
»In Westdeutschland gibt es doppelt so viele Gigabit-Anschlüsse wie in Ostdeutschland«, sagt Domscheit-Berg. Lahmes Netz in den ostdeutschen Gemeinden trage dazu bei, dass Menschen sich abgehängt und nicht mehr von der Politik vertreten fühlten. Parteikollege Görke verweist darauf, dass schnelles Internet Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen sei. »Dass die Ampel jetzt mit dem neuen Haushalt noch beim Glasfaserausbau den Rotstift ansetzt und von drei Milliarden auf zwei kürzt, ist irrsinnig und hat mit Fortschrittskoalition nichts zu tun.« Bei Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) habe sich das brandenburgische Wirtschaftsministerium bereits in einem Brief beschwert: Durch die Kürzung um eine Milliarde Euro befürchtet das Land, Ziele des Gigabit-Ausbaus bis 2030 nicht mehr zu erreichen.
Hier geht keine Post ab
Schlechte Nachrichten für Brandenburg hält die Linke-Anfrage auch mit Blick auf die Abdeckung mit Postfilialen bereit: Seit 2015 ist der Anteil an Posteinrichtungen in Brandenburg um 9,3 Prozent gesunken – von 484 Posteinrichtungen auf 439. In der Prignitz ist der Anteil sogar um 24 Prozent gesunken, in der Region Spree-Neiße um 20 Prozent. Mindestens eine Postfiliale muss es laut Gesetz in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohner*innen geben.
Seit 2021 sind der Bundesnetzagentur insgesamt 22 Brandenburger Orte gemeldet worden, an denen es zu einer Unterversorgung von mindestens drei Monaten gekommen ist, entweder weil es in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohner*innen zeitweise keine Postfiliale gab oder weil Bürger*innen zu weit zur Post laufen mussten. Es gilt die Regel: In »zusammenhängend bebauten Gebieten« darf der Fußweg maximal einen Kilometer lang sein, maximal zwei Kilometer sind es in Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohner*innen. Ob es Regionen in Brandenburg gibt, in denen Menschen nicht mehr als einen Kilometer bis zum nächsten Briefkasten laufen müssen, ist der Bundesregierung nicht bekannt.
»Kein Konsum, kein Arzt, kaum öffentlicher Nahverkehr und nun auch keine Postfiliale mehr«, beschreibt Görke das, was sich in vielen ländlichen Regionen Brandenburgs abzeichnet. Um diese Entwicklung zu stoppen, bleibe nur eine Möglichkeit: Der Bund müsste als Großaktionär bei der Deutschen Post eine »Ausbauoffensive der öffentlichen Daseinsvorsorge« in der Fläche auf den Weg bringen.
»Kein Konsum, kein Arzt, kaum öffentlicher Nahverkehr und nun auch keine Postfiliale mehr.«
Christian Görke Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Finanzpolitik der Linken
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