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SB-Kassen: Selbst scannen macht Gelegenheiten

SB-Kassen helfen bei der Kostensenkung – und können neue Möglichkeiten beim Klauen bieten

  • Christian Rothenberg und Benedikt von Imhoff
  • Lesedauer: 4 Min.
SB-Kassen sind immer häufiger anzutreffen.
SB-Kassen sind immer häufiger anzutreffen.

Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn, sieht ein steigendes Diebstahlrisiko für den Einzelhandel durch den Einsatz von Selbstbedienungskassen. »Die Verluste der Händler durch SB-Kassen können bei ein bis zwei Prozent des Umsatzes liegen. Das ist sehr viel und deutlich mehr als bei klassischen Kassen«, sagt er und bezieht sich dabei auf Gespräche mit Branchenvertretern.

Kassen zum Scannen durch den Kunden sind inzwischen weit verbreitet: in Supermärkten, Drogerien und Baumärkten. Ende 2023 gab es dem Handelsforschungsinstitut EHI zufolge bereits 4270 Geschäfte mit insgesamt 16 000 Selbstbedienungskassen und damit mehr als doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Inzwischen dürften es noch mehr sein.

Valide Daten wurden bisher nicht veröffentlicht. Das EHI verzeichnete 2023 deutlich mehr Ladendiebstähle – inwieweit das auf SB-Kassen zurückgeht, ist unklar. Es sei schwierig, zu messen und nachzuweisen, dass an den Kassen mehr geklaut wird, sagt Studienautor Frank Horst. Eine Umfrage unter 40 Händlern zeigt: Knapp 28 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Inventurdifferenzen bei Self-Checkout-Systemen wie SB-Kassen höher sind, die Bestandsverluste liegen zwischen fünf und 39 Prozent. Die anderen sahen keine Unterschiede oder machten keine Angaben.

»Wir beobachten keine spürbare Zunahme in Märkten mit SB-Kassen«, sagt ein Sprecher von Edeka. Auch der Handelsverband Deutschland, Ikea, Rewe und Obi können keinen nennenswerten Anstieg der Diebstahlzahlen erkennen.

Viele Handelsketten möchten den Service ausbauen, auch Edeka. »Die Akzeptanz der Kunden ist hoch. Beschwerden sind uns nicht bekannt«, heißt es. Zudem hätten Kunden weiterhin die Möglichkeit, klassische Kassen zu nutzen.
»Kontaktloses Zahlen wird immer attraktiver, und die Nachfrage nach Selbstbedienungskassen steigt«, sagt eine Sprecherin von Ikea. Der Möbelhändler geht bald womöglich noch einen Schritt weiter. Im Einrichtungshaus in Düsseldorf gibt es seit Mai testweise nur noch SB-Kassen. In Frankreich, Österreich und Portugal setzt Ikea vielerorts längst nur noch auf die Selbstscanner-Variante.

Die USA gelten als größter Markt für SB-Kassen. So machen diese laut der Bank Capital One 40 Prozent der Kassen in Lebensmittelgeschäften aus. Zuletzt legten einige Supermarkt-Ketten wie Walmart in Filialen mit hohen Diebstahlraten jedoch Kassen still oder stellten an jede Einzelne einen Aufpasser. Der Capital-One-Studie zufolge gaben 15 Prozent der US-Amerikaner zu, an SB-Kassen schon gestohlen zu haben.

Laut einer Yougov-Umfrage nutzen Verbraucher in Deutschland SB-Kassen bevorzugt, wenn sie nur wenig Produkte kaufen oder wenig Zeit haben. Zehn Prozent geben an, sie ausschließlich zu nutzen, Menschen zwischen 18 und 24 Jahren häufiger als Verbraucher ab 55 Jahren. Zwölf Prozent der Befragten würden nach eigenen Angaben nie Kassen ohne Kassiererinnen oder Kassierer nutzen.

SB-Kassen bieten dem Handel einen weiteren Vorteil: Sie helfen die Fachkräftelücke zu stopfen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen in keinem anderen Beruf in Deutschland bis 2027 so viele Fachkräfte wie im Verkauf. Es gehe darum, Mitarbeitenden »mehr Zeit für das Wesentliche zu geben: Kontakt zu Kunden und Regalpflege«, sagte Rewe-Chef Lionel Souque zuletzt.

Auch für Handelsexperte Rüschen führt kein Weg daran vorbei, stärker auf SB-Kassen zu setzen – nicht nur wegen der Personalengpässe. »Die Kunden schätzen und erwarten den Service inzwischen, weil sie nicht in langen Warteschlangen stehen wollen«, sagt er. Die Diebstahlprävention müsse jedoch weiter ausgebaut werden. Zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen nutze der Handel bereits, etwa Aufsichtspersonal im Kassenbereich und Ausgangsschranken, die erst nach dem Scannen des Bons öffnen. Per Video sei es zudem möglich zu erkennen, wenn Produkte nicht erfasst oder beim Wiegen oder der Auswahl von Obstsorten falsche Angaben gemacht würden.

Aus der polizeilichen Kriminalstatistik geht hervor, dass in Geschäften in Deutschland zuletzt mehr geklaut wurde. Die Hauptursachen dafür sieht Rüschen in den steigenden Preisen und der sinkenden Kaufkraft – nicht in der rasanten Verbreitung von SB-Kassen.dpa/nd

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