Hitze in Deutschland: Sweating for future

Melanie Jaeger-Erben portraitiert drei Menschengruppen, die jede auf ihre Weise mit der Wärme umzugehen versucht.

Mit einem Regenschirm schützen sich Passantinnen hinter den Fontänen des Brunnens im Berliner Lustgarten gegen die Sonne.
Mit einem Regenschirm schützen sich Passantinnen hinter den Fontänen des Brunnens im Berliner Lustgarten gegen die Sonne.

Wenn Ende August in weiten Teilen von Deutschland die Temperaturen auf über 30 Grad klettern, werde ich als Nachhaltigkeitsforscherin von Bekannten oft gefragt: Ist das jetzt der Klimawandel? Meist antworte ich allgemein und verweise auf den Unterschied zwischen Wetter und Klima und dass einzelne ungewöhnlich heiße Tage zwar kein Beleg für den Klimawandel sind, dieser aber die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen erwartbar erhöht. Ich stelle dann direkt eine Rückfrage: Was machen denn die heißen Tage mit dir?

Denn wenn sich die Anzeichen verdichten, dass die Maßnahmen der »Mitigation« – also der Verhinderung des Klimawandels – aufgrund von Ambitionslosigkeit nicht wirklich greifen, werden Strategien der Anpassung an die Folgen des Klimawandels relevanter denn je. Und neben den Maßnahmen, die Städte oder Kommunen zur Anpassung ergreifen können, ist es wichtig zu verstehen, wie sich Menschen in ihrem Alltag ganz praktisch mit extremen Wetterphänomenen auseinandersetzen können. Die Antworten auf meine Rückfrage sind vielfältig und es lassen sich – grob gesagt und leicht ironisch zugespitzt – in drei Typen unterscheiden:

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Da gibt es die »Techfixer«, die davon überzeugt sind, dass alle Alltagsprobleme mit Tools und neuen Technologien gefixt werden können. Ventilatoren, Klimaanlagen oder andere »smarte« Kühlgeräte laufen hier den ganzen Tag durch. Während draußen die Vögel von den Bäumen fallen, die Bäume erschrocken ihre Blätter vorzeitig abwerfen und die Bienen verzweifelt nach Blüten suchen, herrschen in den Wohnungen der Techfixer maximal 20 Grad Raumtemperatur. Dass dabei der Stromzähler schneller rotiert als ein Hamster im Laufrad, ist egal.

Entfernt hiermit verwandt sind die »DIY-Optimierer«. Das sind kreative Bastler, die sich selbst und ihre Umgebung in Richtung einfacher Lüftungs- und Kühloptionen optimieren. Sie baden die Füße in kaltem Wasser, hängen feuchte Tücher vor die Fenster oder basteln sich Kühlflaschen. DIY-Optimieren lassen sich einfach daran erkennen, dass sie ungefragt lange Vorträge über die optimalen Lüftungsmethoden halten und zwanghaft in der Mittagshitze geöffnete Fenster schließen. Im Gegensatz zum Techfixer geht es hier aber um »Lowtec«, also möglichst einfache Lösungen.

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Und schließlich gibt es noch die »Müßiggänger Deluxe«, die ihre eigenen Verhaltensweisen optimieren oder besser gesagt: auf das Nötigste herunterfahren. Dieser Typus lässt sich auf der Straße gar nicht erkennen, er hält nämlich die meiste Zeit des Tages Siesta, sitzt in heruntergekühlten Einkaufszentren herum oder bewegt sich so langsam, dass das bloße Auge ihn nicht sieht. Müßiggänger werden vor allem dann aktiv, wenn der Wassereisvorrat aufgebraucht ist oder ein Schattenplatz am Badesee frei wird.

Zunehmende Extremwetterereignisse sind ein ernstes Thema, Menschen leiden nicht nur unter starker Hitze, sie werden davon auch gesundheitlich gefährdet. Umso wichtiger ist es, alltägliche Anpassungsfähigkeiten zu stärken und zwar vor allem solche, die die Ursachen zunehmender Hitze – siehe den Techfixer – nicht noch verstärken. Erlaubter und bezahlter Müßiggang im Sommer wäre eine wunderbare Anpassungsmaßnahme.

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