Linke-Vorsitzender besucht die nach Ungarn ausgelieferte Maja T.

Schirdewan fordert Kurswechsel der Bundesregierung gegenüber Ungarn

Graffiti in Solidarität mit Maja T. und anderen Beschuldigten im Budapester Antifa-Prozess auf einem Eisenbahnwaggon.
Graffiti in Solidarität mit Maja T. und anderen Beschuldigten im Budapester Antifa-Prozess auf einem Eisenbahnwaggon.

Martin Schirdewan, der Noch-Ko-Vorsitzende der Partei Die Linke, hat am Mittwoch Maja T. im Gefängnis in Budapest besucht. Er kritisierte die deutsche Bundesregierung dafür, dass sie Auslieferungen linker Aktivist*innen an Ungarn zulasse, obwohl dort keine menschenwürdige Behandlung und kein rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten sei. »Niemand hat so eine Behandlung verdient«, sagte Schirdewan zu den Haftbedingungen von Maja T., die nach seinen Angaben rund um die Uhr videoüberwacht wird und von Mithäftlingen isoliert ist. T. beklage sich zudem über Schädlings -und Insektenbefall. »Sämtliche internationalen Gefangenenregeln werden missachtet«, sagte Schirdewan dazu »nd«.

Maja T. war vom sächsischen Landeskriminalamt im Morgengrauen des 28. Juni über Österreich an Behörden in Budapest »durchgeliefert« worden. Dort soll der nicht-binären Person im Zusammenhang mit dem rechten Aufmarsch »Tag der Ehre« im Februar 2023 der Prozess wegen Angriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Teilnehmer gemacht werden. Der Vorwurf lautet auf schwere Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen Organisation junger Erwachsener«.

Die über zwei Wochen geplante Auslieferung sorgte für Kritik, da die Behörden einem Eilverfahren von T.s Anwälten gegen die Maßnahme vor dem Verfassungsgericht offenbar zuvorkommen wollten. Die Richter*innen in Karlsruhe hatten am 28. Juni gegen 10 Uhr geurteilt, dass nicht ausgeliefert werden dürfe, da aufgrund der geschlechtlichen Identität der betroffenen Person eine besondere Schikane in Ungarn drohe. Zu diesem Zeitpunkt war T. jedoch längst an die österreichische Grenzpolizei übergeben worden.

Ungarn hat derzeit den Vorsitz des Europäischen Rates inne. Die Bundesregierung solle die Rücküberstellung der inhaftierten Antifaschist*in erwirken, sagte Schirdewan, der auch Europaabgeordneter ist. So regt es auch die Petition einer Elterninitiative an, die am Mittwoch bereits 62 000 Unterschriften verzeichnete. Am Dienstag schlossen sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen der Initiative an und forderten »Haftalternativen« für T. sowie Zugang für die deutschen Verteidiger.

Auf die menschenunwürdigen Zustände im Gefängnis der ungarischen Hauptstadt hatte zuvor auch die über ein Jahr dort einsitzende Ilaria Salis aufmerksam gemacht. Da sie bei der Europawahl erfolgreich für die grün-linke Liste Italiens kandidierte und als Mitglied des Europäischen Parlaments Immunität genießt, musste die Justizbehörde in Budapest ihrer Freilassung zustimmen.

»Ich weiß von meiner Fraktionskollegin im europäischen Parlament, Ilaria Salis, die das erlebt hat, wie die Haftbedingungen für politisch missliebige Personen in Ungarn aussehen«, erklärte Schirdewan vor seiner Reise nach Budapest. Ungarn bezeichnete er als »autoritäres Regime«, die Auslieferung dorthin als »eine Schande für Deutschland«.

Kritik übte der Linke-Vorsitzende auch am deutschen Justizminister Marco Buschmann (FDP), der nicht dafür gesorgt habe, dass die beschuldigten jungen Antifaschist*innen ein rechtsstaatliches Verfahren in Deutschland bekommen. Die Anwälte von mehreren per Haftbefehl Gesuchten hatten angeboten, dass sich diese stellen würden, sollten die Justizbehörden einem Prozess in Deutschland zustimmen. Hierzu will sich Schirdewan im Europaparlament mit anderen Sozialdemokrat*innen abstimmen, um diese für das Vorhaben zu gewinnen.

Eine Rücküberstellung der inhaftierten T. fordert auch die innenpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe im Bundestag, Martina Renner, die am Mittwoch ebenfalls nach Budapest gereist war. Die beiden Politiker*innen fordern eine Untersuchung des Verhaltens der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und der sächsischen Polizei im Zusammenhang mit der hastigen Auslieferung von T. an Ungarn. Möglichen Rechtsbrüchen müssten »im Zweifel personelle Konsequenzen folgen«, erklärten Schirdewan und Renner. Renner bezeichnet die Anklage gegen T. als »politischen Prozess«.

Auf Geheiß der Bundesanwaltschaft sitzt auch die 29-jährige Hanna S. in Nürnberg wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung« in Haft. Ihr wird ebenfalls vorgeworfen, an Angriffen auf mutmaßliche Rechtsextreme in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Offenbar hat Ungarn aber noch kein Auslieferungsersuchen gestellt.

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