• Berlin
  • Ausstellung »Gegen den Strich«

Die widerständigen Momente im Kolonialismus

Die Ausstellung »Gegen den Strich« erzählt die Kolonialgeschichte aus Sicht der Unterdrückten

Antikoloniale Kämpfe schreiben sich im Berliner Stadtbild fort: 2022 wurde der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umbenannt.
Antikoloniale Kämpfe schreiben sich im Berliner Stadtbild fort: 2022 wurde der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umbenannt.

Das große Historiengemälde von August von Rentzell fällt sofort auf, wenn man die Neurotian-Galerie im Haus Schwarzenberg betritt. Das Bild trägt den Namen »Kurpromenade in Marienbad«. Ins Auge stechen eine Menge Soldaten zu Fuß und zu Pferd sowie Adlige und gehobenes Bürgertum im Erholungsurlaub. Ganz in der Ecke des Bildes findet sich ein Schwarzer Junge in buntem Gewand, der das Geschehen vom Rande aus beobachtet. Auf ihn richtet die Ausstellung »Gegen den Strich« den Fokus.

Patricia Vester, stellt sich in einem Film der Exposition am Hackeschen Markt als Schwarze Deutsche, Aktivistin und Mutter vor. Vester, eine der Autor*innen der Ausstellung, hat sich auf die Suche nach Schwarzen Menschen gemacht, die auf historischen Gemälden, wie in der Szene aus Marienbad, meistens am Rande stehen. Wer waren sie? Wie kamen sie in das Bild?

Bisher blieben die Schwarzen Menschen in Bildern und Denkmälern namenlos, niemand fragte nach ihrer Geschichte. Sie ist meistens mit Zwang, Versklavung und Gewalt verbunden, wie das Leben von Bilillee Ajiamé Machbuba, der wohl bekanntesten versklavten Frau eines preußischen Fürsten. Sie starb in jungen Jahren im heute sächsischen Bad Muskau an Auszehrung. Patricia Vester hat sie mit ihrem Comic »Das kurze Leben der Bilillee Ajiamé Machbuba«, der in der Ausstellung auszugsweise zu sehen ist, dem Vergessen entrissen.

In einem Raum wird in Filmen und auf Schautafeln auch an den Widerstand gegen alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung in Kolumbien und Honduras erinnert. Vorgestellt werden verschwundene Landarbeiter*innen und Menschenrechtsaktivist*innen. Der Comic »Kämpferinnen – Luchadoras« von Steffi Wassermann und Paola Reyes stellt Frauen aus Kolumbien vor, die sich gegen die dortige Unterdrückung zur Wehr setzten.

Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich Kamerun und wirft ein Licht auf die verdrängte deutsche Kolonialgeschichte. Auf drei vom Verein Perspektivwechsel erstellten Informationssäulen wird die wenig bekannte Geschichte des antikolonialen Kampfes in Kamerun erzählt. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte Kamerun zum Deutschen Kolonialreich. Einwohner*innen wurden unterdrückt und zwangsumgesiedelt. Dagegen setzte sich Rudolf Manga Bell zur Wehr. Er richtete Petitionen an den deutschen Gouverneur und den Reichstag.

Der linke Sozialdemokrat Georg Ledebour bezeichnete die deutsche Kolonialpolitik in Kamerun als »Rechtsbruch schmählicher Art«. Manga Bell wurde am 17. August 1914 hingerichtet. Die Kolonialmacht Frankreich, die Kamerun 1914 übernahm, herrschte mit ähnlicher Gewalt. Eine Informationssäule informiert über die Union der Menschen Kameruns (UPC), eine linke Partei deren Mitglieder und Aktivist*innen terrorisiert und ermordet wurden.

Auch Initiativen, die Berlins koloniale Verstrickungen aufzeigen, finden in der Ausstellung Platz. Ihr Einfluss manifestiert sich auch im Stadtbild: In Berlin-Wedding wird am 23. August die auf einen Kolonisten zurückgehende Petersallee in Maji-Maji- und Anna-Mungunda-Allee umbenannt. Gemeint sind die Maji-Maji-Widerstandsbewegung im historischen Deutsch-Ostafrika und die 1959 ermordete Anti-Apartheid-Kämpferin Anna Mungunda aus dem heutigen Namibia.

»Gegen den Strich«, bis 7. September, Mo bis Sa 12 bis 20 Uhr, Neurotitan-Galerie im Haus Schwarzenberg, Rosenthaler Straße 39, 2. Hof, 10178 Berlin, Eintritt: ab 1 Euro.

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