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Ausbildung in Berlin: Herrenlose Lehrjahre

Azubis beklagen mangelnde Betreuung in der Ausbildung

Eine Auszubildende bei den Berliner Verkehrsbetrieben
Eine Auszubildende bei den Berliner Verkehrsbetrieben

Sascha König kommt viel rum. Der Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) des Landes Berlin besucht häufig Betriebe, um sich mit den Auszubildenden auszutauschen. Eine Begegnung ist ihm im Gedächtnis geblieben: »Meine Ausbilderin ist nie da«, habe ihm eine Auszubildende im Bereich Handel erzählt, berichtet er. Die angehende Fachkraft habe ihm weiter gesagt, dass sie viel mehr Verantwortung übernehmen müsse als sie könne. Sie fühle sich überfordert, aber erhalte kaum Unterstützung.

Die meisten Azubis in Berlin und Brandenburg blicken positiver auf ihre Ausbildung. 69 Prozent sind entweder »zufrieden« oder »sehr zufrieden« mit ihrem Ausbildungsplatz, mehr als die Hälfte würde ihn weiterempfehlen. Das geht aus einer Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hervor. »Die Zufriedenheit bleibt groß, aber es gibt einen Abwärtstrend«, sagt Mailin de Groot, DGB-Jugendsekretärin, am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts. Die Zufriedenheit mit der Ausbildung sei demnach erstmals auf unter 70 Prozent gefallen. Der Anteil derjenigen, die »sehr zufrieden« mit ihrer Ausbildung seien, habe sich seit der ersten Erhebung 2012 von 30 Prozent auf 16 Prozent halbiert. Für den Bericht wurden 1600 Auszubildende in Berlin und Brandenburg befragt.

Die höchste Zufriedenheit gibt es bei Auszubildenden in der Chemiebranche. Dort sind 82 Prozent der Befragten mit ihrer Ausbildung zufrieden. Schlusslicht der Erhebung bilden dagegen Veranstaltungstechnik und Hotel- und Gaststättenberufe, wo kaum mehr als die Hälfte der Befragten ihrem Ausbildungsbetrieb eine gute Note geben.

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Warum sind immer weniger Azubis zufrieden? Elena Peckhaus, Jugendbildungsreferentin des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg, glaubt, dass Defizite bei der Betreuung den Abwärtstrend erklären können. »Eine gute Ausbildung hängt maßgeblich davon ab, dass die Ausbilder einen guten Job verrichten«, sagt sie. Dafür müssten sie aber ansprechbar sein: Nur 69 Prozent der Befragten gaben an, dass der Ausbilder am Ausbildungsplatz »häufig« oder »immer« zur Verfügung stehe. 65 Prozent der Befragten geben an, dass ihr Ausbilder Arbeitsvorgänge verständlich erkläre. 78 Prozent der Befragten fühlen sich überwiegend korrekt behandelt.

»Viele Auszubildende stufen zwischenmenschliche und soziale Kompetenzen als wichtige Eigenschaften ihres Ausbilders ein«, sagt Peckhaus. Dazu gehören etwa Konfliktfähigkeit oder Kommunikationskompetenz. Die Arbeitgeber müssten daher mit Weiterbildungen vor allem die didaktischen Fähigkeiten der Ausbilder stärken, fordert Peckhaus. »Die Ausbilder tragen Verantwortung und müssen unterstützt werden«, so Peckhaus.

Im Durchschnitt verdienen die befragten Auszubildenden 952 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Damit liegen sie deutlich über der gesetzlichen Mindestvergütung von etwa 680 Euro. Dafür wird ihnen auch einiges abverlangt: Mehr als ein Viertel der Befragten gibt an, regelmäßig Überstunden zu leisten. Von diesen müssen wiederum 17 Prozent mehr als fünf Überstunden in der Woche abarbeiten.

»Die Ausbilder tragen Verantwortung und müssen unterstützt werden.«

Elena Peckhaus
DGB-Jugendbildungsreferentin

»Mitbestimmung ist der Hebel, um die Ausbildung zu verbessern«, glaubt JAV-Vorsitzender Sascha König. »Mitbestimmung bedeutet Schutz, bedeutet Gehör.« So zeigten die Daten, dass Auszubildende in Betrieben mit einer Jugendvertretung deutlich seltener Überstunden leisteten und insgesamt zufriedener seien.

Geht es nach dem DGB, würde die Mindestausbildungsvergütung deutlich erhöht. »680 Euro reichen zum Leben nicht«, sagt Jugendsekretärin Mailin de Groot. Die gesetzliche Mindestvergütung müsse 80 Prozent der durchschnittlichen tariflich vereinbarten Mindestvergütung betragen, fordert sie. Das würde eine Erhöhung auf 775 Euro bedeuten. Die 45 Prozent der Berliner Auszubildenden, die in einem Betrieb mit Tarifvertrag arbeiten, bekamen zuletzt im Schnitt eine Vergütung von 1070 Euro.

Auch ein Dauerbrenner gehört zum DGB-Forderungskatalog: Der Gewerkschaftsbund will eine Ausbildungsplatzumlage. Bei diesem Modell zahlen die Unternehmen, die keinen Nachwuchs ausbilden, eine Abgabe, aus der wiederum ausbildende Unternehmen unterstützt werden sollen. »Es geht darum, die Kosten solidarisch auf mehr Schultern zu verteilen«, sagt die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Nele Techen. Aktuell bildeten nur etwa elf Prozent der Unternehmen aus.

Zumindest diese Forderung könnte bald erfüllt werden: 2023 hatten Senat, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ausgemacht, dass im Rahmen des sogenannten »Ausbildungsbündnisses« eine Ausbildungsplatzumlage 2026 eingeführt werden soll, wenn bis dahin nicht mindestens 2000 neue Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Aktuell sieht es eher nach dem Gegenteil aus. 14 600 Ausbildungsverträge wurden zuletzt unterzeichnet – gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang von 0,3 Prozent.

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