Formentera: Was vom Hippie-Spirit übrig blieb

Lange galt sie als Aussteigerparadies, doch die kleinste Baleareninsel hat noch mehr zu bieten

  • Susanne Freitag
  • Lesedauer: 6 Min.
Von der Besucherterasse des Leuchtturms Far de la Mola kann man magische Sonnenaufgänge erleben.
Von der Besucherterasse des Leuchtturms Far de la Mola kann man magische Sonnenaufgänge erleben.

Zuletzt sorgte Mallorcas kleine Schwester nicht wegen ihrer Naturschönheiten für Schlagzeilen, sondern mit der »Chiringuito-Affäre«. Die acht Chiringuitos genannten Strandbuden der gerade einmal 20 Kilometer langen und an ihrer schmalsten Stelle knapp zwei Kilometer breiten Insel mussten abgebaut werden, die Konzessionen wurden neu vergeben. Anstelle der alteingesessenen Familien, die die traditionellen Buden seit Jahrzehnten betreiben, erhielten – mit einer Ausnahme – sieben neue Betreiber den Zuschlag.

Diese, nicht auf der Insel ansässigen, Unternehmen würden die kleinen Strandlokale mittelfristig in schicke Beach-Bars verwandeln, fürchten viele Einwohner. »Keiner will sie, auch die Touristen nicht«, erklärt Ekki Hoffmann, der seit 1991 als Gitarrenbauer auf der Insel lebt. »Der alte Charme ist weg, und die Preise auf der Insel sind sowieso unglaublich gestiegen.« Formentera habe in vielen kleinen Schritten über die vergangenen Jahrzehnte eine heftige Veränderung durchlebt, so Hoffmann weiter. »Immerhin haben wir noch keine Ampel auf der Insel. Wenn die erste aufgestellt wird, geht es wirklich bergab«, fürchtet er.

In Hoffmanns kleinem Gitarrenbauatelier im malerischen Örtchen Sant Ferran de ses Roques, östlich der Inselhauptstadt Sant Francesc gelegen, scheint die Zeit dagegen stillzustehen. Die Wände zieren Gitarren, die in den vergangenen knapp 40 Jahren gebaut wurden. Zwischen Werkbänken, Sägen, Fräsen, Schleif- und Bohrmaschinen herrscht ein charmantes Chaos. Der gebürtige Bielefelder besuchte Ende der 80er Jahre zwei Baukurse bei den Gründern von Formentera Guitars und blieb dort, um selbst Kurse zu geben. »Das Interesse, selbst eine Gitarre oder einen Bass zu bauen, war damals groß«, erinnert er sich.

Heute melden sich vor allem in die Jahre gekommene Hobbymusiker aus Deutschland und der Schweiz an. In dreiwöchigen Kursen für 3100 Euro erhalten sie fachkundige Anleitung beim Bau eines Formentera-Modells mit dem »balearischen Sound« wie San Fernando, San Francisco oder Toro, aber auch von Klassikern wie Stratocaster und Les Paul. Verwendet wird vor allem Mahagoni, Gebirgsahorn, amerikanische Erle und Sumpfesche, und am Ende dürfen die stolzen Gitarrenbauer ihr Instrument mit nach Hause nehmen.

Von Formentera Guitars ist es nur ein Katzensprung bis zu zwei weiteren kultigen Einrichtungen für Nostalgiker: das Restaurant »Fonda Pepe« und das gegenüberliegende »Hostal Pepe«. Während sich die einst günstigste Unterkunft der Insel preislich an die Gegenwart angepasst hat, weht im Restaurant noch das Flair der 60er Jahre. »›Fonda Pepe‹ war im Tagesverlauf die erste Kneipe, die öffnete, und die letzte, die schloss«, erinnert sich Hoffmann.

Das ist heute zwar nicht mehr so, dennoch treffen sich Einheimische und Gäste immer noch dort. Die Einrichtung ist spartanisch wie eh und je, und wer nur etwas trinken will, kann es sich auf der Mauer vor dem Restaurant mit einem Hierbas (Kräuterlikör) gemütlich machen. Ein paar Meter oberhalb der »Fonda Pepe« findet in den Sommermonaten fast jeden Abend ein Kunsthandwerkermarkt statt.

Bis zur Inselhauptstadt Sant Francesc sind es nur rund zehn Minuten Fahrt mit dem Fahrrad, einem der beliebtesten Fortbewegungsmittel auf der Insel. Im größten Ort Formenteras befindet sich der Sitz der Inselregierung. Vom Hippie-Spirit vergangener Tage ist hier wenig zu spüren. Mit der schicken Einkaufsstraße Carrer de Ramón Llull hat sich Sant Francesc für ein Publikum mit anspruchsvollen Shopping-Wünschen fein gemacht.

Lediglich in den Seitengassen entdeckt man noch kleine Boutiquen, und auf dem Platz zwischen Rathaus und der Kirche Eglesia de San Francesco findet jeden Vormittag ein Hippie-Markt statt. Selbstversorger zieht es auf den Bauernmarkt im Centro Antoni Tur »Gabrielet«, in dem saisonales Obst und Gemüse von der Insel verkauft wird. Direkt gegenüber lockt eine kleine Galerie mit wechselnden Ausstellungen lokaler Künstler, wie Brebarcelona mit seinen fluoreszierenden Bildvariationen von Formentera.

Die Urlauber kommen aber in erster Linie wegen der weißen Sandstrände und des kristallklaren türkisfarbenen Wassers. Diese sind vor allem im Norden zu finden, von Dünen umgeben und nur über schmale Holzstege zu erreichen. Die schönsten und beliebtesten Strände sind Playa de Ses Illetes – auf der Westseite einer schmalen Landzunge an der Nordspitze der Insel – und Playa de Levante – an der gegenüberliegenden Seite. Von beiden Stränden kann man bis zum Ende von Formentera spazieren und einen Blick auf Ibiza in der Ferne und die kleine, vorgelagerte Privatinsel Espalmador werfen. Wer wirkliches Robinson-Crusoe-Feeling genießen möchte, fährt mit einer der kleinen Fähren vom Hafen in La Sabina hinüber zum öffentlichen Strand von Espalmador.

Einen guten Panoramablick über die Strände bietet die Terrasse des Restaurants »Es Mirador« an der Straße von Es Caló nach El Pilar de la Mola. Ein paar Kilometer davor, bei Can Mestre, steht übrigens eine kleine Besonderheit: der größte Feigenbaum der Insel, »Blanca d’en Mestre«. Die Krone des Baumes hat einen Durchmesser von 20 Metern und muss von einem spiralförmigen System aus Hölzern und Eisen gestützt werden.

El Pilar de la Mola auf der Hochebene La Mola im Osten der Insel ist geografisch und gefühlt am weitesten vom Touristenzentrum Es Pujols im Norden entfernt. Der Hippie-Markt, der jeden Mittwoch- und Sonntagnachmittag in dem kleinen Ort auf dem Hochplateau stattfindet, ermöglicht eine Zeitreise in die 60er und 70er Jahre, mit bunten Ständen, an denen in die Jahre gekommene Hippies aber auch junge Kunsthandwerker ihre Produkte verkaufen und sich bei der Arbeit über die Schulter schauen lassen. Neben Mode und Silberschmuck gibt es auch lokalen Käse und Wein.

Sonst ist es recht ruhig in dem Dorf, das aus kaum mehr als 50 Häusern besteht, mit Ausnahme des Durchgangsverkehrs auf der Hauptstraße zum rund zweieinhalb Kilometer entfernten Leuchtturm Far de la Mola. Der älteste von insgesamt vier Leuchttürmen Formenteras thront seit 1861 am östlichen Ende der Insel an der mehr als 120 Meter hohen Steilküste und ist ein absoluter Touristenmagnet.

Tipps
  • Allgemeine Infos: www.formentera.es/de
  • Anreise: Formentera erreicht man nur mit dem Schiff über die Insel Ibiza, die per Flugzeug angeflogen oder mit Fähren von Häfen in Valencia, Denia und Barcelona angesteuert wird.
  • Formentera Guitars: Calle Sant Jaume, 17, 07871 Sant Ferran de Ses Roques (https://formentera-guitars.com)
  • Restaurant Fonda Pepe und Hostal Pepe: Carrer Major, 0, 07871 Sant Ferran de Ses Roques (www.hotelesfinder.com/
    hostal-pepe-formentera), Übernachtung ab 55 Euro pro Zimmer
  • Centro Antoni Tur »Gabrielet«: Av. De Portossaler, 13, 07860 Sant Francesc
  • Museum Far de la Mola: 07872 El Pilar de la Mola, Dienstag bis Sonntag 10 bis 14 Uhr, Mittwoch und Sonntag 17 bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 4,50 Euro

    Von der Besucherterrasse hat man einen tollen Blick aufs Meer, und im Innern des Turms ist ein kleines Museum zu seiner Geschichte untergebracht. Eine der Informationstafeln sowie ein Gedenkstein auf dem Gelände ist dem Schriftsteller Jules Verne gewidmet, in dessen Roman »Hektor Servadacs Reise durch die Sonnenwelt« der Leuchtturm eine Rolle spielt. Die beste Tageszeit für einen Besuch ist ganz früh am Morgen. Da ist das Museum zwar noch geschlossen, aber von der Hochebene aus bietet sich ein traumhafter Blick auf den magischen Sonnenaufgang.

    Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde teilweise unterstützt vom spanischen Fremdenverkehrsamt Turespaña.

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