James Donald Vance: Wie die Fahne im Wind

Iván T. Berend portraitiert den US-Republikaner James Donald Vance als politischen Wendehals

  • Iván T. Berend
  • Lesedauer: 3 Min.
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance

Im Jahr 1941 schrieb Bertolt Brecht seine berühmte politische Satire »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui«, ein Gangsterdrama über Adolf Hitlers Machtergreifung. Warum fiel mir dieses Theaterstück ein? Natürlich wegen den heutigen Arturo Uis, die den politischen US-Gemüsemarkt besetzt haben. Einer von ihnen ist James Donald Vance.

Sollte Trump am 5. November gewählt werden, wird Vance vier Jahre bis 2028 als Vizepräsident (und möglicherweise Trumps Nachfolger) absolvieren. So wird er im Alter von 39 Jahren plötzlich zu einem der Hauptakteure auf der politischen Bühne der USA.

Urprünglich war Vance ein Trump-Gegner. Im Jahr 2016 nannte er den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump noch Amerikas Hitler. Im Februar 2016 schrieb er in »USA Today«, Trumps politisches Programm bewege sich im Bereich des Unmoralischen und der Absurdität. Im Magazin »Atlantic« und in einer Sendung von PBS (Public Broadcasting System) nannte er ihn eine »Kulturdroge, das Opium der Massen«.

Iván T. Berend

Iván T. Berend ist seit 1990 Professor an der Unversity of California (UCLA).

Im Jahr 2018 begann die spektakuläre Wende des Mr. Vance. 2020 unterstützte er Trump bereits, löschte seine vorherigen kritischen Kommentare auf Twitter, eilte nach Mar-a-Lago, um sich bei Trump zu entschuldigen, bevor er seine Kandidatur für einen Senatorenposten ankündigte. In seiner Rede auf dem Parteitag der Republikaner im Juli stellte Vance sogar fest, dass Trump die Präsidentschaft gar nicht bräuchte, vielmehr bräuchten die US-Amerikaner Trump. Daher nehme Trump die Präsidentschaft – so Vance – aus purer Selbstaufopferung auf sich. Der sich aufopfernde Trump! Diese Fähigkeit, das Fähnchen immer nach dem Wind zu kehren, zeigt Vance‘ politisches Talent.

Vance legte eine noch extremere Kehrtwende der seit einem Dreivierteljahrhundert strikt verfolgten US-amerikanischen Außenpolitik hin als Trump. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar erklärte er, dass Putin keine existenzielle Bedrohung für Europa darstelle. Darüber hinaus bestehe keine Notwendigkeit, die Ukraine zu unterstützen, und Europa müsse einsehen, dass es sich nicht auf US-Hilfe verlassen kann und sich selbst schützen muss. Die strategische Priorität der USA läge in Ostasien und im Nahen Osten, nicht in Europa. Das sei die US-Außenpolitik für die nächsten 40 Jahre.

Anders als Trump, der sich vor dem Militärdienst drückte, begann Vance seine Karriere als Soldat. Ein weiterer Kontrast: Trump wurde mit dem silbernen Löffel im Mund geboren, Vance wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Im Gegensatz zu Trump, der nicht in der Lage ist, einen längeren Text als eine Seite zu lesen, dessen veröffentlichte »Bücher« von Ghostwritern geschrieben wurden, veröffentlichte Vance 2016 sein erfolgreiches Buch »Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise« (Hillbilly ist in Amerika ein »Hinterwäldler«). Vance beschreibt darin den durch Drogen verursachten Bankrott und Zerfall seiner Familie und dass er von seinen Großeltern erzogen wurde.

Dass Vance Trumps Nachfolger sein könnte, kann natürlich nur passieren, wenn Trump die anstehenden Wahlen gewinnt und weitere vier Jahre Präsident ist. Dann würde Vance als Nachfolger fast automatisch für die Präsidentschaft im Jahr 2028 kandidieren. Dagegen dürften Kamala Harris und die Demokraten jetzt schon etwas haben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal